Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

Archiv

Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

Archives

On this website you find information about my work as member of parliament (1998 - Oct. 2009)

Curriculum Vitae english Curriculum Vitae français Curriculum Vitae spanish Curriculum Vitae russian Curriculum Vitae chinese

    09.11.2007

    Konzert „Zeichen setzen gegen Rassismus“

    Grußwort für die KGS Schneverdingen


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler der AG „Nein zu Rassismus“, liebe Schülervertretung, sehr geehrte Frau Fack, liebe Schulleitung, liebe Lehrer und Gäste, sehr geehrte Vertreter des Stadtjugendrings,

    als ich im Frühjahr dieses Jahres an der KGS Schneverdingen die Patenschaft für das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ übernommen habe, habe ich das gerne gemacht. Inzwischen sieht es ganz so aus, als stellt dieses Jahr 2007 in dieser Stadt eine Zäsur im Umgang mit Rechtsextremisten dar - und daran haben das Projekt „Schule ohne Rassismus“ und die AG „Nein zu Rassismus“ hier an der KGS einen immens wichtigen Anteil. Denn: In Schneverdingen wird seit diesem Jahr 2007 erstmals öffentlich und hörbar über Rechtsextremismus gesprochen.

    Es ist inzwischen mindestens norddeutschlandweit bekannt, dass Schneverdingen Heimatort für eine rechtsextremistische Kameradschaft ist. Die Anhänger geben sich einen bürgerlichen, adretten Anstrich, scheinen aber in der Szene wichtige Aufgaben zu erfüllen. Die niedersächsischen Kameradschaften, und nach meinen Informationen macht die hiesige da keine Ausnahme, arbeiten gerade jetzt für den Wahlkampf zur Landtagswahl in Niedersachsen eng mit der NPD zusammen, besetzen zum Beispiel Wahllisten mit Kameradschaftsmitgliedern.

    Die Kameradschaft in Schneverdingen existiert nicht erst neuerdings. Neu ist aber, dass sie jetzt von der Zivilgesellschaft thematisiert wird. Überaus begrüßenswert ist es, dass der Rat der Stadt im August mit großer Mehrheit eine Resolution gegen Rechtsextremismus verabschiedet hat. Das hebt die Eigeninitiativen hier an der Schule auf eine breitere Basis. Nun gilt es, diese Resolution in Vereinen und Verbänden, in Gesellschaft und Politik umzusetzen.

    Nun mag der öffentliche Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus und mit den Anhängern dieser realitätsfernen und zutiefst inhumanen Weltanschauung hier und da noch ein wenig hilflos sein. Noch mag den Mahnern vielleicht sogar die nötige Unterstützung fehlen. Ich aber bin überzeugt, dass ein öffentlicher Diskurs über das Thema Rechtsextremismus im Allgemeinen und über die hiesige Kameradschaft im Besonderen der einzige Weg ist, rechtsextremistischen Tendenzen das Wasser abzugraben. Nur wer informiert ist, kann die richtigen Konsequenzen ziehen.

    Was das heutige Konzert an der KGS angeht: Mit dieser Aktion helfen Sie das Thema ins Bewusstsein der Bürger zu bringen. Ich freue mich besonders, dass hier nicht jeder für sich kämpft, sondern dass die Schülerinnen und Schüler die Veranstaltung gemeinsam mit dem Stadtjugendring organisiert haben. Das zeigt, dass es eine breite Mehrheit gegen Rechtsextremismus gibt. Wenn hier junge Leute ein Rockkonzert auf die Beine stellen, dann zeigen sie, dass es weitaus „cooler“ ist, sich gegen Rassismus zu positionieren, als Rassist zu sein. Dass Toleranz weitaus bereichernder im Leben ist als Hass. Und Sie zeigen jenen, die bislang meinten, Totschweigen sei eine Lösung, dass es auch demokratischere Wege gibt, sich dem Problem zu nähern.

    Denn Demokratie bedeutet, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, mit anderen zu reden, und Lösungen zu finden. Es bedeutet auch, andere Meinungen zuzulassen. Niemand hat behauptet, dass das ein einfacher Weg ist. Aber es ist der einzig zielführende. Die einfachen Lösungen von rechtsextremistischer Seite halten den Realitäten unserer Zeit nicht stand.

    Wenn ich mit Schülergruppen diskutiere, kommt oft die Frage, wieso Rechtsextremisten oder NPD-Mitglieder nicht zu Podiumsdiskussionen eingeladen werden. Wieso wir Demokraten ihnen also das Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen. Die Funktionäre der Partei und die geschulten Kameradschaftsmitglieder bringen dieses vermeintliche Paradoxon eigens in Diskussionen ein und bemitleiden sich selbst, dass sie von den Demokraten so undemokratisch behandelt werden.

    Ich habe schon bei der Einweihung des Projekts „Schule ohne Rassismus“ darüber gesprochen, aber ich finde es wirklich wichtig zu betonen, dass Toleranz die Grenzen in unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung findet. Darum sage ich noch einmal: Menschen, die die Staatsform Demokratie ausnutzen wollen, um an der Systemumwerfung zu arbeiten, muss ich nicht tolerant gegenüber sein. Ich verbiete ihnen ihre Meinung nicht, aber ich muss ihnen auf Podien kein Forum geben, sich darzustellen. Ich muss keine Partei ernst nehmen, die mit angeblich geheimen Forsa-Umfragen Falschinformationen streut und die Bürger an der Nase herumführen will. Ich muss keine Gruppe von Menschen fördern, die viele Gewalttäter in ihren Reihen duldet. Ich muss den einfachen Lösungen der Rechtsextremisten für Probleme der komplizierten heutigen Welt nicht zuhören. Sie alle laufen letztlich auf die absurde völkische Theorie hinaus, dass Deutsche besser sind als andere Menschen. Woraus sich diese seltsame Annahme folgert, wird mir wahrscheinlich immer ein Rätsel bleiben.

    Im Landkreis Harburg setze ich mich mit dem Aktionskreis „Gesicht zeigen!“ bereits seit Jahren gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit ein. Es ist eine Arbeit, die in langen Zeiträumen gedacht werden muss, und die wir hauptsächlich als Demokratiearbeit verstanden wissen wollen. Wichtig ist uns, dass Menschen so offen und selbstbewusst aufwachsen, dass sie absurde Theorien erkennen und nicht vergessen, wohin sie in der Geschichte geführt haben. Einer unserer wichtigen Eckpfeiler für diese Arbeit sind Veranstaltungen mit Zeitzeugen. Im Zuge dieser Arbeit war ja auch an der KGS bereits ein Zeitzeuge zu Gast: Der Auschwitzüberlebende Kurt Goldstein, der in diesem Jahr leider verstorben ist.

    Aber - das zeigt das heutige Konzert - es gibt viele Möglichkeiten, Öffentlichkeit für ein Thema zu schaffen, für das nur durch Öffentlichkeitsarbeit Sensibilität erreicht werden kann. Nur durch Informiertheit ist es möglich, eine Meinung zu bilden. Ein Rockkonzert ist da sogar eine richtig gute Sache, denn jedes Anliegen verliert an Attraktivität, wenn Spaß und Leidenschaft fehlen.

    Spaß an der Musik und Leidenschaft für die Demokratie wünsche ich Ihnen, und damit meine ich alle Beteiligten an diesem Abend! Schneverdingen ist auf dem richtigen Weg. Allen, die sich die Thematisierung des Rechtsextremismus auf die Fahnen geschrieben haben, und allen, die sich aufgrund ihrer Funktionen mit dem Thema auseinandersetzen, wünsche ich Mut und Kreativität, weiterzumachen. Ihre Arbeit ist wichtig.

    Herzlichen Dank!