Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    30.04.2008

    „Geht kritisch und aufrecht durchs Leben“

    Zeitzeugen Fritz Bringmann und Gina Bormann zu Gast in der Realschule Neu Wulmstorf


    Zusammen mit dem Aktionskreis „Gesicht zeigen! im Landkreis Harburg“ veranstaltete die Realschule Vierkaten in Neu Wulmstorf eine überaus interessante Doppelstunde. Auf Vermittlung des Aktionskreises waren die beiden Zeitzeugen Fritz Bringmann aus Neumünster und Gina Bormann aus Buchholz an der Schule zu Gast. Schulleiterin Heiderose Wilken hatte das Schulforum für Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen vorbereitet. Es war eine wirklich beeindruckende Doppelstunde, denn die beiden Zeitzeugen sind in ihrem Leben mit den schlimmen Erfahrungen im Nationalsozialismus grundverschieden umgegangen.

    Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Monika Griefahn im Namen des Aktionskreises die Jugendlichen. Sie stellte die Arbeit von „Gesicht zeigen!“ vor und bedankte sich bei den beiden Zeitzeugen für ihr Kommen und ihre Bereitschaft zu sprechen. Dadurch sei der Aktionskreis in der Lage, die Zeitzeugenveranstaltungen auch nach dem Tod von Kurt Goldstein fortzusetzen.

    Gina Bormann, heute 75 Jahre alt, erlebte als Kind die Diskriminierungen der Vorkriegszeit, ohne sie wirklich zu verstehen. In ihrer Familie wurde über die Herrschaft der Nationalsozialisten nicht gesprochen. So verschwand eines Tages ihr Vater, der Jude war, auf Nimmerwiedersehen. Und auch immer mehr Freunde mussten gehen. Was Gina Bormann damals nicht wusste: Sie kamen ins Konzentrationslager. Ihr Vater überlebte nicht, dennoch schwieg Gina Bormann ihr Leben lang, verdrängte die Ereignisse. Erst jetzt, im hohen Alter, hat sich die quirlige Buchholzerin zum Reden entschlossen. „Ich mache das, weil es immer noch Nazis und Antisemiten gibt, und weil es wichtig ist, die schlimmen Erfahrungen weiterzugeben“, erklärt sie den Schülern.

    Das Leben des 90-jährigen Fritz Bringmann, der als zweiter Zeitzeuge zu den Jugendlichen sprach, verlief grundlegend anders. Er wurde in Lübeck in eine sozialistisch eingestellte Familie hineingeboren und war schon in früher Jugend politisiert. Die Neu Wulmstorfer Schülerinnen und Schüler erfuhren aus einem 45-minütigen Film, den eine zehnte Klasse in Berlin über den Widerständler erarbeitet hat, dass Bringmann 1935 verhaftet wurde, weil er die Losung „Nieder mit Hitler“ an eine Brücke gemalt hatte. Zuvor waren schon seine beiden ebenfalls politisch aktiven Brüder zu Hause „abgeholt“ worden. Sein Leidensweg mit Arbeitsdiensten, Hunger und Folter, bei der er sein linkes Auge einbüßte, führte über verschiedene Gefängnisse ins Konzentrationslager Neuengamme, das er überlebte. Der Film endete mit den Worten, die Fritz Bringmann auch in der anschließenden Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern nicht müde wurde zu wiederholen: „Ich wünsche mir, dass ihr kritisch und aufrecht durch das Leben geht“, sagte der 90-Jährige. „Ich bin immer kritisch durch das Leben gegangen“, so Bringmann weiter. „Das ist nicht einfach, aber ihr wachst daran.“

    Eine zentrale Frage, die den Zuhörern unter den Nägeln brannte, war, woher Bringmann im KZ die Kraft nahm, mit allem fertig zu werden – zumal der Film gezeigt hatte, dass einige seiner Mithäftlinge sich aus Verzweiflung und Angst selbst das Leben genommen hatten. Bringmann erklärte: „Die Nazis haben den Terror in meine Familie hineingetragen. Das war eine Herausforderung, und ich habe ein gesundes Hassgefühl gegen die Nazis entwickelt. Damit habe ich das alles ertragen können.“ Mehrfach appellierte er an die Schülerinnen und Schüler, wachsam zu sein: „Die Nazis heute sind eine unterschätzte Gefahr. Deren Ziele haben mit Menschlichkeit nichts zu tun.“