Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    11.03.2008

    Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist Angelegenheit der Mitgliedstaaten

    Forderung: Konsultationsverfahren soll erneut eröffnet werden


    Anlässlich des Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission zur "Überarbeitung der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk" erklären die Obleute der Fraktionen im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Axel Schäfer (SPD), Michael Stübgen (CDU/CSU) und Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen) und die Obleute der Fraktionen im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages Monika Griefahn (SPD), Wolfgang Börnsen (CDU/CSU) und Grietje Bettin (Bündnis 90/Die Grünen):

    Die Obleute der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages vertreten die Auffassung, dass die Europäische Kommission im Rahmen ihres Konsultationsverfahrens zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sich hauptsächlich von Wettbewerbs- und Binnenmarktgesichtspunkten hat leiten lassen. Das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten (Vertrag von Amsterdam 1997) hat deutlich festgelegt, dass für die Definition der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Organisation und für die Finanzierung zur Erbringung dieser Aufgaben ausschließlich die Mitgliedsländer, in Deutschland die Bundesländer, zuständig sind. Dies findet sich auch im Vertrag von Lissabon wieder. Der Europäischen Kommission fehlt es danach an der Kompetenz, die Systeme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks europaweit zu harmonisieren und sie an den Marktgesetzlichkeiten zu messen, statt zu berücksichtigen, dass sie gleichermaßen an den Bedürfnissen der Gesellschaft nach Medienpluralismus und kultureller Vielfalt auszurichten sind. Genau diese rein wettbewerbspolitisch motivierte Intention zur Harmonisierung der Regeln über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk liegt jedoch dem Fragebogen zur Revision der Beihilfemitteilung zugrunde und überschreitet deshalb grundsätzlich den Auftrag der Kommission, bei nachweisbaren Verstößen gegen Wettbewerbsbestimmungen einzugreifen. Die Zuständigkeit der Mitgliedsländer/Bundesländer ergibt sich auch aus der verbrieften Kulturhoheit der Mitgliedsländer/Bundesländer. Regelungen, die die Inhalte des öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunks betreffen, fallen daher erst recht nicht unter die Kompetenzen der Europäischen Union, da Rundfunk nach wie vor ein bedeutender Kulturfaktor ist und sich nicht auf den Wirtschaftsfaktor reduzieren lässt.

    Die Obleute der Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages sehen die "UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen" nicht nur für die unterzeichnenden Mitgliedsländer als bindend an, sondern ebenfalls für die Europäische Kommission. In einem Brief an die Kommissarin Viviane Reding haben daher die Obleute von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages bereits im Rahmen des Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission zu der Mitteilung "Kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt" Stellung genommen und klargestellt, dass das Ziel der Förderung der kulturellen Vielfalt auch für das Gemeinschaftsrecht gelten muss. Die am 27. Februar 2008 durchgeführte Anhörung des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments zur Frage der Bindungswirkung dieser UNESCO-Konvention lieferte durch die Aussagen der angehörten Experten sowie der Vertreter der Europäischen Kommission und des Rates ebenfalls das Ergebnis, dass die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen auch innerhalb der EU eine interne Bindungswirkung erzeugt. Dadurch, dass die Europäische Gemeinschaft erstmals neben ihren Mitgliedstaaten diese in Kraft getretene Konvention eigenständig ratifiziert hat, gelten die Konventionsbestimmungen sowohl im Außenverhältnis der EU zu Drittstaaten als auch im Binnenverhältnis und somit für jeden europäischen Rechtsakt. Dass es sich bei Medien, insbesondere dem Rundfunk, um ein kulturell bedeutendes Gut handelt, wird durch dieses neue internationale Rechtsinstrument - die auch mit den Stimmen der Mitgliedsländer ratifizierte UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt - gestärkt, das den Rundfunk ausdrücklich einschließt.

    Aus den genannten Gründen fordern die Obleute der Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages die Europäische Kommission nachdrücklich auf, das Konsultationsverfahren erneut zu öffnen, um die hier aufgeführten Einwände zu berücksichtigen. Dabei fordern wir die Europäische Kommission auf, anstelle eines nahezu allein auf die ökonomischen Aspekte reduzierten Konsultationsverfahrens die kulturelle Bedeutung des Rundfunks im Geist der Resolution des Kulturministerrats und der UNESCO Konvention, auch in Fortsetzung der Mitteilung von 2001, ausdrücklich anzuerkennen und zur Grundlage ihrer Rechtsauffassung zu machen. Die Obleute halten es für dringend geboten, dass im Zuge der technischen, kulturellen und sozialen Veränderungen eine neue Balance gefunden wird, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Kulturgut achtet.