Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    11.07.2008

    Patientenverfügungen sollen Rechtssicherheit bieten

    Joachim Stünker und Monika Griefahn stellen Gruppenantrag in Buchholz vor


    Bereits rund 10 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Patientenverfügung. Aber wird diese Patientenverfügung auch beachtet, wenn ein Fall von schwerer Krankheit vorliegt und der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann?

    Bisher besteht eine große Rechtsunsicherheit, ob auch befolgt wird, was in der Patientenverfügung steht. Das könnte sich ändern, wenn die Patientenverfügung im Betreuungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt wird. Es ist aber noch nicht vollständig klar, ob sich im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für eine gesetzliche Regelung findet. Widerstand gibt es vor allem aus den Reihen der CDU/CSU.

    Auf Einladung der örtlichen Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn war jetzt der Rechtspolitische Sprecher der SPD, Joachim Stünker MdB, in der Buchholzer AWO-Begegnungsstätte zu Gast und sprach vor knapp 80 Zuhörern zum Thema „Patientenverfügung und Betreuungsrecht“. Die Veranstaltung fand in der Reihe „SPD-Bundestagsfraktion vor Ort“ statt.

    In der letzten Juni-Woche hat das Parlament in erster Lesung über den Gesetzesentwurf zur Änderung des Betreuungsrechts beraten. Joachim Stünker MdB ist der Initiator des 1. Gruppenantrags zur Patientenverfügung. Es geht ihm wie auch Monika Griefahn darum, das Selbstbestimmungsrecht der Patienten ernst zu nehmen und die Patientenautonomie zu stärken. Dieser Gruppenantrag wird von mittlerweile rund 220 Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen, auch von Monika Griefahn, unterstützt.

    Obwohl Patientenverfügungen grundsätzlich rechtlich anerkannt sind, befinden sich Fragen der Verbindlichkeit und der formalen Voraussetzungen noch in einer Grauzone. So kommt es vor, dass Ärzte Patientenverfügungen nicht anerkennen. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf soll den Patientenwillen verbindlich machen und auch den Ärzten Rechtssicherheit geben.

    In der an den Vortrag anschließenden lebhaften Diskussion erläuterte Joachim Stünker, dass Patientenverfügungen nicht endgültig und jederzeit widerruflich sind. Sie sollten regelmäßig, am besten alle 2 Jahre, aktualisiert werden. Eine Patientenverfügung ist dem Gruppenentwurf zufolge nur dann unmittelbar wirksam, wenn sie Bestimmungen für konkrete Lebens- und Behandlungssituationen enthält. Sind die Bestimmungen hinreichend konkret und stimmen Betreuer und Arzt darin überein, dass die in der Patientenverfügung beschriebene der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht, so ist die Erklärung bindend und vom Betreuer durchzusetzen. Joachim Stünker wies aber auch darauf hin, dass einige gebräuchliche Patientenverfügungen zu einer mangelnden Rechtsverbindlichkeit führen, weil sie viele Fragen offen lassen.

    Joachim Stünker grenzte sich scharf von den Formen aktiver Sterbehilfe ab: „Die Patientenverfügung hat mit aktiver Sterbehilfe nichts zu tun. Die Tötung auf Verlangen ist und bleibt strafbar nach § 216 Strafgesetzbuch. Es geht vielmehr darum, dass jemand mit einer Patientenverfügung zum Ausdruck bringen kann, dass bestimmte medizinische Maßnahmen von ihm nicht gewollt sind.“ Eine seriöse Patientenverfügung habe mit dem, was der frühere Hamburger Justizsenator Kusch und der Verein Dignitas betreiben, nichts zu tun.

    Vertiefende Informationen zum Gruppenantrag zur Patientenverfügung / Bundestag beriet Gruppenentwurf zur Patientenverfügung

    In 1. Lesung hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag, den 26. Juni 2008, den fraktionsübergreifenden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (Drs. 16/8442) beraten.

    Viele Menschen haben die Befürchtung, am Ende ihres Lebens hilflos einer Intensivmedizin ausgeliefert zu sein, die die physische Lebenserhaltung in den Vordergrund stellt. Zunehmend mehr Menschen möchten selbst bestimmen, welche ärztlichen Maßnahmen in dieser oder einer ähnlichen Situation vorgenommen werden. Das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper gehört zum Kernbereich der durch die Verfassung geschützten Würde und Freiheit des Menschen. Deshalb muss jeder entscheidungsfähige Patient vor einer ärztlichen Maßnahme seine Einwilligung erteilen.

    Selbstbestimmung geht vor

    Ausdruck des Rechts auf Selbstbestimmung ist es auch, Entscheidungen für eine Zeit zu treffen, in der man - etwa aufgrund eines Unfalls oder schwerer Krankheit - nicht mehr entscheidungsfähig ist. Dieses Recht wäre entwertet, wenn es Festlegungen für zukünftige Konfliktlagen nicht oder weniger verbindlich behandeln würde. Das Selbstbestimmungsrecht endet nicht mit Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit. Der vorliegende Gesetzentwurf differenziert für die Beachtlichkeit des in einer Patientenverfügung geäußerten Willens nicht nach Art und Stadium der Erkrankung. Wer das Selbstbestimmungsrecht ernst nimmt, muss dem Patienten für jede Krankheitsphase die Entscheidung über Einleitung und Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme überlassen.

    Vorgesehen im Gruppenentwurf sind deshalb,

    • dass konkrete und situationsbezogene Behandlungsfestlegungen in einer Patientenverfügung als bindend anerkannt werden,
    • dass der Patientenwille in allen Stadien einer Erkrankung beachtet wird und
    • dass das Vormundschaftsgericht nur bei Zweifeln über den Patientenwillen oder Missbrauchsverdacht eingeschaltet werden muss.

    Keine Reichweitenbegrenzung

    Eine Begrenzung der Reichweite einer Patientenverfügung sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Vorschläge, nach denen der Patientenwille erst dann für den Arzt bindend sein soll, wenn sich der Patient bereits in unmittelbarer Todesnähe befindet oder das Bewusstsein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr wiedererlangt, fallen hinter die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück. Die Befürworter der Reichweitenbegrenzung sprechen dem Patienten für den unter Umständen sehr langen Zeitraum davor das Recht zur Selbstbestimmung ab. Der Patientenwille wird somit gerade in den Lebensphasen übergangen, für die viele Menschen Vorsorge treffen wollen. Solche „Lösungen“ machen Patientenverfügungen überflüssig.

    Patientenverfügungen sind nicht endgültig

    Eine Patientenverfügung ist dem Gruppenentwurf zufolge nur dann unmittelbar wirksam, wenn sie Bestimmungen für konkrete Lebens- und Behandlungssituationen enthält. Sind die Bestimmungen hinreichend konkret und stimmen Betreuer und Arzt darin überein, dass die in der Patientenverfügung beschriebene der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht, so ist die Erklärung bindend und vom Betreuer durchzusetzen. Die Wirksamkeit der Patientenverfügung endet, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient an ihr nicht mehr festhalten will; wenn die Patientenverfügung also dem aktuell geäußerten Willen des Patienten widerspricht. Äußert der Patient Lebenswillen, so ist eine auf Nichteinleitung oder Behandlungsabbruch gerichtete Verfügung nicht wirksam.

    Im Extremfall entscheidet der mutmaßliche Wille

    Fehlt es an einer der o.g. Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung, so sind die Festlegungen des Patienten als Indiz zur Ermittlung seines mutmaßlichen Willens heranzuziehen. Bei dieser Ermittlung sind zahlreiche Umstände, insbesondere frühere mündliche und schriftliche Äußerungen, seine ethischen und religiösen Überzeugungen sowie persönliche Wertvorstellungen und das Maß der zu erleidenden Schmerzen zu berücksichtigen. Auch hier ist ein übereinstimmendes Urteil von Arzt und Betreuer erforderlich. Vor der jeweiligen Entscheidungsfindung sollen Arzt und Betreuer - soweit vorhanden - nahe Angehörige und Vertrauenspersonen anhören. Dadurch ist gesichert, dass bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens alle relevanten Umstände berücksichtigt werden. Stimmen Arzt und Betreuer in der Bewertung der Patientenverfügung oder bei der Bestimmung des mutmaßlichen Willens des Patienten nicht überein, ist das Vormundschaftsgericht einzuschalten. Auch Angehörige und Vertrauenspersonen des Patienten können bei anders lautender eigener Einschätzung das Vormundschaftsgericht anrufen.