Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    28.08.2008

    Neue Wege für die Kulturpolitik

    Experte der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" zu Gast in Buchholz


    Zu einer interessanten Diskussion über die Kulturpolitik in Deutschland hatte der Kunstverein Buchholz e.V. eingeladen. Der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schneider (Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim) und die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn diskutierten mit Gästen insbesondere über Kultur im ländlichen Raum, die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und den Stellenwert kultureller Bildung. Im Fokus standen die Ergebnisse des im Dezember 2007 verabschiedeten Schlussberichts der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“.

    Kulturexperte Schneider hatte sich viel Zeit genommen und war schon am Nachmittag angereist. So konnte er mit Monika Griefahn und Christoph Selke, dem Vorsitzenden des Kunstvereins Buchholz, das Freilichtmuseum am Kiekeberg besuchen. Im Gespräch mit Museumsdirektor Prof. Dr. Rolf Wiese erfuhr er etliche Details über das Museum. Wiese und die Vorsitzende des Stiftungsrates, Heike Meyer, informierten über die Arbeit der gemeinnützigen Stiftung, die die Finanzierung des Museums sichern soll. Hauptgeldgeber ist der Landkreis Harburg. Doch auch der Förderverein mit 4.800 Mitgliedern und die guten Besucherzahlen – im Jahr 2007 waren es 265.000 - sind wichtige Bestandteile, um das Museum auf eine finanzielle Grundlage zu stellen.

    Am Abend, als es um den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ging, begrüßte Christoph Selke, Erster Vorsitzender des Kunstvereins Buchholz und Gastgeber des Abends, Gäste und Referenten. Er freute sich, dass Buchholz in der Nordheide mittlerweile über ein breit gefächertes kulturelles Leben verfügt. Rund 20 Musikvereine und etwa 30 andere kulturelle Vereinigungen seien in Buchholz aktiv, erläuterte Selke in seiner Begrüßung.

    Anschließend stellte die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn die Position der SPD-Bundestagsfraktion zu einigen ausgewählten kulturpolitischen Fragestellungen vor. Sie wies besonders auf den Aspekt der kulturellen Bildung hin und unterstrich auch das Thema Kultur im ländlichen Raum, das für die Region von besonderer Bedeutung sei. „Die Enquete-Kommission hat zahlreiche Vorschläge gemacht, die die Situation wirklich verbessern können“, sagte Griefahn. Dazu gehören bessere Erreichbarkeit und Mobilität bei Kulturangeboten, die stärkere Einbeziehung von Schulen und kulturell tätigen Vereinen aus der Region bei Veranstaltungen oder mehr regionale Kunstpreise und Wettbewerbe.

    Prof. Dr. Wolfgang Schneider, der als sachverständiges Mitglied vier Jahre lang der Enquete-Kommission angehört und am Schlussbericht maßgeblich mitgewirkt hat, stellte zentrale Elemente des Schlussberichts dar.

    Der Bericht enthalte neben einer umfangreichen Bestandsaufnahme zur Kultur in Deutschland rund 500 Handlungsempfehlungen, die den Kulturstaat bzw. die Kulturnation Deutschland voranbringen könnten.

    Prof. Schneider ging von drei Grundüberlegungen aus: Leitbild müsse der „aktivierende Kulturstaat“ sein. Der Staat müsse erstens Strukturen für Kultur ermöglichen, die über eine schlichte Grundversorgung oder die Daseinsvorsorge hinausgehen. Notwendig dafür sei zweitens eine gut ausgebaute kulturelle Infrastruktur. Schließlich sei drittens Kulturpolitik auch Gesellschaftspolitik. Kultur diene auch der Selbstverständigung der Gesellschaft über Utopien und Visionen für die Gesellschaft.

    Er nannte drei Bereiche der Kulturpolitik, die man besonders ins Visier nehmen solle: Die kommunale Kulturpolitik sei die dezentrale Basis im Kulturföderalismus. Da Kultur immer noch als freiwillige Leistung der Kommunen behandelt werde, sei sie stärker als andere Bereiche in Gefahr, von Haushaltskürzungen betroffen zu werden. Der zweite Bereich sei das bürgerschaftliche Engagement, so z.B. durch Mäzenaten und durch Ehrenamtliche. Nicht zu vergessen sei auch das freiwillige soziale Jahr Kultur; derzeit existieren rund 900 Plätze pro Jahr in Deutschland. Der dritte Bereich sei die kulturelle Bildung. Es fehle an der Umsetzung der Kulturpolitik bei der kulturellen Alltagsbildung, in- und außerhalb der Schulen. Die Kontakte zwischen Schulen und Kulturinstitutionen müssten enger werden. Dazu gehören beispielsweise die Einführung von Schulklassen in die Nutzung von Büchereien. Wenn in Deutschland rund 2,2 Milliarden Euro für die Theaterförderung ausgegeben werden, müssten auch die Schulen engeren Kontakt zu den Theatern haben.

    Perspektivisch brauche man eine Reform der Kulturlandschaft. Die Kulturförderung dürfe nicht nur produktionsorientiert, sondern müsse auch publikumsorientiert erfolgen. Die Kulturlandschaft in Deutschland müsse offener für andere Bereiche werden, so z.B. auch für internationale Einflüsse.

    Prof. Schneider nannte auch Vorbilder aus dem Ausland: In finnischen Schulgebäuden stehen Büchereien und ein Theaterraum im Mittelpunkt, in der deutschen Schule häufig nur eine Aula und ggf. eine Mensa. In Holland werde ein Schulfach „Kulturelle Bildung“ eingeführt, was zur Folge habe, dass Schulen in verstärktem Maße auf kulturelle Institutionen zugehen würden. In Norwegen erhalten Schüler 10 Kulturgutscheine pro Schuljahr, was das Interesse an Kultur wecke und zu kulturellem Engagement einlade. Ziel müsse ein ganzheitliches Lernen sein. Dazu brauche es u.a. eine Reform der Lehrerausbildung, mehr Aus-, Fort- und Weiterbildung im kulturellen Bereich sowie eine Kulturentwicklungsplanung auf der kommunalen Ebene der Städte und Gemeinden.

    Prof. Schneider schloss seine Darstellung mit einem Zitat, das auch Aufnahme in den Schlussbericht der Enquete-Kommission gefunden hat: „Wenn das Motiv, das Leben zu gestalten, unter anderem von der Kürze des Lebens herrührt, dann kommt der Anstoß dazu, es schön und gut zu gestalten, von der Sehnsucht nach der Möglichkeit, es voll bejahen zu können.“

    Monika Griefahn erläuterte, dass die Umsetzung der vielen gute Ideen des Schlussberichts der Enquete-Kommission nur funktionieren könne, wenn alle an einem Strang ziehen.

    In der Diskussion erläuterte Prof. Schneider, dass der Schlussbericht auch zahlreiche Handlungsempfehlungen zur kulturellen Bildung enthalte. Dies betreffe z.B. Schulen, Jugendarbeit, Musikschulen, Büchereien, Kulturveranstalter und Vereine. Beklagt wurde, dass viele Schulen noch nicht ausreichend Kontakt zu kulturellen Institutionen suchen würden.

    ZUR VERTIEFUNG:
    Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, Drucksache Nr. 16/7000, http://www.bundestag.dewww.bundestag.de, Rubrik „Dokumente“