Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    12.02.2009

    Anhörung zu Sperrverfügung bei Seiten mit Kinderpornografie

    SPD fordert Sperrverfügungen nur auf gesetzlicher Grundlage und als Ultima ratio


    Anlässlich der Anhörung des Unterausschusses Neue Medien zu den Möglichkeiten und Grenzen von Sperrverfügungen gegen Internet-Access-Provider erklären die Sprecherin der Arbeitsgruppe für Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Jörg Tauss und der zuständige Berichterstatter im Unterausschuss Neue Medien Jürgen Kucharczyk:

    Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt in jeder Hinsicht die Bemühungen für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen und zur Bekämpfung von Kinderpornographie. Hierbei gilt es, dass der Kampf gegen Kinderpornografie auf sämtlichen Ebenen entschieden geführt werden muss. Das oberste Ziel jeglicher Aktivitäten muss neben der Ermittlung der Täter die Stärkung des Opferschutzes, die Verhinderung weiterer Missbräuche und damit auch die Austrocknung des kommerziellen Marktes für entsprechende Inhalte sein, sei es offline oder online. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die in den vergangenen Jahren erzielten Ermittlungserfolge der Landeskriminalämter sowie des Bundeskriminalamtes. Die SPD-Bundestagsfraktion schließt sich der Forderung, die Ermittlungsbehörden in personeller, technischer und auch in fachlicher Hinsicht besser auszustatten, ausdrücklich an. Dies allein wäre schon mehr wert als politische Schnellschüsse und symbolische Politik.

    Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus, ob und inwieweit Zugangserschwernisse oder Sperrverpflichtungen als flankierendes Mittel bei der Bekämpfung von kinderpornographischen Inhalten im Internet ein geeignetes Mittel bei der Bekämpfung von Kinderpornographie darstellen können. Aus diesem Grund führt der Unterausschuss Neue Medien heute ein Expertengespräch zu den rechtlichen und technischen Möglichkeiten und Grenzen der Sperrung von schwerstkriminellen Inhalten durch und hat hierzu namhafte Experten der Rechtswissenschaft und Informatik sowie des Bundeskriminalamtes, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sowie der bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angesiedelten Stelle jugendschutz.net eingeladen.

    Bei der Bewertung derartiger Sperrverpflichtungen oder einer, wie von der Bundesfamilienministerin angestrebten, freiwilligen Vereinbarung der Access-Service-Provider gilt es, die offenen (verfassungs-) rechtlichen und technischen Fragen zu klären und angesichts der Eingriffstiefe eines solchen Instrumentes eine sorgsame Abwägung zu treffen. Was die Bewertung der (verfassungs-) rechtlichen Fragestellungen und die technischen Möglichkeiten anbelangt, so sind die Ergebnisse der drei vorliegenden Gutachten im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), im Auftrag des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft sowie des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu berücksichtigen. Strittig ist bei den Gutachten lediglich die Frage, ob bereits die Sperrung auf DNS-Ebene (Domain-Name-Server) bereits als ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis gewertet werden muss. Alle Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass Sperrverfügungen lediglich als Ultima-ratio-Instrument und nur dann in Frage kommen, wenn andere Möglichkeiten versagen. Gemeinsam kommen sie zu dem Schluss, dass die zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten unterschiedlich zielgenau und relativ einfach umgehbar sind, eine erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugen und die Täter nicht wirksam am Zugang zu kinderpornographischem Material hindern. Alle Gutachten kommen daher zu dem Ergebnis, dass derartige Sperrungen die im Grundgesetz garantierte Kommunikationsfreiheit auf schwerwiegende Art und Weise gefährden können, ohne das erwünschte Ziel wirksam zu erreichen.

    Schon allein angesichts dieser erheblichen Rechtsunsicherheit bezüglich der Eingriffstiefe ist eine freiwillige Vereinbarung kaum vorstellbar. Aus diesem Grund ist an ein solches Verfahren, wie es die Bundesfamilienministerin plant, eine Reihe gesetzlicher Anforderungen zu stellen.

    Um es nochmals in aller Deutlichkeit zu sagen: Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt alle Bemühungen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie. Wir fordern zusätzlich mehr spezialisierte Ermittler und eine bessere technische und fachliche Ausstattung der Ermittlungsbehörden sowie die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Gleichzeitig aber verbietet es sich aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion, ein derart sensibles Thema mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl zu instrumentalisieren und auf populistische Schnellschüsse und symbolpolitische Konzepte zu setzen. Schon angesichts der zwingend gebotenen Abwägungsprozesse reichen freiwillige Vereinbarungen allein nicht aus. Sie sind entweder nicht nachhaltig oder rechtswidrig. Die völlig unbestrittene Schwere des Sachverhaltes – die Verbreitung von Kinderpornografie – darf nicht dazu verleiten, die notwendige Abwägung des Gesetzgebers und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise für entbehrlich zu halten. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass hier ein weitreichendes Instrument staatlichen Eingriffs in das Internet geschaffen werden soll, das auch missbraucht werden könnte. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Frage zu beantworten, ob und inwieweit er – und zwar auf klarer gesetzlicher Grundlage und in einem gesicherten rechtsstaatlichen Verfahren – die Internet-Provider verpflichten will, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten, welche auf ausländischen Servern bereitgehalten werden und die anders nicht verfolgt werden können, zu sperren. Dies erfordert aus unserer Sicht eine spezialgesetzliche Regelung, auch um den Ausnahmecharakter eines solchen Ultima-ratio-Instrumentes für schwerstkriminelle und international geächtete Inhalte wie Kinderpornographie darzulegen.

    Notwendig ist darüber hinaus die Erarbeitung einer längst überfälligen Gesamtstrategie der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die zögerliche Umsetzung des Aktionsplans der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung zeigt, dass die Bundesregierung ihr Engagement verstärken muss, gerade auch beim Opferschutz und bei der Täterverfolgung. Daher ist die Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet durch Sperrverfügen nur ein Schritt, der für sich allein zu kurz gesprungen ist. Vielmehr muss die Bundesregierung endlich einen Aktionsplan II zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung auflegen. Darüber hinaus ist eine umfassende gesellschaftliche und ethische Debatte über problematische Inhalte im Internet geboten.