Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    30.01.2007

    Plenumsrede zu TOP 6 Gesetzentwurf:

    "UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt" und Gesetzentwurf "UNESCO-Übereinkommen 1970"


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    wir entscheiden heute über die Ergebnisse zweier Prozesse, die unterschiedlicher nicht sein können. Auf der einen Seite haben wir mit dem UNESCO - Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut in der Bundesrepublik vor allem unter uns selbst mit verschiedenen Interessen mehr als 36 Jahren ringen müssen, um zu einer Umsetzung zu gelangen.

    Auf der anderen Seite steht die UNESCO-Konvention zum Schutz der Kulturellen Vielfalt, deren Entstehung wir in Deutschland entscheidend mitbefördert haben und deren Umsetzung wir folgerichtig auch zügig erreichen konnten. Beide Verfahren haben Eines gemeinsam. Wir haben sie zu einem Ergebnis gebracht, welches sich wirklich sehen lassen kann.

    Die Ratifizierung der beiden Übereinkommen durch die Bundesrepublik fällt in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Wir zeigen damit nicht nur welchen großen Stellenwert die Kultur im Zusammenhang mit Europa besitzt, sondern unterstreichen auch unsere eigene kulturpolitische Verantwortung, die wir innerhalb der Europäischen Union bereit sind, zu übernehmen.

    Zu den inhaltlichen Punkten des UNESCO - Kulturgüterschutz hat mein Kollege Steffen Reiche bereits wichtiges gesagt, was ich unbedingt unterstreichen möchte. Ich selbst will besonders auf die UNESCO-Konvention zum Schutz der Kulturellen Vielfalt eingehen.

    Was sind Sinn und Zweck dieser Konvention?

    Die Unterzeichnerstatten sollen damit in die Lage versetzt werden, sich jeder einzeln und gemeinsam wirkungsvoller für eine möglichst bunte Vielfalt von kulturellen Ausdrucksformen zu engagieren. Das bezieht sich auf vieles: Literatur, Musik, Schauspiel, Malerei, Architektur, Kunsthandwerk, Film, Video, Rundfunk, neue Medien, aber auch Sprache und kulturelle Überlieferungen gehören dazu. Zusammen mit vielen anderen Aspekten gehört das zu unserem kulturellen Erbe, das wir schützen und fördern wollen. Es geht dabei nicht darum, die verschiedenen Kulturelemente zu einem großen Ganzen zu verschmelzen, sondern wir wollen die ganze Vielfalt nebeneinander schützen. Das ist nicht das amerikanische Prinzip des Melting Pot, sondern das Prinzip der Salad Bowl. Oder auf Deutsch: nicht Schmelztiegel, sondern Salat Schüssel.

    Die vorliegende UNESCO-Konvention will den Mitgliedstaaten die dafür notwendigen Werkzeuge an die Hand geben und genau das macht ihre große Bedeutung aus.

    Was konkret kann uns die Konvention bringen?

    Zunächst einmal geht es darum, dass die vielen Mitgliedstaaten dem Anliegen einen höheren Bedeutungsrang zumessen. Allein durch die Diskussionen und Abwägungsprozesse werden sich die Beteiligten der Probleme bewusst und haben die kulturellen Notwendigkeiten dadurch weitaus besser im Auge.

    Weiteres Wirkungspotential entfaltet die Konvention für internationale Wirtschaftsabkommen. Hierbei war in der Vergangenheit immer wieder problematisch, dass Kulturgüter wie normale Wirtschaftsgüter behandelt wurden. Doch das steht ihrem kulturellen Charakter gefährlich entgegen. Kultur muss eine Sonderrolle haben, ansonsten unterliegt sie schnell Liberalisierungsbestrebungen und nur das wirtschaftlich stärkste und der Mainstream setzen sich durch.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    dass solche Kriterien für die Kultur völlig fehl am Platze sind, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

    Wir Sozialdemokraten haben immer dafür gekämpft, dass Kultur Lebensmittel ist. Und zwar ein möglichst vielfältiges Lebensmittel. Fragen Sie sich selbst! Beim Essen will ja auch keiner jeden Tag ausschließlich Kartoffeln mit Rührei auf dem Menü haben.

    Die Konvention formuliert deswegen das Ziel, dass die Staaten weiterhin eine eigenständige Kulturpolitik verfolgen können, mit allen zur Steuerung notwendigen Instrumenten. Das muss gerade auch in Zeiten globalisierter Kultur gewährleistet sein, damit wir nicht irgendwann vor einem begrenzten kulturellen Einheitsbrei stehen.

    Ganz konkret heißt das: auch in Zukunft soll zum Beispiel die Unterstützung von Theatern oder dem deutschen Film gesichert sein, wir wollen die Verbreitung der deutschen Sprache weiterhin fördern können und auch den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufrechterhalten.

    Gerade die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird von Liberalisierungsbefürwortern immer wieder in Frage gestellt. In den Verhandlungen zur EU-Dienstleistungsrichtlinie verlangten diese, dass Deutschland den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein dem Markt überlassen müsse. Aus dieser wirtschaftlichen Sicht wurde dabei völlig verkannt, dass der Rundfunk bei uns nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur zu einem wesentlichen Bestandteil unserer demokratischen Ordnung wurde, sondern außerdem einen zentralen kulturellen Auftrag erfüllt. Darum ist er in seiner Existenz gefährdet, wenn man ihn als reines Wirtschaftsgut betrachtete und genau deswegen dürfen wir das nicht zulassen!

    Die Konvention an sich hat in so einem Fall zwar keine bindende Wirkung, ist aber beispielsweise für die Dienstleistungsrichtlinie trotzdem von wichtiger Bedeutung. Da die Staaten, die über die Dienstleistungsrichtlinie verhandelt haben, auch die UNESCO-Konvention unterstützen, wäre es widersprüchlich, wenn auf der einen Seite der Schutz von Kultur erklärt und auf der anderen Seite Kultur gefährdet würde. So ist es inzwischen sogar gelungen, einen Verweis auf die Konvention in der Dienstleistungsrichtlinie zu verankern. Dieser enthält, dass die Anliegen der Konvention zu berücksichtigen sind.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    dieses Beispiel zeigt uns, wie nützlich diese Konvention sein kann und zeigt uns gleichzeitig Chancen in anderen Zusammenhängen wie WTO beziehungsweise GATS auf. Zur Erinnerung: GATS ist das Abkommen, dass den Handel mit immateriellen Wirtschaftsgütern international regeln soll und da fällt etwas wie Bildung oder Medien eben auch drunter.

    Eines ist mir noch wichtig. Es geht nicht darum, die eigene Kultur gegen andere Kulturen zu schützen. Es geht nicht um ein Abriegeln oder Abschließen. Stattdessen geht es darum, die weltweite Vielfalt kultureller Ausdruckformen zu erhalten. Kulturen sollen sich frei entfalten und miteinander agieren können und in einen Dialog treten. Das halte ich für eine wunderbare Perspektive.

    In dieser Offenheit akzeptieren wir aber keineswegs eine Nichteinhaltung von Grundrechten wie Pressefreiheit oder Gleichberechtigung von Frauen. Diese können nicht unter dem Deckmantel der Konvention einfach zu einem Element von Kultur gemacht werden - das müssen wir weiterhin ganz klar machen!

    Deutschland hat in dem Prozess der Erarbeitung dieser Konvention eine besonders wichtige Rolle gespielt und war gemeinsam mit Frankreich, aber auch Kanada und Brasilien eine treibende Kraft bei der Erarbeitung. Dafür haben wir in Deutschland ein besonders effektives und sinnvolles Verfahren gewählt. In der Bundesweiten Koalition für Kulturelle Vielfalt haben wir uns schon im Vorfeld zusammen mit den unterschiedlichsten Beteiligten vom Deutschen Kulturrat über die Bibliotheken bis hin zu Universitäten oder den Kommunen und Ländern zusammengesetzt.

    An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich der Deutschen UNESCO-Kommission danken, die den Prozess angestoßen und begleitet hat. Mit der Diskussion haben wir den Prozess, der in vielen anderen Ländern erst jetzt mit der Ratifizierung beginnt, entscheidend mit vorbereitet.

    Das hat uns nicht nur geholfen, der Konvention auch einen erkennbaren deutschen Stempel zu geben, sondern dadurch konnte auch die Umsetzung so reibungslos vonstatten gehen.

    Für deutsche "kulturpolitische Verhältnisse" - womit vor allem die Verteilung der kulturpolitischen Zuständigkeiten zwischen Bund und den Ländern gemeint ist - ging das Ratifizierungsverfahren beeindruckend schnell. Ich finde, daran könnten wir uns zusammen auch in Zukunft ruhig öfter mal erinnern - wenn's mal wieder länger dauert.

    Gerade weil das Verfahren so schnell und gut abgestimmt abläuft, kann ich den heute von der Fraktion B90/Grüne vorgestellten Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung zur schnellen Umsetzung aufgefordert werden soll nicht recht folgen. Jetzt, wo am 16. Februar nur noch der Bundesrat zustimmen muss, halte ich den Antrag für überflüssig.

    Für die anstehende Umsetzung der Konvention haben wir bereits begonnen, Bündnisse zu suchen. Im letzten Jahr haben die Präsidien des Deutschen Bundestags und der französischen Assemblée National eine gemeinsame Arbeitsgruppe wieder eingesetzt. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus dem deutschen und dem französischen Parlament haben wir uns regelmäßig in Paris, in Berlin und in Brüssel mit der Frage beschäftigt, wie die Rahmenbedingungen für die Vielfalt der Kulturen speziell mit Blick auf Europa zu verbessern sind.

    Wir sind zu sehr guten Zwischenergebnissen gekommen und werden unseren Zwischenbericht am 14. Februar den Präsidien vorstellen. Je besser wir uns mit möglichst starken Partnern vernetzen und abstimmen, desto besser können wir auf Gefährdungen der kulturellen Vielfalt reagieren.

    Aus diesen Gründen und wegen der guten Erfahrungen aus der Arbeit der deutsch-französischen Arbeitsgruppe werden sich die beteiligten Mitglieder in dem Abschlussbericht dafür aussprechen, auch andere Länder in diesen Prozess einzubeziehen. Für Italien hat der Dialog bereits begonnen.

    Ich glaube, das ist sehr wichtig, denn damit schützen wir nicht nur Deutschlands kulturelle Vielfalt, sondern erarbeiten auch eine europäische Perspektive, mit der wir uns weltweit noch besser einbringen können. Das sollte uns wichtig sein!

    Vielen Dank!