Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    24.01.2008

    Was in Hamburgs Umweltpolitik anders werden muss

    Monika Griefahn im Kompetenzteam von SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Tja, es ist schon ein wenig emotionales Recycling, hier vor Ihnen zu sitzen.

    Einiges ist ja schon passiert, seit wir hier in Hamburg die Chemiefabrik Boehringer besetzt oder Fische vor dem DHI ausgekippt haben - gemeinsam mit den Elbfischern. Das war in den 80er Jahren, als ich Greenpeace Deutschland mit aufgebaut habe. Die Lindanproduktion mit ihrem giftigen Abfallprodukt Dioxin gibt es nicht mehr, die Elbe ist wieder sauberer geworden. Alles in Butter, denkt man! Und wenn man Ole von Beust zuhört, fragt man sich wieso hat er eigentlich keinen Friedensnobelpreis wie Al Gore bekommen?

    Die Antwort: Al Gore war acht Jahre, Ole von Beust sieben Jahre an der Regierung. Beide reden übers Klima. Aber heraus kommt nur heiße Luft, wenn man sich bei Gore das verwässerte Kyoto-Abkommen anschaut und bei Beust ein neues Kohlekraftwerk, das 8 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen wird statt der 1,5 Mio. Tonnen des alten Kraftwerks in Wedel.

    Und nicht nur das: Heute sieht man Umweltgefahren vielleicht nicht immer so deutlich wie vor 28 Jahren. Aber sind mehr als 50 Prozent Kinder im Alter von 7 Jahren, die unter Asthma und Allergien leiden, nicht ein deutliches Zeichen dafür, dass eben nicht alles in Ordnung ist?

    Das ist der Grund, warum ich mich hier in Hamburg wieder einmische! Darum möchte ich Michael Naumann als zukünftigen Bürgermeister unterstützen. Er hat diese Probleme immer ernst genommen, schon in seiner Zeit bei Rowohlt, als ich ihn kennen lernte, und nun in dieser Stadt, wo er den Menschen zuhört und die Probleme anpacken will. Ich will helfen, dass er die Möglichkeit bekommt, etwas für die Menschen in Hamburg jetzt und in Zukunft zu erreichen.

    Derzeit bin ich Bundestagsabgeordnete für den Großteil der Landkreise Harburg und Soltau-Fallingbostel, wie Sie vielleicht wissen. Was hier in Hamburg geschieht, hat Auswirkungen auf die Menschen, die in meinem Wahlkreis leben, viele pendeln nach Hamburg zur Arbeit, das ist die eine Seite. Aber wenn in Umweltdingen hier etwas falsch läuft, bekommen die Menschen vor den Toren der Stadt das auch zu spüren. Schlechte Luft macht an der Landesgrenze nicht halt, das ist die andere Seite. Auch darum mische ich mich ein.

    Und es gibt diverse Herausforderungen:

    Ich möchte, dass Kinder in Hamburg gesund aufwachsen können, dass nicht neue Altlasten entstehen - und ein unangemessenes Kraftwerk kann ganz schnell zum Sanierungsfall werden.

    Hamburg hat sich 1996 der Aalborg Charta angeschlossen. Danach verpflichtet sich die Stadt in einer eigenen lokalen Agenda 21 zu einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie.

    Nachhaltigkeit bedeutet das Zusammenspiel ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte - und zwar so, dass auch nachfolgende Generationen in Frieden leben können. Mir ist es wichtig, diese Balance zwischen allen Dreien so zu gestalten, dass es auch mit Blick auf die Zukunft eine echte Balance ist. Nachhaltigkeit bedeutet neben der Partizipation von allen gesellschaftlichen Gruppen - Kindern, Frauen, Menschen jeglicher kultureller Herkunft - besonders den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das gebietet auch Artikel 20a unserer Verfassung: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen…“ heißt es da. Ich bin überzeugt, dass Hamburg dazu mehr beitragen kann, als es das in den vergangenen Jahren getan hat.

    In Hamburg gibt es diverse Herausforderungen.

    Sicherlich hat der Senat im letzten Jahr ein umfangreiches Klimaschutzprogramm angekündigt und sogar etliche Millionen an Haushaltsmitteln eingestellt. Gleichzeitig hat er aber auch dem Bau des Monsterkohlekraftwerks in Moorburg zugestimmt, beziehungsweise ihn sogar initiiert. Für die abgängigen Megawatt an Leistung durch die Schließung des Kraftwerks in Wedel kommen mit dem Bau des Kraftwerks Moorburg 1600 Megawatt plus 650 Megawatt Fernwärme hinzu (nur 260 elektrisch, 401 thermisch). Das heißt, das Programm des Senates soll im besten Falle 1,5 Millionen Tonnen CO2 in Wedel sowie maximal 2,5 Millionen Tonnen durch die anderen Maßnahmen sparen, um durch Moorburg 8 Millionen Tonnen zusätzlich in die Luft zu pusten. Wer einfaches Addieren und Subtrahieren beherrscht, erkennt, dass unter dem Strich für den Klimaschutz nichts Gutes dabei herauskommt. Die zugesagte CO2-Abscheidung ist so weit entfernte Zukunftsmusik, dass man darauf sicherlich nicht bauen kann.

    Und was das Erstaunliche ist? Es gibt keine gemeinsame zumindest norddeutsche Energiebedarfsplanung. Umwelt- und Energiepolitik hört doch nicht an Ländergrenzen auf!

    Unter dem Stichwort Energiepolitik und Klimaschutz werden wir:

    1. mit Vattenfall neu verhandeln. Statt des Monsterkraftwerks werden wir ein Gas- und Dampfkraftwerk bauen, bei dem die ausgekoppelte Wärme auch wirklich sinnvoll zu verteilen ist und das damit eine Ersatzkapazität für Wedel darstellt.
    2. mit den norddeutschen Bundesländern baldmöglichst in eine gemeinsame Energiebestandsaufnahme und Energiebedarfsplanung gehen. Und dabei ist die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, wie Ole von Beust sie vorschlägt, keine Maßnahme. Krümmel und Brunsbüttel stehen seit Sommer 2007 still. Solange bei der CDU Laufzeit Stillstand ist, können wir uns anschließen. Besser wäre aber selbstredend, die beiden Reaktoren möglichst bald vom Netz zu nehmen und auf kleinere, dezentrale Kraft-Wärme-Anlagen zu setzen. Und das dort, wo die Wärme optimal nutzbar ist - nicht in einer Mammutanlage wie Moorburg, von wo aus die Wärme gar nicht effektiv zu verteilen ist.
    3. eigene Stadtwerke gründen, um auch als Nachfrager nach Energieleistungen besser auftreten zu können. Damit haben wir es in der Hand, auch die erneuerbaren Energien voranzubringen. Im Prinzip war der Verkauf der HEW ein Fehler. Wir plädieren deshalb auch für die Weiterentwicklung des „Virtuellen Kraftwerkes“, also eine Zusammenschaltung von kleinen, dezentralen Kraftwerken. Dies hat die RWE schon vor zehn Jahren als Idee formuliert, und es wurde auch von hiesigen Unternehmern (Marnette) propagiert.
    4. das Gebäudesanierungsprogramm des Bundes dazu nutzen, auch in den Großsiedlungen mit dem Masterplan Klimaschutz Energieeinsparungen und Effizienzmöglichkeiten umzusetzen. Mit Contracting wird es auch möglich sein, für niedrig Einkommensbezieher, zumindest langfristig von der zweiten Miete herunterzukommen. Wir werden auch die neu zu gründende Investitionsbank dafür nutzen können (siehe Ingo Egloff). Außerdem ganz grundsätzlich: Was sich heute vielleicht noch nicht rechnet, wird in wenigen Jahren bei den steigenden Rohstoffpreisen und den Preisen für die Energiezertifikate sehr wirtschaftlich sein.
    5. besonders Unternehmen unterstützen, die in Hamburg erneuerbare Energien produzieren und vertreiben (Conergy hätte mit Hilfe des Senats seine Probleme besser in den Griff bekommen können). So werden wir auch besonders die Auslandsvermarktung von kleinen und mittleren Unternehmen flankieren und den Kontakt zu unseren Partnerstädten St. Petersburg , Shanghai und Marseille auch in Fragen der ökologischen Zusammenarbeit verstärken.
    6. Klimaschutz auch in Verkehrsfragen betonen. Nachdem die Beust-Senate seit 2001 jegliche Unterhaltung von Fahrradwegen auf 200.000 Euro pro Jahr gekürzt haben, wollen wir endlich wieder ein guten Miteinander von ÖPNV, Fußgänger- und Fahrradmobilität voranbringen. Ich weiß , dass es in Hamburg wahrlich keine Freude ist, Fahrrad zu fahren. Das muss anders werden - im Sinne des Klimaschutz, der Atmosphäre und der Lärmbelastung.)

    Wenn wir über Verkehr sprechen, kommen wir zu einem weiteren Schwerpunkt, der für mich unter Umweltgesichtspunkten in dieser Stadt erhebliches Verbesserungspotenzial beinhaltet: Lärm und Flächenverbrauch.

    Wer in Hamburg auf Wohnungssuche ist, bei dem ist unter den ersten drei Fragen bei der Besichtigung eigentlich immer: „Ist es laut hier?“ Nicht ohne Grund, denn viele Bürger klagen über den zunehmenden Lärm auch in ihrer Wohnumgebung. Klar, wenn die landwirtschaftliche Fläche von 41 auf 25 Prozent seit 1971 zurückgegangen ist und der Beust-Senat etliche entlastende Langsam-Fahrzonen wieder aufgelöst hat.

    Wir werden darum:

    1. einen Lärmschutzplan erstellen, der mehr als bloß einfache technische Lösungen enthalten wird wie die Aufbringung von Flüsterasphalt. Ich werde auch mit meinem derzeitigen Bundestagskollegen Kurt Bodewig gemeinsam beim Bundes-Verkehrsministerium darauf dringen, die Planungen der Güterbahnstrecken mit Lärmschutz schnellstmöglichst zu verwirklichen. Vor allem wird der neue Naumann-Senat sich im Bundesrat für den schnellstmöglichen Ersatz der Taigatrommel, d.h. der alten Güterbahnwaggons, die sehr laut sind, stark machen.
    2. nicht immer neue Flächen für Logistik und andere Betriebe erschließen, sondern auf Flächenrecycling setzen - nicht nur bei der Bahn und anderen quasi öffentlichen Unternehmen, sondern auch in intensiven Verhandlungen mit Besitzern von privaten Gewerbebrachen. Wenn wir diese Flächen wieder neu nutzen, anstatt ständig weitere Wiesen zuzubetonieren, verringern wir den Flächenverbrauch maßgeblich.
    3. unsere Kleingärtner respektieren und nicht weiter vertreiben.
    4. neben der Nutzung von Gewerbeflächen als Dachflächen für Solaranlagen wollen wir auch ein großes Dachbegrünungsprogramm auflegen. Das mag sich ein bisschen ökoromantisch anhören, ist aber absolut durchdacht. Diese Art der Flächennutzung ist eine effektive Maßnahme sowohl für den Klimaschutz, weil es zur CO2-Bindung beiträgt, als auch für das Kleinklima und die Artenvielfalt. Es können sich wieder Tiere und Pflanzen im städtischen Bereich ansiedeln, die durch Flächenfraß ihre Heimat verloren haben.

    Im Prinzip gehört auch der Hamburger Hafen zur Frage der Flächennutzung. Ole von Beust betreibt hier die Politik eines kurzsichtigen „breiter - schneller - weiter“ und schert sich nicht um ein sinnvolles, nachhaltiges norddeutsches Konzept. Eine weitere Elbvertiefung muss gut durchdacht sein - und das sage ich auch, weil mein jetziger Wahlkreis auf der andern Seite der Elbe liegt, und ich die Sorgen und Ängste der Bürger dort nahezu täglich mitbekomme. Schon jetzt erleben die Bürger dort die erheblichen Unterschiede im Tidenhub und beobachten sorgenvoll die Deiche. Es ist also wichtig, dass, bevor über eine neue Elbvertiefung geredet wird, Ausgleichs- und Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sind, und dass die Folgeschäden der letzten Elbvertiefung ausreichend dokumentiert, bewertet und ausgeglichen werden. Außerdem kann man bei der Logistik auch von Shanghai lernen. Dort werden nicht nur ebenerdige Lager geschaffen. Darauf werde ich dringen.

    Ich sehe den wirtschaftlichen Aspekt des Hafens und dass er für Hamburg sehr wichtig ist. Er ist auch für die Menschen in meinem jetzigen Wahlkreis wichtig - sehr viele fahren nach Hamburg zur Arbeit. Und Hinterlandanbindungen für den Weitertransport von Gütern betreffen natürlich auch die Menschen hinter dem Deich. Ich habe das durchaus im Blick - als Buchholzerin und in meinem Wunsch, Michael Naumann zu unterstützen.

    Ich möchte noch weitere Bereiche des Umweltschutzes ansprechen, schließlich erschöpft sich der Sektor nicht in CO2, Moorburg und der Flächenfrage.

    Feinstaub ist für die Gesundheit der Menschen ein wichtiges Thema - und Umwelt und Gesundheit hängen schließlich sehr eng zusammen. Viel wird in diesen Tagen über Feinstaub in den Innenstädten diskutiert. Neue Plaketten in Berlin und Hannover erhitzen die Gemüter. Dabei werden wichtige Faktoren, die die Gesundheit der Menschen vermutlich mehr angehen, nur am Rande diskutiert. So das Problem, dass achtmal mehr Belastung an Feinstaub für die menschliche Lunge durch Toner in Laserdruckern aufgenommen wird.

    Mehr als 50 Prozent der Kinder haben heute Allergien oder Asthma. Das kommt nicht nur vom Feinstaub durch Verkehr. Es liegt auch an den Belastungen in Innenräumen, zum Beispiel eben durch Drucker und ähnlichem - was aber ja mehr die Erwachsenenwelt betrifft. Genauso aber liegt es auch an besserer Wärmedämmung und anderen Modernisierungsmaßnahmen in Wohnhäusern. Leider wird nämlich häufig der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben. So werden bei der energetischen Verbesserung oft Materialien eingesetzt, die für den Gebrauch im Innenraum überhaupt nicht geeignet sind. Für mich ist es also wichtig, dass im Umweltschutz die Dinge langfristig und zu Ende gedacht werden.

    Deswegen werden wir

    1. ein Innenraumprogramm im Zusammenhang mit den Gebäudesanierungen entwickeln, das nur die Materialien in Innenräumen einsetzt, die umwelt- und gesundheitsverträglich sind.
    2. ein Zentrum für Feinstaubforschung mit der TU Harburg auf den Weg bringen, damit Materialien auch daraufhin entwickelt und zugelassen werden, dass sie diese Kriterien erfüllen.
    3. die öffentliche Beschaffung dahingehend durchforsten, dass Senat und Behörden mit gutem Beispiel voran gehen und dadurch Firmen unterstützen, die diese Produkte auf den Markt bringen.
    4. den neuen sozialen Wohnungsbau in Hamburg mit diesen Umwelt und Gesundheitsstandards ausschreiben

    All diese Dinge sind wichtig für Hamburg und für die Menschen, die in Hamburg leben. Sie sind nicht - das möchte ich Herrn von Beust sagen - als „Appendix“ irgendeiner anderen Behörde zu bewältigen. Darum werden wir wieder eine eigenständige Behörde für Umwelt, Klima und Natur einrichten. So können wir auch im Bundesrat und im Zusammenspiel der Länder wieder aktiv Vorschläge für bundesweite Maßnahmen auf den Weg bringen, wie das in früheren SPD-geführten Senaten üblich war. Hamburg soll in Fragen der Nachhaltigkeit vorne stehen und ein Gesicht haben, und Michael Naumannn steht dafür.