Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    04.02.2009

    Rede: Finanzmärkte regulieren, Wirtschaft stärken.


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Barbara Hendricks,
    sehr geehrter Heinz Lüers,
    sehr geehrter Dieter Eilers,
    sehr geehrte Damen und Herren,

    ich freue mich, dass Sie alle gekommen sind. Auch das zeigt, wie wichtig das heutige Thema ist und wie stark es unsere ganze Gesellschaft betrifft.

    Schon Thomas Jefferson, der dritte amerikanische Präsident, war der Meinung: „Banken sind gefährlicher als stehende Armeen.“ Wenn wir an die Finanzwelt der letzten Wochen und Monate denken, so scheint der Vergleich gar nicht weit hergeholt. Über die Jahre hat sich weltweit ein grenzenloser und selbst für die Verantwortlichen unüberschaubarer Finanzmarkt etabliert, der nun immer weiter in sich zusammenstürzt. In der Folge erfasst diese Krise die gesamte globale Wirtschaft, was allein Deutschland in die schwierigste wirtschaftliche Phase seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bringt.

    Mehr will ich zur Analyse der derzeitigen Lage gar nicht sagen, denn ich denke, der Ernst der Lage ist klar. Wir wollen heute den Blick auf die Zukunft richten und der Frage nachgehen: Was muss getan werden, um die internationale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zu bekämpfen?

    Ich sehe zwei große Aspekte in dieser Debatte. Zum einen geht es darum, die derzeitige Krise abzufangen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, damit die Wirtschaft nicht an der Finanzkrise kaputt geht. Zum anderen geht es aber auch darum, wirksame Regeln für die Finanzwelt einzuführen, damit wir uns in ein paar Jahren nicht wieder in einer solchen Krise finden.

    Zunächst will ich kurz etwas zum ersten Aspekt sagen:

    Wir haben mit einem Maßnahmenbündel zur Stützung der Konjunktur schnell und konsequent gehandelt. 50 Milliarden Euro beinhaltet das zweite Konjunkturpaket, auf das wir uns in Berlin verständigt haben. Dabei ist gerade das kommunale Investitionsprogramm über 13,3 Milliarden Euro für uns hier vor Ort wichtig. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl im Landkreis Harburg bedeutet das bis zu 37,4 Millionen Euro, die zur Verfügung stehen sollten, wenn die 75 Prozent weitergeleitet werden.

    Leider hat sich ziemlich schnell abgezeichnet, dass einige Länder – und leider ist Niedersachsen ganz vorn mit dabei – nur einen Teil von diesen Mitteln direkt an die Kommunen und Gemeinden weitergeben wollen. Das ist allerdings gerade nicht der Sinn des Investitionsprogramms.

    Deswegen haben wir im Bund noch einmal nachgesteuert und festgelegt, dass 75 Prozent direkt weitergegeben werden müssen.

    Wir wollen keine Investitionen in große Prestigeprojekte der Länder. Stattdessen sollen viele einzelne sinnvolle Projekte ermöglicht werden, die für einen Schub in ganz unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen sorgen werden. Wenn beispielsweise nur in den Straßenbau investiert würde, dann wären Tiefbau-Unternehmen schnell ausgelastet und erhöhen die Preise. So eine Überhitzung der Konjunktur müssen wir vermeiden.

    Aus diesem Grund haben wir vom Bund aus definiert, was als Infrastruktur gefördert werden soll. Es geht in erster Linie um Gemeinbedarfseinrichtungen wie Bildungsstätten, Jugend- und Altentreffs, Sportstätten oder Gebäude der (freiwilligen) Feuerwehren. Und etwas wofür ich besonders gekämpft habe, damit es zur Aufzählung hinzugenommen wird: Zur Infrastruktur zählen auch Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Bibliotheken, Museen und Theater.

    Ich glaube, hier haben wir gute Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir die Konjunktur mit wirklich sinnvollen und nachhaltigen Investitionen befördern. Der Bund hat mit den Ländern bereits über Verwaltungsvereinbahrungen verhandelt. Die endgültigen Beschlüsse treffen der Bundestag am 13. März und der Bundesrat dann am 20. März 2009. Ich hoffe, wir werden auf diesem Wege wirklich sicherstellen, dass die Gemeinden und Kommunen möglichst viel selbst entscheiden können. Denn sie sind es, die am allerbesten wissen, wo Investitionen dringend nötig sind.

    Lassen Sie mich auch zur Regulierung der Finanzwelt, meinem zweiten Aspekt, kurz das Problem skizzieren.

    Die Heftigkeit der Finanzkrise hat viele, aber nicht alle überrascht. Die Probleme waren längst klar. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass wir in Deutschland erst angesichts der Krise begonnen hätten, nach Gegenmaßnahmen zu suchen. Viele Forderungen liegen seit langem vor. So findet sich beispielsweise im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2002 die klare Forderung, den Druck auf die so genannten Steueroasen stärker ausüben.

    Und in der Bremer Erklärung der SPD von vor zwei Jahren heißt es: „An die Stelle der Orientierung am langfristigen unternehmerischen Erfolg treten kurzfristige Renditeerwartungen durch Kauf und Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen. Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ist es, dass die Finanzmärkte einer langfristig ausgerichteten Wirtschaftskultur dienen.“

    Steueroasen und Börsenspekulation sind nur zwei zentrale Punkte, bei denen man sich fragen kann, warum hier bisher nichts passiert ist. Die Antwort fällt leider ziemlich leicht: Weil staatliche Regulierung unausweichlich an die Grenzen nationaler Politik stoßen muss. Wir können den globalen Finanzmarkt nicht durch deutsche Gesetzgebung regeln. Insofern ist die Krise aber auch eine Chance. Denn damit haben wir weltweit ein überzeugendes, weil für alle schmerzvoll erfahrbares Argument für eine gemeinsame Einigung auf global gültige Regeln für den Finanzmarkt, wie es in Heiligendamm noch nicht möglich war.

    Finanzminister Peer Steinbrück hat dazu bereits im letzten Jahr einen Acht-Punkte-Plan vorgelegt. Die 8 Punke sind:

    1. eine Bilanzierungspflicht,
    2. eine höhere Liquiditätsvorsorge bei Banken,
    3. eine stärkere persönliche Haftung der Akteure,
    4. veränderte Vergütungssysteme im Finanzsektor,
    5. ein Verbot schädlicher Leerverkäufe,
    6. eine Abdeckung der Kreditrisiken bei Banken,
    7. eine stärkere Zusammenarbeit der internationalen Behörden und
    8. eine stärkere Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden.

    Zu dem einen oder anderen Punkt werden wir an diesem Abend sicherlich noch näher eingehen.

    Ich darf Ihnen die Gesprächspartner des heutigen Abends vorstellen. Ich begrüße Dr. Barbara Hendricks. Bis 2007 war sie Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen und seitdem ist sie Schatzmeisterin der SPD.

    Ich begrüße mit Heinz Lüers den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Harburg-Buxtehude. Und freue mich, dass Dieter Eilers hier ist. Er ist Geschäftsführer der E&K AUTOMATION GmbH, einer Firma aus Rosengarten, die sich unter anderem auf Fahrerlose Transportsysteme und Prozessautomatisierung spezialisiert hat und damit sehr erfolgreich ist.

    Bevor wir später in die Diskussion einsteigen, möchte ich die Teilnehmer um ihren Beitrag bitten. Barbara, möchtest Du beginnen?

    Vielen Dank