Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    24.02.2009

    Interview zum Konjunkturprogramm und Kultur

    Kulturpolitische Mitteilungen (KuMi)


    KuMi:Die Bundesregierung hat nunmehr das Konjunkturpaket II beschlossen. Da ist von Bildung, Verkehr und ähnlichen Infrastrukturmaßnahmen die Rede. Geht die Kultur leer aus?

    Griefahn:Nein, die Kultur geht nicht leer aus. Ganz im Gegenteil: Im Rahmen des Programms Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder, mit einem Volumen von 13,3 Mrd. Euro (10 Mrd. Euro Bundesmittel, 3,3 Mrd. Euro Landes- und Gemeindemittel) ein Schwerpunkt des Konjunkturpakets II, sind Kultureinrichtungen wie Museen, Theater und Stadtteilbibliotheken im Investitionsschwerpunkt Infrastruktur (35 Prozent oder 3,5 Mrd. Euro der Bundesmittel) ausdrücklich berücksichtigt. Und auch im Investitionsschwerpunkt Bildung (65 Prozent oder 6,5 Mrd. Euro der Bundesmittel) können Einrichtungen der kulturellen Bildung wie bspw. kommunale Musikschulen Fördermittel erhalten.

    Die Ausführungsbestimmungen in den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern sind ganz bewusst sehr weit gefasst um den Ländern in ihren konkreten Vereinbarungen mit den Kommunen und Gemeinden möglichst viel Handlungsspielraum zu belassen, was gefördert werden kann. Die Grundannahme dabei ist, dass die Verantwortlichen vor Ort am besten wissen, wo besonderer Investitionsbedarf besteht. Die Bewilligung beantragter Mittel erfolgt durch das jeweilige Land.

    KuMI: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Kommunen ihren Bedarf im Kulturbereich aussichtsreich anmelden können und wo melden sie diese an?

    Griefahn:Im Kern sind zwei Voraussetzungen für die Anmeldung zur Förderung entscheidend: es muss sich erstens um zusätzliche Maßnahmen handeln, d.h. es können keine Investitionsprojekte gefördert werden, die in den Haushalten der Länder oder Kommunen für 2009 oder 2009/2010 bei Doppelhaushalten ohnehin eingeplant waren. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, dass diese baulichen Investitionen kurzfristig in 2009 und 2010 umgesetzt werden können. Zudem können bereits früher begonnene aber noch nicht abgeschlossene Maßnahmen gefördert werden, wenn es sich um einen selbstständigen Abschnitt eines Sanierungsvorhabens handelt, dessen Finanzierung bisher nicht sichergestellt bzw. im Haushalt eingeplant war (Stichwort zusätzliche Maßnahme).

    Zum zweiten sollte es sich bei den Investitionen zu einem überwiegenden Teil um energetische Sanierungen handeln, d.h. der Schwerpunkt der Sanierung sollte auf Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen und der Steigerung der Energieeffizienz auch unter Einsatz erneuerbarer Energien liegen.

    Seitens des Bundes wurde mit den Ländern eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, die das Verfahren der Mittelausreichung, der Verteilung der Mittel zwischen den Ländern und die Überprüfung der vom Bund an die Länder ausgereichten Mittel beinhaltet. Zeitgleich zur Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung durch die Länder passen die Länder ihre Förderrichtlinien an und können dabei auf bewährte Instrumentarien der Städtebauförderung zurückgreifen. Außerdem hat der Bund die Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen im Baubereich nach der Vergabeordnung des Bundes auf 1 Million Euro und für freihändige Vergaben auf 100.000 Euro befristet auf zwei Jahre angehoben, um eine schnelle und unkomplizierte Vergabe zu ermöglichen.

    Wenn sie nicht längst damit begonnen haben, sollten die Kommunen spätestens jetzt die Antragstellung für Maßnahmen zur Förderung beim Land planen und vorbereiten. Förderanträge und Fragen können an die in den jeweiligen Ländern zuständigen Ressorts gestellt werden.

    KuMi:Das Konjunkturpaket soll nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern das Land auch fit machen für die Zukunft. Ist der Kulturbereich dabei so wichtig?

    Griefahn:Natürlich ist der wichtig. Die Schwerpunkte der Investitionen wurden ganz bewusst in den zukunftsweisenden Bereichen Bildung und weiteren Infrastrukturbereichen wie dem Ausbau der kommunalen und damit auch der kulturellen Infrastruktur gelegt. Neben dem Programm Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder, das auch nicht umsonst so heißt, beruht das Konjunkturpaket II auf einer weiteren Säule: der Aufstockung des Zentralen Innovationsprogramms (ZIM) für die Jahre 2009 und 2010 um jeweils 450 Millionen Euro. Damit werden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, der Ausbau des Breitbandnetzes und Maßnahmen der KfW-Bank zur Verstärkung von Maßnahmen im Bereich der Innovationsförderung und –umsetzung realisiert.

    Wenn also so viel Geld in die Hand genommen wird, dann müssen die Maßnahmen auch nachhaltig wirken. Die Kultur spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Investitionen in die Qualität und die Vielfalt kultureller Strukturen sind gesamtgesellschaftlich und auch wirtschaftlich sinnvoll und zugleich Investitionen in die Zukunft. Das gilt erst recht dann, wenn es sich konkret um umweltschonende Maßnahmen wie energetische Gebäudesanierungen handelt. Die Ergebnisse einer 2005 durchgeführten Untersuchung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz zeigen, dass insbesondere beim Denkmalschutz Folgeinvestitionen und Impulse in vielfacher Höhe angeregt werden. Damit ist jeder Euro, der aus den Mitteln des Konjunkturprogramms in eine öffentliche Musikschule, eine Stadtteilbibliothek, das Theatergebäude oder in die Schaffung von Proberäumen fließt, ganz im Sinne des Konjunkturprogramms sinnvoll eingesetzt. Zudem erleben wir bereits seit mehreren Jahren einen Aufschwung der vielfältigen und vitalen Kultur- und Kreativwirtschaft. Wie die erst kürzlich vom Deutschen Kulturrat im Auftrag des Kulturforums der Sozialdemokratie erstellte Studie „Zukunft Kulturwirtschaft. Zwischen Künstlertum und Kreativwirtschaft“ zeigt, baut die Kultur- und Kreativwirtschaft auf einer gut funktionierenden kulturellen Infrastruktur auf. Diese muss nicht zuletzt mit den jetzt zur Verfügung gestellten Mitteln gefördert und erhalten werden.

    KuMi: Wer an Kultur denkt, hat zunächst Theater und Museen in den Blick. Haben auch die Einrichtungen der kulturellen Bildung und der Sozio- und Breitenkultur eine Chance?

    Griefahn:Ja, diese können auch gefördert werden. Wie bereits gesagt, die Bestimmungen sind bewusst weit gefasst. Es sollte jedoch überlegt werden, in welchen Förderschwerpunkt das jeweilige Investitionsprojekt fallen könnte. Für Einrichtungen der kulturellen Bildung bietet sich natürlich der Investitionsschwerpunkt Bildung, für andere der Investitionsschwerpunkt Infrastruktur.

    KuMi:Die gewaltigen Investitionen, die jetzt getätigt werden, und die Schulden der Öffentlichen Hand werden irgendwann zurückgezahlt werden müssen. Was bedeutet das für den Kulturbereich? Kommt nach der Bundestagswahl die Stunde der Wahrheit?

    Griefahn:Die noch ausstehenden Folgen sind momentan von niemandem vorherzusehen, jedoch glaube ich nicht, dass es insbesondere im Kulturbereich das böse Erwachen geben wird. Die angedachten Investitionen und die damit verbundene Kreditaufnahme betreffen in ihrer Höhe unsere Volkswirtschaft insgesamt und damit alle Bereiche in gleichem Maße. Der Kulturbereich spielt bei diesen Größenordnungen ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Im Moment kommt es meines Erachtens sehr darauf an, dafür zu sorgen, dass die geplanten Maßnahmen wirken. Sollten die im Konjunkturpaket II angedachten Maßnahmen erfolgreich sein und die Finanzkrise in ihren Auswirkungen zumindest im nationalen Rahmen abmildern können, wird es auch wieder einen Aufschwung und entsprechende Steuereinnahmen geben. Die jetzt geplanten Maßnahmen sind in ihrer Zielrichtung auch ganz bewusst nachhaltig angelegt, damit, wenn das Wachstum wieder an Fahrt gewinnt, die jetzt unvermeidbaren Schulden auch wieder abgearbeitet werden können.

    Gerade in der jetzigen Krise fällt auf, welchen unschätzbaren Vorteil die überwiegend öffentlich finanzierte Förderung von Kultur und Kunst in Deutschland hat. War es bisher wichtig, diese öffentliche Förderung zu verteidigen und zu begründen, wird das auch in Zukunft so bleiben. Konzepte wie die im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ formulierten Neuen Steuerungsmodelle in der Kulturpolitik und die von der Enquete empfohlene Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz helfen dabei.

    KuMi:Insgesamt und auch unabhängig vom Konjunkturpaket II bedarf die kulturelle Infrastruktur in vielen Ländern und Kommunen erheblicher Investitionen. Was kann und was tut der Bund in diesem Bereich über das Konjunkturpakt hinaus?

    Griefahn:In vielen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen besteht dringend notwendiger Sanierungs- und Investitionsbedarf. Vielerorts waren die Kommunen in den vergangenen Jahren nicht in der Lage, die bestehende, öffentlich geförderte kulturelle Infrastruktur zu erhalten, geschweige denn auszubauen. Insbesondere Bibliotheken, aber auch Musikschulen und Museen wurden geschlossen, Theaterhäuser für Einsparungsmaßnahmen zusammengelegt. Diese Entwicklung betrifft besonders den ländlichen Raum, aber auch viele mittlere und große Kommunen und ist in seiner Breite sehr bedenklich.

    Deshalb muss die kulturelle Infrastruktur im Konjunkturprogramm eine zentrale Rolle spielen. Doch auch über das Programm Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder hinaus, hat die Bundesregierung eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, um dem dringend notwendigen Sanierungs- und Investitionsbedarf vieler öffentlich geförderter Kultureinrichtungen zu entsprechen. Beispielsweise wurden für dringend notwendige Investitionen in den Erhalt und die Weiterentwicklung der deutschen UNESCO-Welterbestätten und ihres städtebaulichen Umfelds für die Jahre 2009 bis 2013 insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des 2008 beschlossenen Investitionspakts zur energetischen Sanierung von Schulen, Kindergärten, Sportstätten und sonstiger sozialer Infrastruktur sind auch Museen und Bibliotheken förderfähig. Dieser, im Jahr 2008 mit 200 Millionen Euro und im Jahr 2009 auf 300 Millionen Euro aufgestockte und von den Ländern und Gemeinden in gleicher Höhe kofinanzierte Investitionspakt trägt maßgeblich zur Erhaltung und Erneuerung der sozialen und kulturellen Infrastruktur in den Kommunen bei.

    Im Rahmen der KfW-Programme „Kommunalkredit“, „Sozial investieren“ und „Kommunal investieren“ werden 2009 mit einer „Investitionsoffensive Infrastruktur“ für Antragsteller aus strukturschwachen Gebieten zinsgünstige Kredite zur Unterstützung auch von kulturellen Investitionen bei Infrastrukturvorhaben bereit gestellt (300 Millionen Euro Bundesmittel).