Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    05.03.2009

    Plenumsrede: Medien- und Kommunikationsbericht


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    was lange währt, wird endlich gut. Nun liegt der lang ersehnte und von uns als SPD-Fraktion immer wieder eingeforderte Bericht endlich vor. Den letzten Bericht gab es im Jahr 1998 und seitdem ist gerade in Bezug auf die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien viel passiert.

    Ich will auf einige der zentralen Handlungsfelder eingehen, die der Bericht auf Grundlage des hervorragenden wissenschaftlichen Gutachtens des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg sehr gut beschreibt.

    Ein sehr umfassendes Handlungsfeld sind die elektronischen Medien und damit der Rundfunk. Der Bericht beschreibt sehr gut die mittlerweile sehr engen Beziehungen zur europäischen Medienordnung. Das betrifft eine der wesentlichen medienpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre: die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

    Ganz aktuell überarbeitet die Europäische Kommission die Rundfunkmitteilung, in der es um die staatliche Finanzierung des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks bezogen auf das Beihilferecht geht. Gerade heute, sozusagen zeitgleich zu dieser Debatte findet im Europäischen Parlament eine Anhörung dazu statt, nachdem aus fast allen Mitgliedsstaaten sehr deutliche Kritik an der geplanten Überarbeitung kam.

    Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung in ihrer Position, dass eine grundsätzliche Überarbeitung der Rundfunkmitteilung aus dem Jahr 2001 nicht notwendig ist. Es ist nicht das erste Mal, dass über den Umweg Brüssel versucht wird, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebühren grundlegend infrage zu stellen.

    Nach dem Amsterdamer Protokoll zum EG-Vertrag liegt die ausschließliche Kompetenz für den Rundfunk bei den Mitgliedstaaten. Zudem muss die Besonderheit des Rundfunks als KULTUR- und Wirtschaftsgut, ich betone, als KULTUR- und Wirtschaftsgut berücksichtigt werden. Es kann also nicht Aufgabe der EU-Kommission sein, in den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten einzugreifen.

    Der Beihilfekompromiss wird nun ganz aktuell im Rahmen des 12. Rundfunksänderungsstaatsvertrages von den Ländern umgesetzt. Man sollte erst einmal abwarten, wie sich die Umsetzung insbesondere des Drei-Stufen-Tests in der Praxis bewährt.

    Es wäre ein wirklich schlechter Stil, wenn die privaten Anbieter nun schon wieder versuchen, nationales Medienrecht zu umgehen, bloß weil es ihnen nicht passt.

    Von allen Seiten, und damit sowohl den öffentlich-rechtlichen Sendern, als auch den privaten Medienunternehmen und der für Medien zuständigen EU-Kommissarin Reding wurde im Rahmen dieser Diskussion wiederholt auf die Unabhängigkeit und notwendige Sachkunde der Gremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verwiesen. Es sei ein zur Gewährleistung der Unabhängigkeit wichtiges System der Binnenkontrolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

    Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss vor allem vor politischem Einfluss geschützt und unabhängig sein. Es ist populistisch und nicht akzeptabel, wenn dieselben Personen einen an Qualität orientierten Rundfunkauftrag fordern, die, wenn ihnen die nach diesem Qualitätsbegriff handelnden Programmmacher und Journalisten nicht passen, dann doch nach der Quote rufen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    es ist kein Zufall, dass Sie jetzt alle an Roland Koch denken. Erst hat er in der Diskussion um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einen engen, an Qualität orientierten Programmauftrag gefordert. Jetzt betreibt er an vorderster Front zusammen mit den anderen unionsnahen Mitgliedern die Ablösung eines Chefredakteurs, was nicht nur die im Grundgesetz verankerte Staatsferne in Frage stellt, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt beschädigt.

    Ich hoffe sehr, dass wenigstens bei dem einen oder anderen verantwortungsvollen Unions-Mitglied hier noch Vernunft einkehrt. Wenn sich aber zeigen sollte, dass Politik einen dominierenden Einfluss auf die Gremienentscheidungen nehmen kann, dann muss meiner Meinung nach die Anzahl der Vertreter aus Parteien reduziert werden. Das sage ich mit Nachdruck auch als Medienpolitikerin.

    Ich will zu einem weiteren Punkt des Berichtes kommen. Darin wird völlig richtig festgestellt, dass Computerspiele bei Kindern und Jugendlichen immer stärker eine identitätsstiftende Funktion übernehmen und damit in Konkurrenz zur Musik oder zum Film treten. Diesen Medien wird große kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung zugeschrieben. Gleichzeitig sind mit diesen Chancen aber auch Risiken verbunden.

    Beim Film oder bei der Musik haben wir in Bezug auf die Medienkompetenz und den Jugendmedienschutz wirksame Programme und Regelungen schon seit vielen Jahren. Es ist unsere Aufgabe, das auch für neue Medienentwicklungen zu garantieren. Für Computerspiele ist das gelungen. Hier haben wir Anpassungen beim Kinder- und Jugendschutz vorgenommen. Die Vergrößerung der Alterskennzeichen auf den Verpackungen halte ich für eine gute Maßnahme. Mein Kollege Jürgen Kucharczyk wird dazu aber sicherlich noch mehr sagen.

    Aber ich bin eben auch froh, dass wir politisch inzwischen über den Punkt hinaus sind, an dem neue Entwicklungen wie Computerspiele zuallererst als Bedrohung gesehen werden.

    Die populistischen Verbotsforderungen sind zurecht verstummt, denn mit so schlichten Scheinlösungen werden wir den neuen Lebenswirklichkeiten junger Menschen nicht gerecht.

    Es ist ein großer Erfolg, dass auf Initiative der SPD-Fraktion der Deutsche Computerspielpreis zustande gekommen ist. Damit lenken wir die Aufmerksamkeit auf die vielen tollen Spiele aus Deutschland wie Die Siedler, Zweistein oder die Fußball Manager und geben damit gleichzeitig auch positive Empfehlungen.

    Am 31. März werden die Preise in München verliehen, was natürlich etwas seltsam wirkt, nachdem es in der Vergangenheit zuallererst CSU-Minister waren, die mit Verbotsforderungen durch die Republik liefen. Wahrscheinlich ist es einer der besten pädagogischen Effekte des Preises, dass durch ihn sogar bei der CSU etwas mehr Medienkompetenz eingekehrt ist.

    Im nächsten Jahr wird die Preisverleihung übrigens in Berlin sein, da es immer einen Wechsel zwischen diesen beiden Städten geben soll.

    Ich glaube, die rasante Entwicklung im Bereich Computerspiele macht immer deutlicher, dass sie zum Kulturgut geworden sind. Das sieht man auch daran, dass sie künstlerisch dem Film immer ähnlicher werden. Und genau dieser Film ist ein weiteres wichtiges Thema in dem Bericht. Insbesondere die Filmförderung fußt auf einem guten und gemeinschaftlichen System. Jedoch zeigt die positiv beschiedene Klage der Kinobetreiber zur Kinoabgabe, dass das integrierte und solidarische Handeln nicht mehr gegeben ist. Film ist Wirtschafts- und Kulturgut. Neue Filme können nur gemacht werden, wenn das bewährte System einer solidarischen Förderung grundsätzlich erhalten bleibt: die Nutzer und Verwerter zahlen eine Abgabe für die Förderung qualitativ wertvoller Filme und das ist richtig so.

    Ich erwarte von den Verbänden und ihren Mitgliedern jetzt eine konstruktive Arbeit an einer Lösung. Die finanziellen Grundlagen der Filmförderung dürfen nicht beseitigt werden, denn das würde allen schaden. Das Filmfördergesetz haben wir für die Branche gemacht und genau das hat zum Erfolg des deutschen Films entscheidend beigetragen. Von einem erfolgreichen System haben deswegen alle etwas: die FFA, die Filmemacher, die Kinos und vor allem die Zuschauer!

    Ein letztes Wort: In dem Medien- und Kommunikationsbericht wird grundlegend eine ganz wichtige Tendenz deutlich. Die Konvergenz der Medien und crossmediale Medienformen nehmen zu, weshalb eine an dieser Entwicklung orientierte Medienordnung immer notwendiger wird. Das gilt umso mehr, da sich Fragen beispielsweise des Jugendmedienschutzes oder des Datenschutzes auf immer mehr Übertragungswegen und –formen immer wieder neu stellen. Wir werden uns also zukünftig noch stärker mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Zusammenwachsen der Medienstrukturen nicht auch eine sektorübergreifende Medienordnung erfordert. Ich glaube ja.

    Vielen Dank