Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    22.03.2009

    Rede zur Frühlingseröffnung des Fördervereins Elbmarschkultur


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kulturschaffende und Kulturfreundinnen und –freunde, liebe Frau Viertel,

    ich freue mich, heute mit Ihnen zusammen das 20jährige Jubiläum und gleichzeitig den Einzug des Kultur-Treff-Punktes in die Elbmarsch-Küchen zu feiern! 20 Jahre, das ist schon ein stolzes Alter, und die mittlerweile 300 Mitglieder des Fördervereins Elbmarschkultur zeigen, wie erfolgreich diese letzten 20 Jahre waren: 7 Sparten umfasst der Kultur-Treff-Punkt heute, vom Fotokreis über Mal- und Kunsthandwerk-Kurse bis zum Trachtenkreis und zur plattdeutschen Runde, zu der uns Herr Kröger gleich noch mehr sagen wird. Besonders gut finde ich dabei auch die Öffnung hin zu einem unserer Nachbarländer, wie sie im polnischen Kontaktkreis stattfindet. Dabei möchte ich ausdrücklich unseren polnischen Ehrengast begrüßen, die Malerin Frau Vogel. Herzlich willkommen!

    Häufig konzentriert sich das öffentliche Interesse auf die großen Kunst- und Kulturzentren in den Großstädten. Das ist schade, denn dabei wird oft vergessen, dass in den ländlichen Regionen eine beeindruckende kulturelle Vielfalt anzutreffen ist. Hier, in der Elbmarsch, sind Kunst und Kultur authentisch. Sie werden in den unterschiedlichsten Formen gelebt, und das von sehr großen Teilen der Bevölkerung. Der Förderverein Elbmarschkultur ist das beste Beispiel dafür. Dabei halte ich auch das „Kulturlädchen“, das zusammen mit dem Ausstellungsraum täglich geöffnet ist, für eine tolle Idee. Hier ist Kultur in den Alltag integriert und Ausdruck des Zusammenspiels zwischen der Kunst und den verschiedenen Generationen, die an Ihren Angeboten teilnehmen.

    Ich halte es für einen gefährlichen Trugschluss, die kulturelle Vielfalt in den Regionen geringer zu schätzen als sie in Wahrheit ist. Denn gerade in ländlichen Gebieten kommt neben dem kulturellen Wert auch der soziale Aspekt der Kunst zum Tragen. Dort, wo die Bürger ihren Heimatort aktiv mit gestalten, da werden Kunst- und Kulturprojekte viel besser wahrgenommen. Und das Gemeinschaftsgefühl und die eigenständige Identität der Region können so viel besser bewahrt werden.

    Gerade das kulturelle Leben in ländlichen Regionen lebt von der freiwilligen und ehrenamtlichen Arbeit. Sie werden mir sicher zustimmen, dass dies ein „Pfund“ der Kulturarbeit in ländlichen Regionen ist, das auf jeden Fall bewahrt werden muss. Deshalb setze ich mich auch dafür ein, dass die ländlichen Regionen bei der Kulturpolitik des Bundes und der Länder noch stärker berücksichtigt werden.

    Sie geben mir sicher Recht: Das Engagement bei Kunst und Kultur ist nicht zuletzt aus finanziellen Gründen nicht immer leicht. Es können kaum genügend staatliche Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, um all die nötigen Kunstprojekte zu unterstützen. In der Bundespolitik wollen wir hauptsächlich die Rahmenbedingungen, in denen Kunst und Kultur stattfinden, verbessern. Doch neben der Kulturhoheit der Länder gibt es auch auf Bundesebene Förderinstrumente im Kulturbereich.

    Ich denke, dass gerade jetzt, da die Auswirkungen der Finanzkrise in unseren Alltag vorrücken, auf allen Ebenen deutlich wird, wie wichtig staatliche Kulturfinanzierung ist. Kultur ist Lebensmittel und prägt die Kreativität, fördert Integration und Frieden. Kultur ist die Wurzel unserer Gesellschaft, die einen Grundkonsens herstellt und nicht das Wirtschaftssystem oder der Finanzmarkt.

    Daher habe ich mich bei den letzten Haushaltsverhandlungen für eine Erhöhung der Mittel für die Kulturstiftung des Bundes eingesetzt. Durch sie werden seit ihrer Gründung im Jahr 2002 innovative Projekte mit nationaler und internationaler Strahlkraft gefördert. Ich denke, es sind aber auch die vielen kleineren und lokalen Projekte wie der Förderverein Elbmarschkultur, die innovative Ansätze hervorbringen. Hier entsteht die wichtige Grundlage für das kulturelle Leben insgesamt. Genau das muss gefördert werden.

    Deshalb hat sich die SPD erfolgreich dafür eingesetzt, dass im Haushalt 2008 und auch im Haushalt 2009 der Bundeskulturstiftung 1 Million Euro mehr zur Verfügung stehen. Damit kann auch der Fonds Soziokultur gestärkt werden, der für kulturelle Chancengleichheit und demokratische Kultur steht. Auch für die Initiative Musik konnten die Mittel erhöht werden, wodurch besonders Jazzmusik gefördert wird.

    Bei diesen Kulturförderinstrumenten stehen die Künstlerinnen und Künstler, Veranstalter und Engagierte im Vordergrund. Sie leisten wie Sie aus Überzeugung eine kulturell unheimlich wichtige Arbeit, obwohl sie wissen, dass sie damit nicht reich werden können. Ganz viel passiert ehrenamtlich. Genau solches Engagement braucht unsere Gesellschaft!

    Daher haben wir einen wichtigen Schritt im Deutschen Bundestag mit dem neuen Gemeinnützigkeitsrecht bereits erreicht: Finanzminister Peer Steinbrück hatte mit seinem Konzept „Hilfen für Helfer“ - wobei wir die vielen Helferinnen auf keinen Fall vergessen sollten - einen wirklich guten Vorschlag erarbeitet, mit dem wir jetzt die Menschen, die sich tagtäglich im sozialen, kulturellen, sportlichen oder anderweitig gesellschaftlichen Bereich engagieren, weiter unterstützen werden.

    Der persönliche und in den meisten Fällen ehrenamtliche und unentgeltliche Einsatz, ist bewundernswert, und viele Menschen profitieren davon. So gibt es überall in unserem Land kostenlose Museen und Ausstellungen, musikalische Veranstaltungen hören oder Theaterspiele sehen, die nur aufgrund von privatem Einsatz existieren.

    In dem neuen Gesetz fördern wir aus diesem Grund konkret durch eine erhöhte Spendenabzugsfähigkeit, die Abzugsfähigkeit von finanziellen Zuwendungen an Stiftungen, verbesserte Haftungsregelungen oder die angehobene Besteuerungsgrenze für wirtschaftliche Betätigungen gemeinnütziger Körperschaften. Das alles soll helfen, dass noch mehr Menschen Aufgaben in der Gemeinschaft übernehmen.

    So verschieden die Projekte in Kunst und Kultur sind, so unterschiedlich sind auch die Menschen und die Umstände, in denen sie geschaffen werden. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in Deutschland sehe ich mehrere Herausforderungen für die Kulturarbeit in den Regionen. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt. Dieser Trend ist gefährlich und kann im schlimmsten Fall die Verödung ganzer Landstriche zur Folge haben. Ihm kann aber auch entgegengewirkt werden. Und zwar mit einer aktiven und engagierten Kulturarbeit vor Ort! Warum sollten wir kulturtouristische Produkte nicht besser vermarkten und so strukturschwachen Räumen neue Lebens- und Arbeitsperspektiven eröffnen? Darin sehe ich einen ganz wichtigen Faktor für die zukünftige Kunst- und Kulturarbeit in den Regionen.

    Ein weiterer Punkt ist, dass unsere Gesellschaft immer internationaler und vielfältiger wird. Deutschland ist, auch wenn sich einige Stimmen aus der Politik lange dagegen gewehrt haben, zu einem Einwanderungsland geworden. Diese Tendenz wird sich in Zukunft noch verstärken. Und deshalb müssen wir Zugewanderten Angebote zur Verfügung stellen, die ihre Integration fördern. Gleichzeitig können aber auch wir von ihnen lernen, denn Zugewanderte sehen die Elbmarsch vielleicht mit ganz anderen Augen. Wir sollten uns nicht nur die Frage stellen: Was können wir Migranten vermitteln? Denn genauso wichtig ist auch die Frage: Was können uns Menschen aus anderen Teilen der Welt geben und welche kulturellen Reichtümer bringen sie mit nach Deutschland?

    Der kulturelle Austausch ist dafür ein hervorragender Türöffner. Im Kultur-Treff-Punkt hat man das schon lange erkannt. Hier treffen Menschen aus ehemals verfeindeten Nachbarländern zusammen und tauschen ihre ganz verschiedenen Hintergründen und ganz unterschiedlichen Vorstellungen von Kunst aus. Hier wird also das Miteinander der Generationen und der Nationen gelebt, Kontakte werden geknüpft und Freundschaften geschlossen. Das ist in meinen Augen eine wunderbare Perspektive!

    Mit dem heutigen Jubiläum des Fördervereins Elbmarschkultur wünsche ich mir, dass Ihr Kulturverein noch mehr Resonanz in der Öffentlichkeit und Unterstützung aus der Region bekommt. Ihre Arbeit regt Menschen dazu an, ihre kreative Ader zu entdecken. Kunst und Kultur liegen direkt vor unserer Haustür! Wir müssen bloß die Augen öffnen.

    Mit Ihrer Begeisterung für Kunst und Kultur sind Sie, liebe Mitglieder des Fördervereins Elbmarschkultur, eine wahre Bereicherung für das kulturelle Leben in dieser Region. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Elbmarsch heute nicht nur für die wunderschöne Naturlandschaft, sondern auch für kulturelle Tradition und Vielfalt bekannt ist. Die positiven Auswirkungen auf den Tourismus sollten bei der öffentlichen Förderung mitbedacht werden. Für all das verdienen Sie, liebe Mitglieder des Fördervereins, größte Anerkennung und einen ganz besonderen Dank.

    Herzlichen Glückwunsch also noch einmal zum 20jährigen Bestehen und alles Gute für die nächsten 20 Jahre!