Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    14.05.2009

    Plenumsrede zur 2./3. Lesung des Medien- und Kommunikationsberichts


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wir beraten heute abschließend den „Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008“ und die Anträge der Fraktionen der FDP, Bündnis 90/Die Grünen und DIE Linke zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit der Vorlage des Medien- und Kommunikationsberichtes ist die Bundesregierung – wenn auch mit einiger Verspätung – ihren Berichtspflichten gegenüber dem Deutschen Bundestag zum Thema Medien, insbesondere zur fortschreitenden Digitalisierung im Medienbereich und zu Wegen der Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft nachgekommen. Dabei ist festzustellen, dass sich die Neukonzeptionierung des Berichts, mit dem verschiedene Berichtspflichten im Bereich der Medien- und Kommunikationspolitik gebündelt wurden, bewährt hat und der Konvergenz der Medien und den technischen Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung trägt. Auch wenn es sicher Unterschiede bei der Bewertung im Detail gibt, so kann doch insgesamt festgestellt werden, dass der Medien- und Kommunikationsbericht eine umfassende Grundlage für die Beschäftigung mit der Medienpolitik, ihren aktuellen gesetzlichen und marktlichen Rahmenbedingungen darstellt. Das breite Themenspektrum – von Jugendschutz und Computerspielen über Medienkompetenz und Urheberrecht bis zu Online-Sucht und der Breitbandkabelstrategie – illustriert die Vielfalt und Komplexität des Politikfeldes Medienpolitik und macht zugleich die Bedeutung von Medienpolitik als Querschnittaufgabe mit all ihren Facetten deutlich.

    Mit dem Medien- und Kommunikationsbericht wird zugleich eine Bilanz der Medienpolitik der vergangenen Jahre – der letzte Medienbericht datiert ja aus dem Jahr 1998 – gezogen und zugleich gibt der Bericht Hinweise auf die Herausforderungen der Medien- und Kommunikationspolitik in den kommenden Jahren. Aus der Fülle der mit dem Medien- und Kommunikationsbericht vorgelegten Informationen möchte ich für die SPD-Bundestagsfraktion vor allem drei Themen aufgreifen, die Vielfaltssicherung, den Jugendmedienschutz und mögliche Gefährdungen wie Medien- und Onlinesucht.

    Wie ein roter Faden zieht sich die Vielfaltsicherung auch in der digitalen Welt durch den Medien- und Kommunikationsbericht. Notwendig ist auch in Zukunft die verfassungsrechtlich gebotene Vielfaltssicherung, die durch das Pressekartellrecht des Bundes und das Medienkonzentrationsrecht im Rundfunkstaatsvertrag der Länder sichergestellt wird. Dieses Grundmodell wirtschafts- bzw. wettbewerbsrechtlicher Regelungen einerseits und speziell auf die Meinungsvielfalt bezogener Bestimmungen andererseits hat sich nach gemeinsamer Auffassung von Bund und Ländern grundlegend bewährt. Reformbedarf bestehe jedoch insbesondere im Bereich des Medienkonzentrationsrechts der Länder, da dieses einseitig auf den Rundfunk fixiert sei und damit den komplexen Konvergenzentwicklungen nicht mehr gerecht werde. Bund und Länder prüfen derzeit die Möglichkeiten einer crossmedial orientierten Fortentwicklung der geltenden Bestimmungen, die auch die zunehmende Internationalisierung der Medienbranche deutlich stärker als bisher wird berücksichtigen müssen.

    Neben der gebotenen Vielfaltsicherung wird auch der Frage der Sicherstellung von Qualität in den Medien entscheidende Bedeutung zukommen, verbunden mit der Frage, wie diese seitens des Bundes gefördert werden kann. Wichtig sind hierbei vernünftige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und ergänzende Fördermaßnahmen. Auch das Urheberrecht – angepasst an die Herausforderungen der digitalen Welt - spielt für eine angemessene Finanzierung eines anspruchsvollen und qualitativ hohen Medienangebots eine zentrale Rolle. Als problematisch beschreibt der Bericht die Situation von Zeitungen und Zeitschriften, die zum Teil erhebliche Reichweiten- und Auflagenrückgänge sowie Einbußen bei Anzeigenerlösen hinnehmen müssen. Hinzu kommt, dass die Nutzung von Zeitungen und Zeitschriften bei jungen Menschen weit überproportional sinke. Hier sollte, neben dem Erhalt des Presse-Grosso, überprüft werden, ob weiterer Handlungsbedarf besteht.

    Und Medienkompetenz ist ein wichtiges Stichwort: Ein entscheidender, häufig unterschätzter Faktor für ein qualitativ anspruchsvolles Medienangebot ist die Stärkung der Verantwortung von Medienanbietern und -nutzern. Ein wichtiger Baustein ist hier zunächst die von uns im Jahr 2003 initiierte Verbesserung des Jugendmedienschutzes. Das Konzept der „regulierten Selbstregulierung“ wird als richtig bestätigt. Zudem wird die Bundesregierung die konkreten Ansatzpunkte des aktuellen Evaluationsberichts des Hans-Bredow-Instituts zum Jugendmedienschutz aufgreifen. Medienkompetenz ist die Schlüsselqualifikation in der Informations- und Kommunikationsgesellschaft und fördert die Befähigung von Menschen, sich in unserer von Medien durchdrungenen Welt kompetent zu integrieren und zu orientieren. Dabei geht es nicht nur darum, die verschiedenen, sich immer schneller entwickelnden Medienanwendungen zu kennen und technisch zu beherrschen. Angesichts der Vielzahl verfügbarer Quellen geht es vor allem auch um die Fähigkeit des kritischen Umgangs mit Informationen und Inhalten. Wichtig sind dabei auch der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten sowie die Kompetenz einzuschätzen, was sich durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Daten ergeben kann.

    Eine besondere Herausforderung für den Jugendmedienschutz sind gewalthaltige Computer- und Videospiele sowie jugendgefährdende und illegale Inhalte im Internet. Mit der am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Änderung des Jugendschutzgesetzes wurde ein Teil der Ergebnisse der Evaluation zum Jugendmedienschutz bereits umgesetzt. Ich habe gerade gestern zusammen mit dem Geschäftsführer der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) neue Alterskennzeichen vorgestellt, die jetzt viel klarer gefasst sind als bisher. Ich bin der Meinung, dass solche untergesetzlichen Initiativen viel wirksamer und nachhaltiger sind als wenn wir das Gesetz öffentlichkeitswirksam immer weiter verschärfen aber daraus gar keine Konsequenzen entstehen. Gesetzlich ist im Bereich des Jugendmedienschutzes alles vorhanden was man braucht. Es muss von den Ländern nur umgesetzt und vollzogen werden! Was aus unserer Sicht darüber hinaus wirklich nötig ist, ist eine nachhaltige Verbesserung der Medienkompetenz, die unabdingbar ist, um eine Digitale Spaltung der Gesellschaft in eine Info-Elite einerseits sowie Technikverweigerern und Modernisierungsverlierern andererseits zu vermeiden. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der von uns als SPD-Fraktion initiierte und inzwischen auf den Weg gebrachte „Deutsche Computerspielepreis“, der im März dieses Jahres zum ersten Mal vergeben wurde und der - nach dem Vorbild des Deutschen Filmpreises - Anreize für die Entwicklung hochwertiger und pädagogisch wertvoller Produkte schaffen und deren Verbreitung unterstützen.

    Die Nutzung elektronischer Medien kann auch mit problematischen gesundheitlichen und sozialen Konsequenzen verbunden sein. Wenn, was in jüngster Zeit zunehmend beobachtet werden kann, die Mediennutzung so exzessiv betrieben wird, dass sie letztlich nicht mehr selbst bestimmt ist, sind die Auswirkungen und Begleiterscheinungen den Symptomen anderer Suchterkrankungen vergleichbar. Das Ursache- und Wirkungsgefüge ist jedoch noch weitgehend unerforscht. Es spricht viel dafür, dass das Internet insoweit ein besonderes Gefährdungspotenzial hat, sodass auch von „Onlinesucht“, „Neuer Mediensucht“ oder „pathologischem Internetgebrauch“ gesprochen wird. Nach verschiedenen Studien gelten in Deutschland drei bis sieben Prozent der Internetnutzer als "onlinesüchtig" und ebenso viele als stark suchtgefährdet. Im Blickpunkt steht dabei die ausufernde Teilnahme an Onlinespielen oder Chats ebenso wie der übermäßige Konsum sexueller Inhalte. „Onlinesüchtige“ verbringen im Extremfall nahezu ihre gesamte Zeit (10 bis 18 Stunden pro Tag) mit derartigen Aktivitäten. In der Folge vernachlässigen sie ihre Umwelt mehr und mehr und beeinträchtigen oder verlieren dadurch ihre übrigen sozialen Kontakte. Mangels ausreichender wissenschaftlicher Expertise ist „Online- oder Neue Mediensucht“ aber bisher international noch nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Auch wenn es noch keine Statistiken zur Häufigkeit in der Bevölkerung gibt, ist der exzessive Internetgebrauch ein sehr ernst zu nehmendes Problem. Es bedarf zunächst vor allem einer vertieften Forschung zu Störungsbildern und der Entwicklung entsprechender diagnostischer Instrumente. Erst auf der Basis verlässlicher wissenschaftlicher Grundlagen lassen sich gezielte Präventionsmaßnahmen und Behandlungsmethoden entwickeln. Präventionsmaßnahmen müssen von staatlichen Einrichtungen und der Wirtschaft gemeinsam in Angriff genommen werden. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass nach Möglichkeiten gesucht wird, zu prüfen wie diese Forschungsdefizite schnellstmöglich abgebaut werden können und ob dieses Krankheitsbild von der WHO als Krankheit anerkannt werden sollte. Wir müssen dafür sorgen, dass den Betroffenen und ihren Angehörigen schnellstmöglich geholfen werden kann.

    Die Koalitionsfraktionen haben bei der abschließenden Beratung des Medien- und Kommunikationsberichtes im Ausschuss eine Entschließung eingebracht und angekündigt, die zahlreichen Handlungsempfehlungen aufzugreifen und hierzu zeitnah parlamentarische Initiativen zu initiieren. Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion sind dies insbesondere die Sicherstellung der verfassungsrechtlich gebotenen Vielfaltssicherung im Medienbereich und der Schutz der Kommunikationsgrundrechte sowie die Förderung von Qualität und Verantwortung von Medienanbietern und Nutzern als Grundprinzipien der Medien- und Kommunikationspolitik. Die FDP-Fraktion spricht in ihrem Antrag zum Medien- und Kommunikationsbericht vor allem die Sicherstellung der Kommunikations- und Mediengrundrechte an – vielleicht können wir als Medienpolitiker eine entsprechende Initiative nach der Bundestagswahl ergreifen.

    Gestatten Sie mir abschließend, auf die ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Anträge der Opposition zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzugehen. Grundsätzlich ist zunächst zu begrüßen, dass sich offensichtlich alle Fraktionen im Grundsatz dahingehend einig sind, dass es – gerade angesichts der im Medien- und Kommunikationsbericht beschriebenen Herausforderungen – ein öffentlich-rechtliches Medienangebot geben muss, wenn auch nicht über deren Umfang und Reichweite. So konstatiert zwar die Fraktion der FDP in ihrem Antrag, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland einen Pfeiler der modernen Informationsgesellschaft bildet und die mediale Grundversorgung der Bevölkerung mit einem qualitativ hochwertigen informierenden, bildenden, beratenden und unterhaltenden Programm absichert. Auf der anderen Seite fordert sie aber zugleich – trotz der Einigung zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung - eine Präzisierung der Vereinbarung dahingehend, die Aufgaben und Pflichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar zu definieren. Die Bundesregierung soll nach Auffassung gegenüber den Ländern für eine Evaluierung der Aktivitäten – vor allem auch mit Blick auf die Online-Aktivitäten – der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter eintreten und gegebenenfalls für eine Rückführung auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen sorgen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich dagegen – wie die beiden anderen Oppositionsparteien in ihren Anträgen immer für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingesetzt, dem es ermöglicht werden muss, die mit der Digitalisierung verbundenen Entwicklungspotenziale auf allen Übertragungswegen, also auch im Onlinebereich, uneingeschränkt zu nutzen.

    Leider ist es als Koalition – auch nach langen und schwierigen Verhandlungen - nicht gelungen, einen gemeinsamen Antrag zur "Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" auf den Weg zu bringen, weil die Unionsfraktion eine abgestimmte Fassung des Antrages zurückgezogen hat. Vorausgegangen waren dem Rückzug der Unionsfraktion Medienberichte, denen zufolge die Union mit diesem gemeinsamen Antrag einen Richtungswechsel in ihrer Medienpolitik vollzöge. Für die SPD-Bundestagsfraktion möchte ich nochmals mein Bedauern zu diesem Rückzug von der gemeinsam erarbeiteten Position ausdrücken, weil es damit - nach Jahrzehnten medienpolitischer Grabenkämpfe - gelungen wäre, nach der wichtigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einen "medienpolitischen Grundkonsens" über den Bestand und Erhalt sowie vor allem auch die Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu formulieren. Wir werden aber als Fraktion das Thema "Fortentwicklung der dualen Medienordnung in Deutschland" auch weiterhin auf die Tagesordnung setzen und uns auch weiterhin für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf allen Übertragungswegen als Garant von Vielfalt und Qualität stark machen.

    Vielen Dank