Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    31.08.2009

    Artikel: Beitrag für das Magazin KONTRA zu Internetsperren


    JA, ich bin für das im Juni vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen. Und NEIN, ich bin nicht für Internetsperren. Wie passt das zusammen? Dazu müssen wir noch einmal zurückblicken.

    Frau von der Leyen hat mit den größten Internetprovider noch während der Diskussion um die Regelungen im Deutschen Bundestag Verträge abgeschlossen, die Erweiterungen ohne einen öffentlichen, transparenten und demokratischen Gesetzgebungsprozess zulassen würden. In dieser Situation konnte ich als Abgeordnete nicht hinnehmen, dass Internetsperren auf einer solchen unkontrollierbaren und damit höchst fragwürdigen Grundlage durchgeführt werden. Mehrere Provider wie beispielsweise Vodafone hatten in Aussicht gestellt, die Sperren so schnell wie möglich realisieren zu wollen. Dies hätte ohne ein Gesetz völlig unüberprüfbar und unbegrenzt geschehen können, so dass für mich das Gesetz die deutlich bessere von zwei schlechten Alternativen war. Nur mit diesem konnte die ausgesprochen negative Wirkung der Verträge noch reduziert werden. Als Koalitionspartner konnten wir diese Verträge übrigens nicht verhindern. Im Koalitionsvertrag ist geregelt, dass parlamentarische Entscheidungen immer gemeinsam getroffen werden müssen, doch in ihrem Ministerium konnte Frau von der Leyen die Verträge schließen - allerdings auch deshalb, weil die Provider als Vertragspartner zugestimmt haben.

    Nach langen und intensiven Verhandlungen mit der Union konnten wir uns als SPD-Bundestagsfraktion mit allen unseren Änderungsforderungen durchsetzen und damit Regelungen schaffen, die äußerst restriktiv sind.

    Noch einmal zur Erinnerung. Folgende zentrale Änderungen haben wir erreicht:

    1. Wir haben das Gesetz als Spezialgesetz gefasst. Damit ist auch für die Zukunft klargestellt: Mit der SPD wird es keine Ausweitung des Gesetzes auf Bereiche wie Computerspiele, Glücksspiel oder urheberrechtliche Sperren geben.
    2. Es wird ein unabhängiges Expertengremium mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen eingesetzt. Eine unkontrollierte Sperrung und eine geheime Liste bei einer Polizeibehörde werden dadurch verhindert.
    3. Es wird keine Speicherung der Daten zum Zweck der Strafverfolgung geben. Damit braucht niemand Angst zu haben, wenn er oder sie aus Versehen auf eine kinderpornografische Seite kommt oder wenn versehentlich gesperrte Seiten aufgerufen werden.
    4. Löschen vor Sperren: Internetseiten werden nur dann gesperrt, wenn eine Löschung nicht erreicht werden kann.
    5. Das Gesetz ist von vornherein auf 3 Jahre befristet und läuft dann aus.

    Dass wir uns als SPD so weitgehend mit unseren Forderungen durchsetzen konnten, ist übrigens auch ganz klar auch ein Erfolg der Netz-Community. Deren massive Kritik hat die Befürworter der ursprünglich höchst problematischen Regelungen zurückgedrängt, so dass wir uns mit dem neuen Gesetzesentwurf durchsetzen konnten.

    Wenn ich nun sage, dass dieses entschärfte Gesetz notwendig war, um die negative Wirkung der unkontrollierbaren Verträge von Frau von der Leyen zu verhindern, folgt oft der Vorwurf, dass die Verträge vor dem Verfassungsgericht ohnehin keinen Bestand haben würden. Doch diese Kritik greift zu kurz. Richtig ist, dass sowohl die Verträge als auch das jetzige Gesetz auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden können – meiner Meinung nach so schnell wie möglich überprüft werden sollten. Nur können solche komplexen Entscheidungen bis zu mehreren Jahren dauern. Ich bin nicht bereit, die beschriebenen Risiken, die mit den Verträgen verbunden sind, bis zu einer eventuellen Gerichtsentscheidung zu tragen, sondern setze lieber dieses sehr viel vorsichtiger gestaltete Gesetz, dagegen. Da es zudem nach 3 Jahren automatisch ausläuft, werden künftige Regelungen es nicht nur von den Ergebnissen der Evaluation abhängig sein, sondern auch von der kommenden Regierung, die diese Ergebnisse beurteilen muss.

    Ich weiß, dass sich viele wünschen, es gäbe weder die Verträge noch das Gesetz. Doch nachdem die Verträge unwiederbringlich geschlossen waren, gab es keine Alternative mehr zu einer geordneten, entschärften rechtsstaatlichen Lösung. Ein Trost ist, dass wir als SPD, solange wir eine aktive Rolle in der Regierung spielen, sicherstellen können, dass keine Ergänzungen zu den Sperrverfügungen aufgenommen werden und dass das Gesetz in 3 Jahren sorgfältig und kritisch überprüft wird. Das ist und bleibt die klare Position der SPD, wie sie auch Hubertus Heil, der Generalsekretär der SPD und im Team Steinmeier verantwortlich für Neue Medien, in den letzten Tagen mehrfach deutlich gemacht hat.

    Eines wird bei der ganzen Diskussion um Internetsperren leider immer meist vergessen. Die wie auch immer ausgestaltete Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischem Material kann nur ein Baustein zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung sein. Wir als SPD haben zuletzt Anfang des Jahres Zeit einen umfangreichen 10-Punkte-Plan für ein umfassendes Maßnahmenprogramm vorgelegt. Doch zuständig ist und war die ganzen letzten Jahre Ursula von der Leyen. Aber bei ihr und der CDU fehlt ein Gesamtkonzept. Dabei muss gerade beim Opferschutz und bei der Täterverfolgung dringend mehr getan werden. Gleichzeitig sind insbesondere die Länder gefragt, die noch mehr Ressourcen zur Verfügung stellen müssen, damit die Täter dingfest gemacht werden können.