Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    24.02.2005

    Plenarrede zur AKP


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    heute liegt uns der 8. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik vor und ich bin froh, dass wir durch diesen Anlass endlich mal wieder in eine Debatte zu diesem wichtigen Thema kommen.

    Der Bericht ist wirklich gut gelungen. Anhand zahlreicher konkreter Beispiele bietet er einen Überblick über die aktuellen Schwerpunkte und langfristigen Ziele der deutschen Kultur- und Bildungspolitik im Ausland und hat bereits die Forderung aus unserem Antrag aufgenommen, auch aus den anderen Ressorts zu berichten.

    Es ist erfreulich, dass das Auswärtige Amt mit diesem Bericht bereits einen Teil der Forderungen realisiert hat, die heute mit dem Antrag von SPD und Grüne zur Abstimmung kommen. Das zeigt, wie sinnvoll die Debatte in den letzten Jahren war und, dass unsere Parlamentarische Arbeit hier Früchte getragen hat.

    Bevor ich auf einzelne Punkte des Berichts eingehe, will ich nochmals die Ziele der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik formulieren, von denen die einzelnen Maßnahmen abgeleitet sein müssen. Im Vordergrund steht natürlich die Wahrnehmung der kultur- und bildungspolitischen Interessen Deutschlands.

    Daneben wollen wir aber mit den zahlreichen, langfristig angelegten Maßnahmen auch die Vermittlung eines zeitgemäßen Deutschlandbildes erreichen. Gleichzeitig leisten wir durch den Wertedialog und den europäischen Integrationsprozess einen wichtigen Beitrag zur Konfliktprävention. Besonders wichtig ist mir dabei, dass wir durch den Dialog mit dem Islam auch Demokratie-Impulse in der islamischen Welt unterstützen und verstärken.

    Bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik stehen die Menschen im Ausland im Vordergrund. Das heißt, es geht hier nicht um die Arbeit zwischen den Regierungen, sondern um den Dialog Deutschlands mit anderen Kulturen und damit um die Zivilgesellschaft und deren Multiplikatoren - ob das nun ein Deutschkursangebot in Budapest, eine Ausstellung der bildenden Kunst in Beirut, eine Lesung mit Günter Grass in Kalkutta, das Afrika-Festival oder die Initiative „Bücher für den Irak“ ist.

    In der vorliegenden Bilanz wird deutlich, dass das Auswärtige Amt in seiner Kulturpolitik verstärkt Schwerpunkte gesetzt hat, auf die sich die Arbeit konzentriert.

    Das ist einerseits eine Möglichkeit, die konkrete Arbeit an wichtigen Stellen zu intensivieren, andererseits leider auch Folge der schwierigen finanziellen Situation. Seit fast 10 Jahren werden die Mittel immer weiter gekürzt. 2003 standen bei einem Gesamtetat von 552,4 Mio. Euro wiederum 8,1 Mio. Euro weniger als im Vorjahr zur Verfügung. Auch der Anteil am Bundeshaushalt sank auf nunmehr fast 0,2 Prozent. (1993: 0,27%; 2003: 0,23%)

    Glücklicherweise konnten wir gerade auch als Parlament erreichen, dass die AKP nicht als Subvention eingestuft wird, wie es das Koch-Steinbrück-Papier forderte. Denn Außenkulturpolitik kann nun wirklich nicht unter den Subventionsbegriff fallen. Und das muss auch so bleiben, denn es geht hier um nichts Geringeres als die Bedeutung unseres Landes für andere Länder und die Völkerverständigung und die Unterstützung von kultureller Vielfalt und demokratischer Entwicklung.

    Worauf konzentriert sich also die Arbeit der Auswärtigen Kulturpolitik, wo liegen die Akzente und wie sind diese zu bewerten?

    Der Bericht bringt gut zum Ausdruck, dass es ein zentrales Ziel ist, Deutschland als Bildungs- und Forschungsstandort weiter voranzubringen. Die 117 Auslandschulen (70.000 Schüler davon 53.000 nichtdeutsch) und die zahlreichen Lehrerentsendungsprogramme (an 370 Schulen) sind wichtige Instrumente, um außerhalb von Deutschland Kindern und ihren Eltern die Möglichkeit zu geben, eine besonders starke Beziehung zu Deutschland und seiner Kultur aufzubauen.

    Trotzdem: So gut die jetzige Arbeit auch ist, die Modernisierung unseres Auslandsschulwesens muss noch entschlossener angegangen werden. Die aktuellen Interessen unserer Kultur- und Bildungspolitik sollten hier weitaus stärker in die Arbeit einfließen, als sie es bisher getan haben. In gemeinsamer Arbeit von Parlament, dem Auswärtigen Amt und der Kultusminister-Konferenz wird ein umfassendes Konzept einheitliche Richtlinien und Ziele definieren.

    Im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Ländern ist Deutschland als Hochschulstandort weiter verbesserungsfähig. Die Attraktivität eines Studiums hier muss gesteigert werden, denn wer während dieser Zeit Beziehungen zu einem Land aufgebaut hat, den begleiten diese sein ganzes Leben.

    Wir haben auch durch verstärktes Hochschulmarketing und das Einwanderungsgesetz sowie durch die neuen englischsprachigen Studiengänge an deutschen Hochschulen einiges erreicht davon wird Kollege Tauss sicher noch berichten.

    Hier sind der Deutsche Akademische Auslandsdienst und die Alexander von Humboldt-Stiftung wertvolle Partner, durch die viel für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland getan wird und deren Alumni auch später als Botschafter für Deutschland in ihren Ländern wirken.

    Allerdings spielt genauso die Bildung im Inland eine große Rolle und das gerade, weil Geistes- Sozial und Kulturwissenschaften in vielen Bundesländern momentan von starken Kürzungen betroffen sind. Doch besonders hier werden auch die Experten ausgebildet, die dann in der internationalen Politik wichtige Funktionen übernehmen müssen. Ich glaube, nicht nur mir ist wichtig, dass an diesen sensiblen Stellen, wie der Krisenprävention, gut ausgebildete Fachleute arbeiten.

    Ich erinnere nur an das Sonderprogramm „Dialog mit dem Islam“, bei dem 27 junge Mitarbeiter aus den Fachbereichen der Islam-, Politik- und Sozialwissenschaften angeworben wurden.

    Ich bitte Sie alle, in Ihren Bundesländern mitzuhelfen. Später wird zu genau diesem Punkt hier im Plenum auch noch ein Antrag von SPD und Grünen diskutiert.

    Mit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik haben wir in der Vergangenheit bereits viel erreichen können. Eine besonders erfolgreiche Arbeit leisten dabei die 438 Goethe-Institute im Ausland. Im letzten Jahr kamen über 4,5 Mio Besucherinnen und Besucher zu den 16.000 angebotenen Veranstaltungen, was zusammen mit dem umfassenden Angebot an Deutschkursen zeigt, wie groß das Interesse an unserer Kultur im Ausland ist.

    Jetzt sollen viele Angebote, wie es in dem Bericht heißt, „angebotsorientiert“ laufen, sprich die Gebühren sollen kostendeckend sein.

    Aber wir stoßen an Grenzen der Budgetbelastung: Die Elternbeiträge an den deutschen Schulen, wo heute bis zu 70 Prozent Gastlandschüler sind, und die Gebühren an den Goethe-Instituten sind nicht überall steigerbar und wir müssen politisch überlegen, was uns die Arbeit in bestimmten Ländern wert ist.

    Den Kürzungen darf dabei nicht die Kulturarbeit in kleineren Ländern, wie Vietnam, den baltischen Staaten oder der Mongolei zum Opfer fallen. Hier besteht traditionell ein starkes Interesse an deutscher Kultur, dem wir nachkommen sollten, die anglo-amerikanischen Länder werben sehr aggressiv zum Beispiel um Studenten und Sprachschüler.

    An diesem Punkt muss man auch überlegen, ob es denn noch länger gerechtfertigt ist, dass die finanziellen Mittel der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu einem Viertel in der West-EU der 15 verbleiben. Ich denke, hier sollte man diskutieren, ob der Schwerpunkt nicht weiter nach Mittel- und Osteuropa, Asien, Lateinamerika und die Karibik sowie Afrika verschoben wird.

    Eine weitere Forderung aus unserem Antrag ist die stärkere Budgetierung der Mittlerorganisationen. Im Rahmen eines Pilotprojektes in Italien richtet das Goethe-Institut seit diesem Jahr dort den eigenen Haushalt flexibel an den Zielvereinbahrungen aus.

    Ich persönlich finde diesen Ansatz viel zu zaghaft und möchte ihn gern auf alle Goethe-Institute und Schulen ausdehnen und zwar mit der Eigenbewirtschaftung für das Komplettbudget.

    Wie viel damit gewonnen werden könnte, zeigt beispielsweise das Goethe-Institut in Bordeaux. Hier steht vor Ort soviel Platz im eigenen Gebäude zur Verfügung, dass das Institut diesen gern vermieten würde, was es jedoch nicht darf.

    Es ist doch viel sinnvoller, wenn die Mittlerorganisationen beispielsweise über solche Dinge selbst entscheiden können, denn so können sie flexibler kalkulieren und auch Geld einnehmen, das dann wieder in die Programmarbeit fließen kann. (Ganz abgesehen von der Frage, ob wir in Zeiten der Deutsch-Französischen Freundschaft und der europäischen Integration immer ein komplettes Goethe-Institut brauchen, wo vielleicht auch ein Goethe-Zentrum genügt.)

    Die wirtschaftliche Lage zwingt uns momentan zu Kürzungen in zahlreichen Politikfelder in Deutschland. Da wäre es unfair zu fordern, dass das für diesen Bereich nun gar nicht gelten dürfe. Aber abgesehen davon, dass die außenkulturpolitische Arbeit keinesfalls kaputt gespart werden darf, kommt es darauf an, dass wir nach weiteren Möglichkeiten suchen, wie wir die Arbeit vor Ort optimieren können. Dabei sehe ich in der Budgetierung eine große Chance, um die Mittlerorganisationen handlungsfähiger zu machen.

    In dem Bericht der Bundesregierung wird betont, dass zentraler Schwerpunkt auf der Krisenprävention und dem Euro-Islamischen Dialog liegt. Das ist gut und wurde ja auch mit zusätzlichen Mitteln von 5,1 Mio Euro 2002 und 2003 unterstützt. Im Rahmen des Stabilitätspakts Afghanistan kamen noch mal 9,2 Mio dazu. Ich will Ihnen hier ein Beispiel für die konkrete Arbeit hier geben:

    Seit Mai 2002 bietet das Goethe-Institut in Ankara in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft und dem türkischen Außenministerium Kurse für Imame an. Diesen islamischen Geistlichen die Deutsche Sprache und Kultur zu vermitteln, bevor sie in muslimischen Gemeinden bei uns predigen, ist wirklich eine erstklassige und sinnvolle Sache.

    In Afghanistan gibt es eine umfassende Kultur- und Bildungsarbeit. Das neue Goethe-Institut in Kabul (seit Sept. 2003), das Sonderprogramm zur Frauenförderung oder das Angebot der Deutschen Welle, das vom Alphabetisierungsprogramm bis hin zur Journalistenausbildung geht, sind nur einige Beispiele.

    Wie wichtig die Arbeit in ihrer Breite ist, sieht man zum Beispiel in der Einführung von Lesesälen, von denen inzwischen 56 in 24 Ländern eingerichtet wurden. Letztes Jahr hatte ich Gelegenheit, mit Frau Limbach den Lesesaal in Pjönyiang zu eröffnen. Wie wichtig es gerade in dieser Zeit ist, besonders in Nordkorea einen Anlaufpunkt für Studenten und Bürger zu haben, ist glaube ich jedem offensichtlich.

    Ich begrüße auch sehr, dass das Auswärtige Amt über 20 Buchmessen gefördert hat – so auch in China, leider nicht in Cuba, wo gerade der Kontakt mit der Bevölkerung auch besonders wichtig wäre.

    Natürlich spielt die Auswärtige Kulturpolitik auch in Hinblick auf die Europäische Ebene eine wichtige Rolle. Besonders durch Kooperationen mit unseren Europäischen Partnern können wir die Arbeit intensivieren. Dafür steht beispielsweise die gemeinsame Unterbringung des deutschen und des französischen Kulturinstituts in Moskau aber auch die gemeinsame deutsch-französische Einrichtung von Lesesälen im Ausland.

    Der Bericht der Bundesregierung zeigt, dass das Internet als eine großartige Chance für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik erkannt wurde. Das ist gut, denn mit den Online-Sprachlernprogrammen, der umfangreichen Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen oder der aktuellen Internetseite der Deutschen Welle in 30 Sprachen erreichen wir hier einen ganz neues und noch größeres Publikum.

    Ich will nocheinmal zusammenfassen, was wir mit unserem Antrag, der heute zur Abstimmung gestellt wird, fordern:

    Wir setzen uns für eine Stärkung der Auswärtigen Kulturpolitik, als integraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik ein. Wir fordern, dass die Haushaltmittel für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nachhaltig gestaltet werden müssen, dass die Budgetierung der Mittlerorganisationen vorangetrieben wird, Kooperationen beispielsweise über "öffentlich-private Partnerschaften" verstärkt werden und vor allem die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Mittlerorganisationen erhalten bleiben.

    In vielen Punkten scheinen Sie in der Opposition von unserer Position gar nicht so weit entfernt zu sein. Doch Ihr Antrag geht trotzdem in eine andere Richtung. Darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren, dem vorliegenden Antrag von SPD und Grüne zuzustimmen, denn er formuliert die richtigen Forderungen für eine nachhaltige Auswärtige Kulturpolitik.

    Das Interesse für Deutsche Kultur im Ausland ist eine Chance, die wir nicht vergeben dürfen. Wir müssen uns bewusst sein, dass die langfristigen Effekte, die aus der Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik resultieren, einen bedeutenden Anteil an der Völkerverständigung haben, Krisen verhindern und auch der Beziehung zwischen Deutschland und den Ländern sowie der wirtschaftlichen Lage helfen.

    In diesem Sinne beweist sich die Auswärtige Kulturpolitik gerade heute neben Außenwirtschaftspolitik, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik als gleichrangiger Bestandteil deutscher Außenpolitik und muss deswegen weiter gestärkt werden und im Kanon der Diskussion der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP) ein eigenes Standbein erhalten.