Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    10.02.2006

    Rede zur Aktuellen Stunde am 10. Februar

    Thema: Karikaturenstreit


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    vor zweieinhalb Jahren durfte ich bei der Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Kabul dabei sein. Obwohl die sehr große Zerstörung in Afghanistan das Leben der Menschen bestimmte, war das Interesse gigantisch. Besonders bewegend war, wie ein bayrischer Zitterspieler zusammen mit afghanischen Musikern auf traditionellen Instrumenten musiziert hat. Und das, nachdem in der sechsjährigen Herrschaft der Taliban überhaupt keine Musik gemacht werden durfte!

    Bei dem aktuellen Karikaturenstreit hat es auch in Kabul Demonstrationen gegeben. Im Unterschied zu anderen Orten verliefen sie aber friedlich. Das zeigt mir einmal mehr, dass wir mit unserem Ansatz des kulturellen Dialogs in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik auf dem richtigen Weg sind.

    Momentan werden die Muslime in den Medien viel zu sehr über einen Kamm geschoren. Man bekommt das Gefühl, eine Mehrheit der Muslime würde Gewalt als Mittel akzeptieren. Das ist nicht so!

    Nicht nur das Beispiel Kabul zeigt: es gibt viele gesprächsbereite Menschen in den islamischen Ländern und hier, die an einem Dialog ernsthaft interessiert sind. Und es gibt die, die zur Eskalation aufrufen, bei uns und dort. Deswegen teile ich auch nicht die Auffassung einiger Kolleginnen und Kollegen, dass „Multikulti“ (eine zu flapsige Beschreibung der „Vielfalt der Kulturen“) am Ende ist.

    Die Trennlinie verläuft nicht zwischen Europa und den Islamischen Staaten. Man kann sie nicht auf einer Landkarte einzeichnen. Stattdessen verläuft die Trennlinie zwischen den Menschen, die offen sind für den Dialog und denen, die ein Interesse an der Eskalation haben.

    Was sollten wir also tun?

    Anstatt den Konflikt rhetorisch weiter aufzuheizen, sollten wir um Deeskalation bemüht sein. Wir dürfen uns eben nicht von Fernsehbildern beeinflussen lassen, die immer nur einen Ausschnitt der Realität zeigen. Ansonsten beginnt man viel zu schnell, Muslime als mit Waffen bepackte und gewaltbereite Menschen abzustempeln.

    Wir können nur mit dem gegenseitigen Kennenlernen unserer verschiedenen Kulturen, unsere Normen und Werte, zu einer Verständigung kommen. Wir müssen also einen runden Tisch bilden, an dem die verschiedenen Kulturen und Religionen die Dinge darstellen, die ihnen wichtig sind und die sie bei den anderen stören.

    Die Grundlage aber muss immer klar sein. Die Menschenrechte gelten für alle. In ihnen sind auch Religionsfreiheit und Meinungs- und Pressefreiheit festgeschrieben. Selbst wenn diese auch Grenzen haben, so sind sie ein Bestandteil der Grundrechte, die für die ganze Welt gelten.

    Das müssen wir klar machen, ganz genauso wie wir deutlich machen müssen, dass Gewalt nicht zum Mittel werden darf. Wenn wir die Eskalation zulassen, dann treiben wir nur noch mehr Menschen in einen rückwärtsgewandten Prozess und schweißen sie zusammen. Dann schenken sie den Fanatikern Glauben, die einfache Lösungen bereitzuhalten scheinen.

    An einem runden Tisch haben wir die Chance, die anderen Kulturen besser kennenzulernen und sie zu verstehen. Dafür müssen wir aber auch unsere eigenen kulturellen Werte noch klarer machen. Und deswegen ist es auch richtig, mit einem Staatsziel Kultur im Grundgesetz genau zu formulieren, was für uns wichtig ist und ebenso die Landeszentralen für politische Bildung zu stärken und nicht abzuschaffen.

    Auch die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist ein Baustein für Konfliktprävention. Der nach dem 11. September eingerichtete „Europäisch-Islamische Kulturdialog“ hat immer weiter an Bedeutung gewonnen.

    Neben einem Goethe-Institut in Kabul finden zum Beispiel Radioprojekte für Jugendliche, Stipendienprogramme für irakische Studierende, Projekte zur Förderung der Gleichstellung der Frau oder die Aktion „10.000 Bücher für den Irak“ statt. Das erfolgreiche Programm „Deutschunterricht für türkische Imame“ zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit und der Dialog mit Imamen in der deutschen Innen- und Außenpolitik sind.

    Mit großem Engagement arbeiten viele am „Europäisch-Islamischen Kulturdialog“. Es wird überdeutlich, dass wir auch die Kompetenz derjenigen, die für den Kulturdialog arbeiten und ihn ermöglichen, fördern müssen. Das heißt ganz konkret, die Orchideenfächer also Studiengänge wie Islamwissenschaften müssen ausgebaut und nicht abgebaut werden. Denn die Absolventen dort kennen sich in Sprache und Kultur aus. Sie können sensibel genug den Dialog führen und uns helfen Brücken zu bauen.

    Vielen Dank