Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    02.02.2007

    Plenumsrede zum Antrag Goethe-Institut

    Kabul zeigt: Auswärtige Kulturpolitik hat positive Wirkung


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Vor zweieinhalb Jahren durfte ich bei der Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Kabul dabei sein. Obwohl die sehr große Zerstörung in Afghanistan das Leben der Menschen bestimmte, war das Interesse gigantisch. Besonders bewegend war, wie ein bayrischer Zitterspieler zusammen mit afghanischen Musikern auf traditionellen Instrumenten musiziert hat. Und das, nachdem in der sechsjährigen Herrschaft der Taliban überhaupt keine Musik gemacht werden durfte.

    Dieses Beispiel gibt einen Eindruck davon, welche positive Wirkung die auswärtige Kulturarbeit haben kann. „Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“. Das hat Johann Wolfgang von Goethe gesagt und er hat Recht. Nicht zuletzt gilt das in politischer Hinsicht. Wo offizielle Politik oft nicht weiterkommt, da können wir mit dem Mittel der Kultur viel erreichen.

    Das Goethe-Institut spricht nicht elitären Kreis an, sondern erreicht die Menschen in ihrem Alltag. Jährlich sind das weltweit 13 Millionen und zusätzlich 8 Millionen über Internet. Ich glaube, das unterstreicht sehr beeindruckend die Bedeutung des Goethe Instituts als größte Mittlerorganisation in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.

    Dieser Bedeutung geben wir in dem heutigen Antrag Ausdruck. Wir wollen damit das Goethe-Institut für die Zukunft auf starke und sichere Beine stellen. Finanziell haben wir es mit 13,5 Millionen Euro mehr ab diesem Jahr bereits gestärkt und inhaltlich tun wir es nicht zuletzt durch diesen Antrag. Wir haben viele wichtige und zukunftsweisende Punkte und Forderungen in den Antrag aufgenommen. Ich will an dieser Stelle nur auf einige wenige eingehen, die besonders wichtig sind.

    Zunächst bin ich wirklich froh, dass mit der Budgetierung ein sehr wichtiges und überfälliges Element der Stärkung endlich kommen wird. Ab 2008 soll sie für das Goethe-Institut weltweit gelten. Ich kann die Jahre kaum noch zählen, die ich mich zusammen mit Lothar Mark und anderen schon dafür einsetze. Erst durch dieses Instrument wird modernes und flexibles Management wirklich effektiv möglich. Das Auswärtige Amt arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut in diesen Wochen die Zielvereinbarungen als Grundlage dafür aus. Für die Zukunft fordern wir allerdings noch mehr von der Regierung. Es müssen ein flexiblerer Stellenplan und auch ein modernes Liegenschaftsmanagment ermöglicht werden.

    Das gesamte Neukonzept verlangt eine weitreichende Neustrukturierung, die an nicht wenigen Stellen auch einschneidend sein wird. Trotzdem geht das Goethe-Institut mit ganzer Energie an diese Arbeit. An dieser Stelle gilt mein besonderer Dank den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesen Monaten sehr viel Arbeit vor sich haben und die auch schwierige Entscheidungen wie den Abbau der Zentrale oder die Evaluierung der einzelnen Standorte mittragen müssen. Das sollten wir alle wirklich wertschätzen.

    Wir müssen das Goethe-Institut bei der anstehenden Reform unterstützen. Es darf nicht so sein, dass Politik, Presse und Öffentlichkeit das Konzept zwar jetzt begrüßen, es dann aber bei jedem drohenden Einschnitt wieder in Frage stellen. Ich glaube, es braucht auch unser aller Vertrauen in den Vorstand und die Mitarbeiter des Goethe-Institutes bei diesem schwierigen Prozess.

    Es ist zum Beispiel sehr wahrscheinlich, dass Italien umstrukturiert werden muss. Das bedeutet nicht, dass Institute rundherum geschlossen werden. Sondern es bedeutet in erster Linie, dass die Präsenzen so umgebaut werden, dass vor Ort auch nur das angeboten wird, was jeweils sinnvoll ist. Das heißt, es muss nicht immer ein Vollinstitut sein, in dem alles angeboten wird. Es können auch nur ein Lesesaal, ein Infozentrum oder angebotene Sprachkurse sein. Egal wie die jeweilige Präsenzform aussieht, es ist auf jeden Fall immer mit einem Raum und Mitarbeitern des Goethe-Instituts vor Ort verbunden.

    Erste Schritte der Neustrukturierung sind bereits sichtbar. Mit einem Teil der zusätzlichen Haushaltsmittel können nicht nur zwei Vollinstitute eröffnet werden, sondern es entstehen verschiedenste neue Präsenzformen: 4 in Indien, 8 in China, 13-14 in der islamischen Welt.

    Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Projektmittel. Sie sind das Herz der kulturellen Arbeit. Und gerade weil diese über die Jahre immer weiter zurückgefahren wurden, müssen wir uns hier in Zukunft weiter engagieren. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Das Institut in Addis Abeba ist neben Nairobi das einzige in ganz Mittel-Ost-Afrika. Hier stehen nur 43.600 Euro Projektmittel im Jahr zur Verfügung. Davon werden aber auch die Spracharbeit oder alle Anschaffungen für die Bibliothek bezahlt. Da bleibt wirklich kaum noch etwas für die Künste übrig.

    Dabei sind Projektmittel nicht nur in kultureller Hinsicht zutiefst rentabel. Auf jeden Euro, den wir hier ausgeben kommen weitere drei Euro durch Sponsoring.

    Hier muss sich etwas ändern, denn der kulturelle Dialog über die Künste gehört nach wie vor zur Kernkompetenz des Goethe-Instituts. Deswegen fordern wir in unserem Antrag, dass Projektmittel eine zentrale Säule sein müssen und dass es möglichst keine Einzelzuweisungen gibt, sondern die kulturelle Eigenständigkeit von Goethe erhalten bleibt. In der Politik können wir die Rahmenbedingungen schaffen - die Kunstfreiheit muss aber trotzdem gewahrt bleiben.

    Die neuen außenpolitischen Schwerpunkregionen, die in dem Konzept beschrieben sind, werden uns noch länger begleiten. Es ist Illusion zu glauben, dass wir einen zwei Jahre Geld in die Region stecken und damit schon nachhaltig wirken könnten. Stattdessen geht es darum, mit den unterschiedlichen Instrumenten, von denen das Goethe-Institut eines ist, die positiven Entwicklungen in den Regionen über viele Jahre zu unterstützen und mitzugestalten.

    Ein gutes Beispiel ist Afghanistan, wovon ich auch zu Anfang berichtet habe. Hier hat die Deutsche Welle über Jahre im afghanischen Fernsehen RTA ein internationales Nachrichtenprogramm aufgebaut. Viel gelobt und sehr erfolgreich wurde die Arbeit im letzten Jahr an die Afghanen übergeben, die es eigenständig weiterführen. In der letzten Woche wurden wir erschreckt von der Nachricht, dass Najib Roshan, der Intendant von RTA aus Protest gegen die Politik des neuen Kultur- und Informationsministers zurückgetreten sei.

    Der neue Minister gehört einer eher rückwärtsgewandten bis fundamentalistischen Partei an, unter dem eine freie Medienpolitik sehr viel schwieriger werden wird. Ich war froh zu hören, dass die Arbeit, die die Deutsche Welle in das afghanische Nachrichtenprogramm gesteckt hat nicht umsonst war. Gestern gab es Entwarnung. Auch der neue Minister steht dazu.

    Ein anderes wichtiges Projekt, das Deutschland zusammen mit Frankreich und England vorantreibt, steht jetzt allerdings in den Sternen. Die Deutsche Welle, die englische BBC und die französische RFI wollten den Sender zu einer öffentlich-rechtlichen Struktur bringen. Erst solch eine Struktur brächte die Pressefreiheit und die Meinungsvielfalt in Afghanistan wirklich ein großes Stück voran. In der momentanen Situation geht es allerdings eher rückwärts als vorwärts. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns. Und dabei geht es um drei Dinge.

    Erstens muss der Einfluss von offizieller Seite stark bleiben. Allerdings merken wir alle, wie schnell die Bemühungen zwischen Regierungen an ihre Grenzen stoßen, sobald ein Minister wie auch in Afghanistan das Gefühl bekommt, der westliche Einfluss sei zu groß.

    Zweitens müssen wir gerade deswegen unsere kultur- und medienpolitischen Bemühungen, die auf zivilgesellschaftlicher ablaufen verstärken. Hier können wir wirklich nachhaltig und unabhängig von Regierungen wirken.

    Und Drittens sind diese Anstrengungen oft nur gemeinsam zu bewältigen. Es ist also Aufgabe, die wir europäisch angehen müssen. 600 Millionen Euro stellt Europa als Strukturmittel für Afghanistan zur Verfügung. Dabei sind allerdings keine Mittel für Medienprojekte vorgesehen. Das zeigt: Der Stellenwert von Auswärtiger Kultur-, Medien- und Bildungspolitik muss noch weiter steigen.

    Nicht nur das Goethe-Institut, sondern auch wir selbst haben viel vor uns. Franz Walter Steinmeier hat das mit seinem wichtigen Engagement für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik selbst schon sehr deutlich gemacht. Auch wir im Parlament werden die Arbeit des Goethe-Instituts inhaltlich intensiv weiter begleiten und müssen dafür wohl auch in den kommenden Haushaltsverhandlungen den einen oder anderen Euro zum Beispiel bei den Projektmitteln locker machen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, wir ziehen dabei auch in Zukunft bei diesem Thema so wie heute weiterhin an einem gemeinsamen Strang.

    Vielen Dank