Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    02.07.2007

    Redebeitrag zum Seminar Europäische Identität und kulturelle Vielfalt

    Deutsch-Französische Initiativen für eine europäische Kulturpolitik


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr verehrte Gäste,

    Ich freue mich Sie heute zu unserem Seminar zum Thema „Europäische Identität und kulturelle Vielfalt“ begrüßen zu dürfen. Mit der heutigen Veranstaltung möchten wir an die erfolgreiche Arbeit der deutsch-französischen Arbeitsgruppe anknüpfen und die Ergebnisse des Zwischenberichtes einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.

    Zunächst möchte ich einige Worte an unsere Gastgeber von der Friedrich-Ebert Stiftung richten und mich auf diesem Wege herzlich dafür bedanken, dass wir heute in den Räumen des Berliner Büros der Friedrich-Ebert-Stftung zusammen kommen können.

    Liebe Gäste, das Thema Europa liegt uns allen sehr am Herzen. Wir haben nicht zuletzt in den vergangenen Tagen und Wochen gesehen, dass es immer noch sehr starke Differenzen auf der politischen Ebene zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gibt. Der Weg hin zur Schaffung einer europäischen Identität ist steinig. Die Basis einer europäischen Identität kann nur in der Wahrung der kulturellen Vielfalt Europas liegen. Kunst, Bildung und Kultur sind die zentralen Bereiche, auf die sich eine europäische Kulturpolitik konzentrieren muss. Wie wir wissen, ist Europa kein statisches Gebilde, sondern ein politisches und gesellschaftliches Instrument, das auf neue Herausforderungen reagieren muss. Es ist unsere historische Pflicht, ein noch handlungsfähigeres und vielfältigeres Europa zu stärken als dies bislang der Fall war. Diese Erkenntnis bestimmte ebenfalls die Arbeit der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zum Thema „Kulturelle Vielfalt in Europa“. Lassen Sie mich kurz einige Worte über die Arbeit unserer bilateralen Arbeitsgruppe sagen:

    Die Präsidien des Deutschen Bundestages und der Assemblée Nationale hatten während ihrer gemeinsamen Präsidiumssitzung im Frühjahr 2005 beschlossen, eine bilaterale Arbeitsgruppe zum Thema „Kulturelle Vielfalt in Europa“ einzurichten. Aufgrund der vorgezogenen Wahlen in Deutschland konstituierte sich die Arbeitsgruppe im September 2006 bei ihrer ersten Anhörung in Berlin und legte die Themen für die Folgesitzungen in Paris, Berlin und Brüssel fest. An jeder Sitzung nahmen Experten aus den Bereichen Kultur, Bildung und Medien teil, so dass die Arbeitsgruppe sich ein genaues Bild der Situation in den einzelnen Bereichen machen und konkrete Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten konnte. Lassen Sie mich kurz auf die wichtigsten Punkte eingehen, von denen unsere Diskussionen bestimmt wurden:

    1. Sitzung in Berlin, 28./29.09.2006:

    1. Multilaterale Ansätze zum Schutz der kulturellen Vielfalt
    2. Wahrung der kulturellen Vielfalt in der AKBP Deutschlands und Frankreichs
    3. Deutsch-französischen Kulturprojekte
    4. Möglichkeiten zur kontinuierlichen Förderung kultureller sprachlicher Vielfalt in Europa finden

    2. Sitzung in Paris, 04./05.10.2006:

    1. Einfluss der neuen Medien auf die kulturelle Vielfalt
    2. Europäische Kooperationen im Fernseh- und Filmbereich
    3. Öffnung der bilateralen Zusammenarbeit in Film und Fernsehen gegenüber Drittstaaten (Modell ARTE)

    3. Sitzung in Berlin, 6./7.11.2006 :

    1. Linguistische Vielfalt und Mehrsprachigkeit in Europa
    2. Sprachenpolitik in Deutschland und Frankreich
    3. Möglichkeiten zur kontinuierlichen Förderung der sprachlichen Vielfalt in Europa
    4. Filmförderung in Deutschland und Frankreich
    5. Möglichkeiten zur besseren Unterstützung von europäischen Filmproduktionen

    4. Sitzung in Brüssel, 07.12.2006:

    1. Anpassung des Urheberrechts an die digitale Welt
    2. Digitalisierung europäischer Bibliotheken
    3. Zukunft der EU-Fernsehrichtlinie
    4. Aktivitäten der EU im Bereich Kultur- und Bildungspolitik

    Als Ko-Vorsitzende der deutsch-französischen Arbeitsgruppe möchte ich betonen, dass sich alle Mitglieder der Arbeitsgruppe in einem Punkt einig sind: Meinungsfreiheit, Medienpluralismus, gleicher Zugang zu Kunst, wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen sowie die Zugangsmöglichkeiten aller Kulturen zu den Ausdrucks- und Verbreitungsmitteln sind wesentliche Garanten kultureller Vielfalt. Unser Ziel muss es sein, die kulturelle Vielfalt in Europa zu fördern und zu bewahren. Die Stärke Europas liegt in seiner kulturellen Diversität und ist ein, wenn nicht sogar das wesentliche Werteelement der Europäischen Union. Unser Ziel sollte daher die Entstehung einer europäischen Identität sein.

    In diesem Zusammenhang haben wir in der Arbeitsgruppe festgestellt, dass auch in Zukunft großer Gesprächsbedarf auf dem Gebiet der Zusammenarbeit besteht, um die kulturelle Vielfalt in Europa zu bewahren und auszubauen. Die deutsch-französischen Beziehungen können und dürfen nicht exklusiv bleiben. Sie müssen sich auch im Bereich Kultur, Kunst, Bildung und Medien noch stärker ihren europäischen und nicht-europäischen Nachbarn öffnen, als dies bisher der Fall war.

    Die Sitzungen der deutsch-französischen Arbeitsgruppe waren nicht zuletzt motiviert von der Überzeugung, dass Meinungsfreiheit, Medienpluralismus, gleicher Zugang zu Kunst und wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen und die Zugangsmöglichkeiten aller Kulturen zu den Ausdrucks- und Verbreitungsmitteln wesentliche Garanten kultureller Vielfalt sind. Dies gilt vor allem für die kulturelle Vielfalt in der Europäischen Union: Wir sind der Meinung, dass ein Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Prinzipien des Binnenmarktes und den kulturellen Anliegen Europas nicht nur wünschenswert, sondern auch unbedingt erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für die kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen. Sie sind zugleich Träger von Identitäten und Werten, und in diesem Sinne können sie nicht nur auf ihre Rolle als Verbrauchsgüter oder gewerbliche Dienstleistungen reduziert werden.

    Als besonders wichtiges Thema erwies sich die Frage nach dem Einfluss der neuen Medien auf die kulturelle Vielfalt; ein Schwerpunkt war außerdem die Erörterung neuer Wege bei der Förderung des Films (z.B. die Gründung eines europäischen Filmverleihs als Gegengewicht zu den amerikanischen Verleihen sowie die Angleichung der europäischen Filmförderungssysteme) und europäischer Multimedia-Produktionen vor dem Hintergrund der neuen globalen technischen und ökonomischen Entwicklungen.

    Insbesondere die Reform des Urheberrechts und die Stärkung des Anspruchs der Urheber auf eine angemessene Vergütung ihrer Werke bei Vervielfältigung sind ein wichtiges Anliegen unserer Arbeitsgruppe. Die Unterstützung der Kooperation im Fernsehsektor soll ebenfalls weiter ausgebaut werden, z.B. durch die Zusammenarbeit des Fernsehsenders Arte mit anderen Rundfunkpartnern innerhalb und außerhalb der EU.

    Hinzu kam außerdem das komplexe und vielschichtige Thema der sprachlichen Vielfalt in Europa. Wir plädieren dafür, das Erlernen zweier lebender Fremdsprachen im Rahmen der Schulausbildung obligatorisch zu machen und die sprachliche Vielfalt in den europäischen und internationalen Organisationen zu wahren.

    Wir wollen es nicht beim vorliegenden Zwischenbericht, der im Rahmen der diesjährigen gemeinsamen Präsidiumssitzung des Deutschen Bundestages und der französischen Assemblée Nationale am 14. Februar 2007 in Paris vorgestellt wurde, belassen. Vielmehr wollen wir aufbauend auf den Ergebnissen der bilateralen Arbeitsgruppe mit dem heutigen Seminar eine breitere Öffentlichkeit in unsere Diskussionen einbeziehen. Wir wollen Ideen sammeln und Konzepte entwickeln, die insbesondere die jüngere Generation Europas ansprechen sollen. Die europäische Kunst- und Kulturgesellschaft leistet bei der Entstehung einer europäischen Identität und des Gefühls der Zusammengehörigkeit einen entscheidenden Beitrag. Europa braucht auch oder insbesondere im 21. Jahrhundert einen intensiven und langfristig angelegten Dialog zwischen seinen vielfältigen Kulturen.

    In diesem Sinne freue ich mich, Sie heute zu unserem Seminar begrüßen zu dürfen und wünsche uns allen eine interessante und anregende Diskussion.

    Vielen Dank!