Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    11.12.2007

    Vorstellung der Right Livelihood Foundation und von Dipal Barua (Grameen Shakti)

    Rede aus der Niederlassung Berlin der KfW Förderbank


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Guten Abend,

    ich freue mich, dass wir heute die Gelegenheit zu einem Gespräch in der KfW gefunden haben. Als stellvertretende Vorsitzende der Right Livelihood Foundation möchte ich mit Ihnen darüber sprechen, was wir vom Right Livelihood Award machen, welches unsere Ziele sind und warum wir uns in diesem Jahr dafür entschieden haben, die Firma Grameen Shakti aus Bangladesh mit einem der vier Alternativen Nobelpreise auszuzeichnen. Ich freue mich besonders, heute stellvertretend für die Firma Grameen Shakti Herrn Dipal Barua begrüßen zu dürfen. Dear Dipal, thank you very much for being with us!

    Wenn ich auf das Jahr 2007 zurückblicke, dann hat uns wohl kaum ein Thema mehr beschäftigt als der Klimawandel. Und das nicht erst, seitdem Al Gore für seinen Film „Die unbequeme Wahrheit“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist! Wie können wir den Klimawandel aufhalten? Wie können wir uns im Alltag möglichst umweltfreundlich verhalten? Was unternehmen Politik und Wirtschaft für den Klimaschutz? All' das sind Fragen, auf die wir alle eine Antwort finden wollen und müssen, egal ob wir nun in Dhaka, Bombay, Stockholm oder Berlin sind.

    Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind keine Wohlfühlthemen! Wir können es uns nicht leisten, untätig abzuwarten, sei es nun auf politischer oder zivilgesellschaftlicher Ebene! Ich bin davon überzeugt, dass wer an kleinen Rädern dreht, kann auch viel bewegen. Das gilt besonders für den Klimaschutz. „Thinking globally, acting locally“ lautet die Devise. Wer ein konkretes Projekt vor Ort umsetzt, trägt nachhaltig zur Friedenssicherung auf unserem Planeten bei. Das zeigen nicht zuletzt die Preisträger des Right Livelihood Award.

    Häufig werde ich gefragt, wie wir den Frieden angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit sichern können. Ich kann nur sagen: Schauen Sie sich den Alternativen Nobelpreis an und dann wissen Sie, wie man nachhaltig etwas für den Frieden und mehr Gerechtigkeit tun kann. Die Preisträger leisten einen ganz wichtigen Beitrag zu mehr Bildung, mehr Teilhabe und mehr Bewusstsein für Zusammenhänge. Sie sind manchmal erfolgreicher, als das eine Regierung sein kann. Das macht die Arbeit der Preisträger des Right Livelihood Award auch so wertvoll.

    Wir zeichnen seit 1980 Personen oder Vereinigungen mit dem Alternativen Nobelpreis aus, die sich leidenschaftlich für eine gute Sache engagieren und sie voranbringen. Dabei kommen Menschenrechtsprojekte genauso zum Zug, wie Projekte aus dem Umweltschutz, der Landwirtschaft, Kultur, Bildung oder Technologie. Denn, wie gesagt, was wir tun oder was wir nicht tun, wirkt sich auf das ganze Netz der verschiedenen Bereiche aus.

    Mein guter Freund und Begründer der Right Livelihood Foundation, Jakob von Uexküll, hat es einmal auf den Punkt gebracht: Warum sollen wir mit Problemen leben, die wir lösen können? Es sind die Preisträger des Right Livelihood Award, die uns diese praktischen und beispielhaften Antworten auf die dringenden Herausforderungen unserer Zeit geben. Diesen Menschen ein größeres Gehör zu verschaffen, sie international bekannt zu machen, dass ist das Ziel des Alternativen Nobelpreises.

    Bisher haben wir 123 Preisträgerinnen und Preisträger aus mehr als 50 Ländern ausgezeichnet. Es sind Menschen, die uns Jahr für Jahr zeigen, was wir erreichen können, wenn wir eine Vision haben und danach handeln. Sie alle sind Beispiele für Mut, Weitsicht und Tatendrang. Es sind Menschen, die Hoffnung machen, dass zukünftige Generationen in Frieden leben, in einer intakten Umwelt und mit Werten auch jenseits materieller Konsumgüter. Es können genauso gut kleine, aber effektiv arbeitende Organisationen aus der so genannten Dritten Welt sein wie ein bekannter Wissenschaftler aus den Industriestaaten.

    Ich möchte zwei kurze Beispiele herausgreifen, die sehr deutlich machen, was aus privatem Engagement erwachsen kann. So hat beispielsweise Wangari Maathai 1984 den Alternativen Nobelpreis für ihren Green Belt Movement bekommen. Das ist eine große Wiederaufforstungsinitiative, mit der innerhalb von wenigen Jahren Millionen Bäume angepflanzt wurden, Baumschulen und Arbeitsplätze entstanden. Begonnen hat die Idee der Wiederaufforstung in der Frauenarbeit in Kenia, in der Wangari Maathai aktiv war. Die Baumpflanzungen sollten die Umwelt schützen und die Lebensbedingungen von Frauen verbessern. Innerhalb von wenigen Jahren wurden Millionen Bäume angepflanzt, es entstanden Baumschulen und Arbeitsplätze. Die Bewegung riss in Kenia zahlreiche Farmer mit, die ebenfalls Bäume auf ihrem Land pflanzten. Später übernahmen andere afrikanische Länder wie Tansania, Uganda oder Äthiopien das Konzept.

    Ein ganz anderes Projekt haben die Gründer des Festival Internacional de Poesía de Medellín in Kolumbien auf die Beine gestellt. Im vergangenen Jahr haben wir die Begründer des Festivals mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Früher war Medellín eine der gefährlichsten Städte der Welt. Straßenkämpfe und Bandenkriege standen auf der Tagesordnung, die Menschen trauten sich nicht mehr auf die Straße. Die Idee des Festivals ist so blendend wie einfach: Öffentliche Gedichtvorträge und Theateraufführungen sollen die Menschen wieder auf die Straße locken. Seit 1991 findet nun jedes Jahr das zehntägige Festival statt. Mit dieser wunderbaren Initiative hat sich die Bevölkerung die Straßen von Medellín „zurückerobert“. Das Festival ist heute ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Kolumbien. Jahr für Jahr kommen mehr als 80 Dichter aus über 50 Nationen in Medellín zusammen, um gemeinsam friedlich gegen Gewalt und Hass zu demonstrieren. Und die Gewalt ruht in dieser Zeit! Medellín ist heute ein Symbol für Vielfalt, Demokratie und Zivilcourage - und das über die Staatsgrenzen Kolumbiens hinaus.

    Sie sehen: So unterschiedlich und vielfältig die Themen sind, die unsere Welt bewegen, so vielfältig sind auch die Preisträger des Alternativen Nobelpreises. Und auch unsere diesjährigen Preisträger machen davon keine Ausnahme! Warum haben wir das Team von Grameen Shakti mit dem Alternativen Nobelpreis 2007 ausgezeichnet? Dafür gibt es viele gute Gründe. Das Wort „Shakti“ bedeutet „Kraft“ auf Bengali. Der Name ist Programm, denn die Kraft, mit der sich das Team um Dipal Barua für mehr Gerechtigkeit und mehr Teilhabe in Bangladesh einsetzen, ist wirklich einzigartig und bemerkenswert.

    Ich möchte Ihnen nur mal ein Beispiel dafür nennen, wie wichtig die Arbeit von Grameen Shakti ist: Heute haben zweieinhalb Milliarden Menschen, so schätzen Experten der Internationalen Energieagentur IEA, haben keinen Zugang zu moderner und sauberer Energie. Vor allem in den ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerika heizen und kochen die Menschen mit Holz oder Ernteabfällen. Und das führt häufig zu gesundheitlichen Schäden: Etwa 1,5 Millionen Menschen sterben jährlich an Erkrankungen, die auf Luftverschmutzung und Vergiftung zurückgehen. Allein in Bangladesh, ein Land, das immer wieder von Zyklonen und Überschwemmungen heimgesucht wird und mit am stärksten vom Klimawandel betroffen ist, haben 70% der Bevölkerung keinen Zugang zu Energie. Nicht nur in Bangladesh, sondern auch in anderen Ländern Südostasiens müssen dringend Lösungen für das Energieproblem gefunden werden. Und genau hier greift Grameen Shakti ein.

    Das Unternehmen Grameen Shakti gibt es seit 1996. Ihnen dürfte die Grameen Bank ein Begriff sein, deren leitender Direktor Mohamed Yunus ist, und die 2006 den Friedensnobelpreis für Kleinstkredit-Programme in Entwicklungsländern bekommen hat. Grameen Shakti ist ein Tochterunternehmen der Grameen Bank. Es ist ein Non-Profit-Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, auch in die entlegensten Dörfer Bangladesh erneuerbare Energien zu fördern. Zusammen mit der Grameen Bank hat Grameen Shakti hierfür ein eigenes Kreditkonzept ins Leben gerufen. Die Ärmsten in der Bevölkerung werden selbst zu Eigentümern so genannter Solar-Home-Systems (SHS). Bis Juni 2007 hat Grameen Shakti mehr als 120.000 dieser Solar-Home-Systems in über 30.000 Dörfern aufgebaut. Von Monat zu Monat werden es immer mehr. Momentan sind es 4000 Anlagen, die monatlich in Bangladesh ans Netz gehen.

    Bis 2015 wollen Dipal Barua mehr als eine Millionen Solar-Home-Systems in Bangladesh installieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber ich bin mir sicher, dass Sie mit Ihrem Engagement und Ihrem Ehrgeiz dieses Ziel erreichen werden, lieber Dipal Barua. Wir wollen Ihnen mit dem Preis Rückenwind geben!

    Die Firma Grameen Shakti hat gezeigt, wie durch schnelle und massive Verbreitung von Solartechnik eine kostengünstige und klimafreundliche Energieversorgung für die arme dörfliche Bevölkerung realisiert werden kann. In Tausenden bangladeschischen Dörfern hat das Team von Grameen Shakti dafür gesorgt, dass die Bewohner nachhaltig mit Energie versorgt werden und über ausreichende Beleuchtung verfügen.

    Das unterstützt nicht nur die Produktivität der Menschen, sondern verbessert gleichzeitig die Gesundheit und fördert Bildung. Mehr und mehr Schulen nutzen die Solar-Home-Systems für die Beleuchtung der Klassenzimmer. Menschen können nun mit ihren Verwandten in anderen Regionen Bangladesh oder im Ausland telefonieren, da sie dank der Solar-Home-Systems die Möglichkeit haben, die Batterie ihres Mobiltelefons aufzuladen. Das sind ganz einfache, alltägliche Beispiele, die ohne das Engagement von Dipal Barua nicht möglich wären!

    Die Schlagwörter Bildung und Teilhabe sind weitere wichtige Gründe, warum wir Grameen Shakti dieses Jahr mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet haben. Bei der Projektplanung und Durchführung wird die Dorfbevölkerung nämlich aktiv miteinbezogen. Dazu hat Grameen Shakti ein Netzwerk von Technikzentren geschaffen, wo die Nutzer des Solar-Home-Systems lernen, wie sie die Energie am besten nutzen oder das Gerät reparieren.

    Dipal Barua und sein Team treffen den Nerv der Zeit. Denn sie helfen die Umwelt zu schützen, Ressourcen zu schonen und dadurch Probleme wie Armut oder Nahrungsmangel zu lösen, soziale Konflikte zu minimieren und Frieden zu sichern. Das hat Dipal Barua auf seiner Ebene getan, und dafür möchte ich ihm ganz herzlich danken.

    Besonders positiv finde ich, dass die Technikzentren größtenteils von weiblichen Ingenieuren geleitet werden, die wiederum Frauen als Solartechnikerinnen ausbilden. Derzeit gibt es 7 solcher Zentren, weitere 30 sollen in den nächsten Jahren entstehen und 2000 weibliche Techniker ausgebildet werden. Ich finde, dieses Konzept wirklich ganz wunderbar, denn es ist ein Weg, der „von unten“ Bewusstsein schafft, Perspektiven öffnet, Gleichberechtigung stärkt und so den Frieden sichern hilft.

    Wir wissen, dass ohne bezahlbare Energie, die Ressourcen, die Umwelt und Gesundheit schont, dem Kreislauf aus Armut, Krankheit und Stagnation nicht zu entkommen ist. Die Menschen im Kampf gegen Armut mit Energie zu versorgen, ihnen einen Weg aus der Armut zu zeigen und ihnen langfristig eine Perspektive zu geben, dafür verdient das Unternehmen Grameen Shakti höchste Anerkennung! Das Beispiel Grameen Shakti führt uns vor Augen, wie zwei unentbehrliche Bausteine unseres globalen Systems, unsere landwirtschaftlichen Ressourcen und unser globales Klima, noch zu retten sind. Das nenne ich zukunftsweisende, ressourcenschonende und soziale gerechte Unternehmenspolitik!

    In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals betonen, wie wichtig ich es finde, dass Grameen Shakti so starken Rückhalt von der Bevölkerung hat. Ich halte es für unglaublich wichtig, dass das Projekt aus eigener Motivation entstanden ist und von den Menschen vor Ort weitergetragen wird. Länder wie Bangladesh wollen die eigenen Probleme in eigener Verantwortung lösen. Das wird seit einigen Jahren immer deutlicher formuliert. Diese Ansätze wollen wir vom Right Livelihood Award aktiv unterstützen.

    Gerade in Zeiten des Klimawandels wird immer wieder gesagt, dass Entwicklungsländer ins „Klimaschutz-Boot“ geholt werden müssen. Die Industriestaaten müssten mit gutem Beispiel vorangehen. Aber gerade das haben sie lange Zeit nicht getan. Ganz im Gegenteil. Jahrzehntelang haben wir den so genannten Dritte-Welt-Ländern vorgemacht, wie man es nicht machen soll, wie man natürliche Ressourcen ausbeutet und die Umwelt zerstört. Wie soll man diesen Ländern heute sagen, dass sie unsere Fehler nicht wiederholen dürfen? Ganz sicher nicht, indem wir mit erhobenen Zeigefinger auf sie zugehen.

    Es sind gerade die kleinen Projekte vor Ort, die effizienten Klimaschutz betreiben und langfristig das Bewusstsein der Menschen ändern. Deshalb sollten wir ökologisch und sozial sinnvolle Projekte wie Grameen Shakti noch stärker fördern als bisher. Das gilt auch für die Regierungsebene! Ich denke, dass die KfW, genau das macht!

    Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, als Bundestagsabgeordnete und ehemalige Umweltministerin Niedersachsens abschließend noch einige kurze Worte zur deutschen Klimaschutzpolitik zu sagen. Ich bin sehr froh, dass der Deutsche Bundestag im Haushalt für 2008 insgesamt 120 Millionen Euro für internationale Klimaschutzinitiativen beschlossen hat.

    Die Hälfte dieser Mittel soll in eine nachhaltige Energieversorgung, beispielsweise in Projekte zur Nutzung von Biogas oder zur Gebäudesanierung investiert werden. Die andere Hälfte soll den Ländern helfen, wo der Klimawandel bereits heute erhebliche Schäden verursacht hat. Projekte zum Gewinn von Trinkwasser oder die Vergabe von Mikrokrediten an Kleinbauern stehen dabei im Mittelpunkt.

    Ich denke, dass wir mit dieser Umweltpolitik, die ja auch gleichzeitig Entwicklungspolitik ist, auf dem richtigen Weg sind. Denn ohne diese „Hilfe zur Selbsthilfe“ können Entwicklungsländer Investitionen in den Klimaschutz nicht aufbringen. Nur, wenn es in Ländern wie der Heimat von Dipal Barua eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung gibt, die nicht auf Kosten der Umwelt geht, haben die Menschen dort eine wahre Chance, der Armut zu entkommen.

    Jemand hat einmal gesagt: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusehen, ist, sie zu gestalten.“ Wenn ich mir Grameen Shakti und all' die anderen Preisträger des Right Livelihood Award ansehe, dann bin ich optimistisch für die kommenden Generationen. Vielleicht kennen Sie, liebe Gäste, auch das ein oder andere Projekt, das nachhaltig zu Frieden, Sicherheit und mehr Gerechtigkeit beiträgt. Dann lade ich Sie ganz herzlich ein, einen Vorschlag für den Alternativen Nobelpreis 2008 bei unserer Stiftung in Stockholm einzureichen. Wir vom Right Livelihood Award freuen uns über sinnvolle und nachhaltige Projekte und werden diese auch in Zukunft mit unseren Mitteln und Fähigkeiten und mit bestem Wissen und Gewissen unterstützen.

    Vielen Dank.