Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    06.03.2009

    Plenumsrede zum Sprachtest bei Ehegattennachzug


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    seit der Reform des Zuwanderungsgesetzes von 2007 wird der Nachweis von einfachen Deutschkenntnissen verlangt, wenn ein Ehepartner zu ihrer oder seiner Familie nach Deutschland ziehen will. Ich gebe offen zu, dass ich in der Debatte um das gesamte Zuwanderungsgesetz an so manchen Punkten Bauchschmerzen hatte. Es ist zweifellos wichtig, Maßnahmen zu treffen, damit sich Einwanderer besser in Deutschland integrieren können. Doch man darf nicht auf zu rigiden Regelungen bestehen, die die für Deutschland und die deutsche Gesellschaft wichtige und notwendige Zuwanderung eher verhindern als befördern.

    Herausgekommen ist ein Koalitionskompromiss, der durch Mitwirkung von uns als SPD moderater und zuwanderungsfreundlicher ausgefallen ist als er das ohne uns gewesen wäre. Aus diesem Grund fällt es mir aber auch nicht schwer, einzugestehen, dass ich die Sprachtests, auf denen die Innenpolitiker der Union damals bestanden haben, für keine gute Regelung halte.

    Immerhin muss man zugestehen: ein weiterführender, positiver Effekt dieser Sprachkurse ist inzwischen belegt. Eine Umfrage beim Goethe-Institut in Ankara hat ergeben, dass 82 Prozent der Sprachschüler nach bestandener Prüfung weiter Deutsch lernen wollten, obwohl immerhin 66 Prozent die Prüfung ohne das Gesetz nicht abgelegt hätten.

    Trotzdem glaube ich, die gewünschte Integration lässt sich auch anders und vor allem weniger repressiv realisieren. In einem Punkt stimme ich dem Antrag der FDP zu. Die Sprachtests sind überall da nicht verpflichtend, wo Abkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten bestehen. Für Bürger der europäischen Union wäre so ein Sprachtest wegen der garantierten Freizügigkeit rechtswidrig und ebenso bestehen bilaterale Abkommen mit anderen Staaten.

    Auch ich empfinde diesen Zustand als Ungleichbehandlung und kann mir kaum vorstellen, dass dieser konkrete Punkt vor Gerichten Bestand hätte. Trotzdem werden wir als SPD dem Antrag nicht zustimmen können, weil schlicht mehrere Fehler darin enthalten sind.

    Zum Beispiel ist die Rede davon, dass der Besuch eines Sprachkurses vor der Prüfung vorgeschrieben sei. Das ist schlicht falsch. Wie Ehegatten diese Sprachkenntnisse erwerben, ist ihnen völlig freigestellt. Nur die Prüfung ist verpflichtend. Wenn aber bei der Antragsstellung einfache Deutschkenntnisse für den Konsulatsmitarbeiter bereits erkennbar sind, dann ist gar kein Sprachnachweis notwendig.

    Und eine weitere falsche Behauptung im Antrag: wenn durch Krankheit oder Behinderung der Ehegatten, solche eine Prüfung unzumutbar ist, dann besteht sehr wohl nach dem Ausländergesetz ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, so dass solche eine Prüfung erst gar nicht vorausgesetzt wird.

    Lieber Herr Leibrecht,
    ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie als Abgeordneter der FDP das schwere Los haben, immer, überall und ohne Rücksicht auf Verluste den freien Wettbewerb hochzuhalten. Aber bei diesem Beispiel ist das nur bedingt sinnvoll.

    Es ist richtig: momentan wird grundsätzlich nur das Sprachzertifikat des Goethe-Instituts anerkannt. Es wird jedoch daran gearbeitet, verstärkt andere gleichwertige und zuverlässige Zertifikate weiterer Anbieter zuzulassen. Für die Prüfungen, haben wir mit dem Goethe-Institut einen Partner, der die hohe Qualität auch wirklich verlässlich garantieren kann. Welche Anbieter von Zertifikaten das in gleichem Maße gewährleisten können, muss man sich eben sehr genau anschauen.

    Sie können sich denken, dass es bei solchen Zertifikaten leider eine sehr hohe Missbrauchsmöglichkeit gibt, den man ausschließen muss. Wir können nun wirklich kein Interesse daran haben, dass überall Mauscheleien und Fälschungen um diese Sprachtest herum passieren. Ich will keinen weiteren Visa-Untersuchungsausschuss, weil Bedenken an den Zertifikaten laut werden.

    In Regionen, in denen es übrigens weder ein Goethe-Institut noch einen Lizenznehmern gibt, der die Prüfung abnehmen kann, werden die Deutsch-Kenntnisse an den Auslandsvertretungen mithilfe eines Handbuchs selbst festgestellt. Damit wird gewährleistet, dass das Zertifikat auch überall erlangt werden kann.

    Sie sehen aber nicht zuletzt an diesem Punkt, dass sowohl das Auswärtige Amt als auch das Goethe-Institut bei den Sprachtests vor sehr große Herausforderungen gestellt sind, die sie gemessen an den Schwierigkeiten wirklich sehr gut erfüllen. Das wird auch daran deutlich, dass die Ehegatten, die vor dem Sprachtest einen Kurs vom Goethe-Institut und nicht von einem anderen Anbieter besucht haben, mit viel größerer Wahrscheinlichkeit auch das Zertifikat erlangen.

    Ein letzter Punkt aus dem Antrag, zu dem ich etwas sagen will.

    Darin wird beschrieben, dass sich durch den Sprachnachweis die Bearbeitungsdauer des Visumverfahrens verlängert hätte. Das ist jedoch eine sehr individuelle Frage, die der jeweilige Bearbeiter der deutschen Vertretung entscheiden muss. Wenn es möglich ist, nimmt der Bearbeiter bereits jetzt schon die Visumanträge der Ehegatten an, um mit der Bearbeitung zu beginnen, auch wenn der Sprachnachweis noch fehlt. In diesem Fall kann der ganz normale Beantragungsprozess schon laufen, während der Antragssteller noch Deutsch lernt.

    Es bleibt allerdings gar nichts anderes übrig, als diese Entscheidung nach Ermessen zu fällen, denn zum Teil sind manche Dokumente der Antragssteller nur mit sehr viel Aufwand zu prüfen. Wenn dann gar nicht wahrscheinlich ist, dass das Sprachzertifikat vorgelegt werden kann, würde die sofortige Bearbeitung die Auslandsvertretungen über Gebühr belasten. Und wenn nach mehreren Monaten das Zertifikat immer noch nicht vorgelegt werden kann, wie lange soll dann eigentlich den Antragstellern hinterher telefoniert werden?

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    Sie sehen, die Praxis der Sprachtest ist bei weitem nicht so einfach wie sich das manche bei der Ausarbeitung des Zuwanderungsgesetzes 2007 vorgestellt haben. Man kann aber generell klar sagen, dass sich die Auslandsvertretungen und die Goethe-Institute ständig um Verbesserungen bemühen und gemessen an der schwierigen Situation gute Arbeit machen. Deswegen kann ich der Kritik der FDP in wichtigen Punkten auch nicht zustimmen und deswegen werden wir als SPD den Antrag auch ablehnen.

    Vielen Dank