Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

Archiv

Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

Archives

On this website you find information about my work as member of parliament (1998 - Oct. 2009)

Curriculum Vitae english Curriculum Vitae français Curriculum Vitae spanish Curriculum Vitae russian Curriculum Vitae chinese

    01.09.2006

    Thema Computerspiele auf der Medienwoche Berlin Brandenburg


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Die Games-Convention ist gerade mit 183.000 Besuchern zu Ende gegangen. Ein voller Erfolg, denn selbst die Veranstalter haben nicht mit solch einem großen Ansturm gerechnet.

    Es waren nicht einfach mehr Besucher, sondern diese kamen auch in einer anderen Zusammensetzung als in den Jahren zuvor. 42 Prozent waren über 20 Jahre alt. Und was mich besonders gefreut hat: rund 17 Prozent des Publikums bestand dieses Mal aus Besucherinnen.

    Dieses steigende Interesse von Frauen und Mädchen scheint selbst so manchen Hersteller etwas zu verunsichern. Ich denke da beispielsweise an ein auf der Games-Convention präsentiertes Spiel, bei dem es darum ging, um die Wette Beinhaare zu entwachsen. Ist das wirklich das, womit sich die Spielerinnen identifizieren? Ich hoffe nicht. Aber das nur als kleine Anmerkung.

    Insgesamt gesehen, ist das gestiegene Interesse von Älteren und von Mädchen und Frauen eine rundum gute Nachricht für die Branche und deren Image.

    Denn spätestens diese Entwicklungen widerlegen ein von so Manchem gern gepflegtes Vorurteil. Computerspiele stehen eben nicht für ein unbedeutendes Hobby von ein paar minderjährigen, männlichen Stubenhockern / Freaks / Nerds. Stattdessen steigt die gesellschaftliche Bedeutung von Computerspielen immer weiter und die Branche ist allein aus wirtschaftlicher Sicht mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro in Deutschland zu einer Größe geworden, die selbst die Filmindustrie übersteigt.

    Trotz dieses nicht nur finanziellen, sondern in vielen Bereichen auch qualitativen Erfolges leidet die Branche immer noch unter einem negativen Image, das auch von Teilen der Politik gepflegt wird.

    Ein Anlass zur Diskussion gab die lapidare und unreflektierte Forderung eines „Verbots von Killerspielen“ im Koalitionsvertrag. Als langjährige Computerspiele-Fürstreiterin muss ich kaum verhehlen, dass ich es für fährlässig halte, was da von einigen CDU-Abgeordneten im Alleingang im Koalitionsvertrag verankert wurde.

    Wir SPD-Kulturpolitiker sind da völlig anderer Meinung und können und werden dieser pauschalen Formulierung nicht unterstützen, so dass diese Forderung keine Relevanz in der Zukunft bekommen wird.

    Trotz allem wird die Diskussion um die so genannten „Killerspiele“ immer wieder aufgewärmt und gerade auch von der Presse gern herangezogen. Deswegen will ich auf die verschiedenen Standpunkte noch einmal einen genaueren Blick werfen.

    Ich stimme nicht denjenigen zu, die 1:1 eine Verbindung zwischen extreme Gewalt beinhaltenden Computerspielen und Gewalttaten von Spielern sehen. So etwas wie das, was 2002 an der Erfurter Schule passierte, kann eben nicht einseitig und völlig verkürzt mit einem Ego-Shooter wie „Counter-Strike“ erklärt werden. Stattdessen sind solche Gewalttaten Resultat von einer Vielzahl von Faktoren.

    Allerdings halte ich differenzierte Studien wie zum Beispiel die von Prof. Christian Pfeiffer für glaubwürdig und bedenkenswert. Es ist schon etwas `dran, wenn er sagt, dass exzessives Spielen eben nicht nur „dick, dumm und traurig“ mache, sondern auch die Aggression steigere.

    Ich sehe wie Pfeiffer die Gefahr, dass die Spieler durch die alltägliche virtuelle Gewalt auch in der Realität abstumpfen. Dafür gibt es auch in der Praxis Beispiele. Nicht umsonst wurde der Ego-Shooter „Doom“ bei den US-Streitkräften für das Training der Marines genutzt, um die natürliche Tötungshemmnis abzutrainieren.

    Doch Studien offenbaren nicht nur negative Auswirkungen, die aus dem zu hohen Konsum gerade von Computerspielen mit extremer Gewalt herrühren. Es gibt eben auch Untersuchungen, die belegen, dass Computerspiele wertvoll sein können, indem sie beispielsweise wichtige, in der Arbeitswelt benötigte Fähigkeiten wie Teamfähigkeit, Stressresistenz, Führungsstärke, strategisches Denken oder Konzentrationsfähigkeit fördern.

    In erster Linie sollten wir Computerspiele und die Entwicklung aus dieser Sicht und damit als Chance begreifen. Natürlich müssen wir gleichermaßen die Gefahren, die gerade aus exzessivem Konsum entstehen können, möglichst gering halten, so wie das auch bei Filmen oder anderen Medien geschieht.

    Im Hinblick auf den gesetzlichen Kinder- und Jugendschutz sehe ich bei der gut funktionierenden Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) momentan keinen Anlass zur Sorge. Dieser Meinung ist auch die Bundesregierung, die in diesem Sinne vor wenigen Wochen auf eine kleine Anfrage der Opposition antwortete.

    Darin wurde klargestellt, dass die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle im letzten Jahr von insgesamt 2.686 geprüften Spielen 60 Prozent ganz ohne Alterbeschränkung beziehungsweise ab 6 Jahre freigeben konnte. Nur 30 Spielen wurde wegen Jugendgefährdung keine Alterfreigabe erteilt. Wenn ich das negative Image mit diesem Ergebnis vergleiche halte ich das eher für eine gute und beruhigende Bilanz. Aufgrund dieser Zahlen wird auch von der Bundesregierung kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Strafgesetzbuch gesehen.

    Das soll nicht heißen, das Thema würde aus politischer Sicht in Zukunft weniger wichtig. Ganz im Gegenteil! Neben der familiären und gesellschaftlichen Verantwortung von Eltern oder Lehrern ist auch der Einsatz der Politik für einen durchsetzungsfähigen Jugendschutz und dessen Einhaltung nötig.

    Zunächst bin ich allerdings froh, dass langsam die negative Killerspieldebatte vom Tisch zu sein scheint. Das gibt uns die Möglichkeit wieder stärker für eine Förderung der so stark expandierenden und an Bedeutung gewinnenden Computerspiele-Branche zu kämpfen.

    Mit einer Prototypen-Förderung macht Hamburg auf Länderebene seit kurzem vor, wie so eine Förderung ganz konkret aussehen kann. Mit 100.000 Euro zinslosem Darlehen können Entwicklerstudios die ersten Arbeiten an einem neuen Projekt verwirklichen. Dabei ist es richtig, dass es in den Förderrichtlinien heißt: „Gewalt verherrlichende oder verharmlosende, pornografische, volksverhetzende oder Spiele mit rassistischem Inhalt sind explizit von der Förderung ausgeschlossen“

    Meine Damen und Herren,

    ich plädiere schon lange dafür, mit Fördermodellen der Computerspiele-Branche den Anschluss an den Weltmarkt zu ermöglichen. Die Diskussion um eine bessere Filmförderung ist schon lange und intensiv im Gange. Im Juli hat der Bundeskulturstaatsminister ein neues Förderkonzept vorgestellt, das wir bald im Bundestag diskutieren und umsetzen wollen. Solch eine starke Diskussion wünsche ich mir in der Bundeskulturpolitik ebenso für die Computerspieleförderung. Es müssen konkrete Fördermaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Damit haben wir die Chance, zu ermöglichen, dass die Hersteller in Deutschland für die stark globalisierte internationale Computerspiele-Industrie zum wichtigen Partner werden.

    Ich hoffe, wie auch die Games-Convention wird auch die Medienwoche und das Regio Summit noch mehr zum besseren Verständnis der Branche in der Öffentlichkeit beitragen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Veranstaltung und viel Erfolg.

    Vielen Dank