Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    27.01.1999

    Aktuelle Stunde, 27.1.1999


    Der Notenwechsel mit Frankreich stellt eine Verwaltungsvereinbarung zwischen beiden Ländern dar. Beide Staaten haben durch die Wahl der Form des Verwaltungsabkommens zu erkennen gegeben, daß sie den innerstaatlichen Gesetzgeber nicht binden wollen. Schon 1993 wurde in einem Gutachten festgestellt, das ich in Vorbereitung der ersten Konsensgespäche in Auftrag gegeben habe, daß die Verträge die Bundesregierung nicht hindern, "...Gesetzesinitiativen zur Änderung des Atomgesetzes zu ergreifen". Das hat die niedersächsische Landesregierung dann auch in den Beratungen des Bundesrates zur Atomgesetznovelle getan. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die "...Rechtsfolgen im Ergebnis den Verträgen widerlaufen..." würden.

    Die innerstaatliche Gesetzesinitiative ist "...völkerrechtlich nicht relevant...".

    Die Koalitionspartner haben sich, wie Sie alle wissen, in den Koalitionsvereinbarungen auf einen Ausstieg aus der Kernenergie festgelegt und sind im Übrigen auch von den Wählerinnen und Wähler dazu beauftragt worden, dieses politische Ziel verfolgen. Die Forderungen nach Schadensersatz unserer französischen und britischen Nachbarn sind die eine Seite; wir sind dennoch ein souveränes Staatswesen und müssen in der Lage sein, unsere Politikziele erstens zu formulieren und zweitens durchzusetzen. Beschlüsse unserer gesetzgebenden Organe sind durch die Vereinbarungen ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Natürlich spielen bei diesen Fragen zwei Komponenten eine wichtige Rolle: der Faktor Zeit und der Stil.

    Ein zweiter Punkt: In den Verträgen zwischen EVUs und Wiederaufarbeitungsanlagen wird ausdrücklich diesem Recht der Regierungen zugestimmt. Akte von Regierungen und "anderen Organen mit Gesetzeskraft", also auch einem Parlament, werden in den Abkommen als "force majeure", teilweise ungenau übersetzt als "höhere Gewalt", definiert, die zu einer Unterbrechung des Abkommens führen. Keine der Parteien ist dann für "finanzielle oder andere Konsequenzen" verantwortlich. Ich habe in diesem Zusammenhang auch mit dem französischen Botschafter diese Frage erörtert, der auch sieht, das in ordentlichen Gesprächen zwischen Frankreich und Deutschland in einem Zeitraum zwischen 3 und 5 Jahren einvernehmliche Lösungen zwischen Deutschland und Frankreich gefunden werden.

    Der Bundeskanzler hat in dieser Woche erneut Gespräche mit den EVU geführt und gestern haben die Konsensgespräche mit den Energieversorgern begonnen. Sie haben signalisiert, daß sie einen Ausstieg akzeptieren werden und selbst versuchen, die Vertragsänderungen in die Wege zu leiten. Es kommt jetzt darauf an, den Verträgen entsprechend Möglichkeiten zu Lösungen zu finden.

    Denn eins ist klar:
    Der Ausstieg muß sein und der Stopp der Wiederaufarbeitung ist zwingend. Allein durch die Wiederaufbereitung des Atommülls ver26facht sich die Menge des radioaktiven Mülls, denn es gibt auch keine Verwertungsmöglichkeiten; Schnelle Brüter existieren weder in Frankreich noch in Deutschland und MOX-Elemente sind bei einem Auslaufen der Kernenergie auch nicht mehr nötig. Außerdem vergrößert die Wiederaufarbeitung die Menge der Transporte. Wenn wir uns das politische Ziel des Atomausstieges gegeben haben, dann müssen wir die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen beachten. Und das werden wir tun!

    Natürlich ist es nicht so, daß die Verträge und die Vereinbarung einfach einseitig außer Kraft gesetzt werden können und sollen. Wichtig ist, daß wir mit unseren französischen und britischen Partnern das Problem offen ansprechen und wir uns an einen Tisch setzen. Die veränderten Bedingungen müssen in Ruhe verhandelt werden.

    Ich denke, daß innenpolitisch in den Gesprächen mit den EVU Lösungen gefunden werden, außenpolitisch werden wir mit Frankreich und Großbritannien weiterhin die guten Beziehungen pflegen, die wir seit Jahrzehnten haben.

    Die Abkommen sprechen meines Erachtens eine klare Sprache, auf deren Grundlage weiterhin verhandelt werden muß. Es besteht kein Grund, dies in Zweifel zu ziehen.

    Und noch eins: Die USA haben bereits seit langem kein neues AKW gebaut, weil diese Energieform nicht wirtschaftlich, England hat Probleme mit der Privatisierung aus den selben Gründen; die neue WAA THORPE ist gegen den Widerstand der AKW-Gegner gebaut worden, aber mit Mitteln aus der BRD. Sie arbeitet technisch nicht zufriedenstellend und trägt zur Belastung der irischen See bei. Leukämiefälle sind dort an der Tagesordnung. Die Folgerung ist: Wir müssen schnellstens zu einem Konsens mit den EVUs kommen, wir brauchen schnell Anträge sowie die Genehmigung für die Zwischenlager an den AKWs, um die Transporte zu vermeiden und der Rücktransport sowie die Einzelheiten der Vertragsänderung mit den WAA muß mit den Ländern Frankreich und England im Einzelnen besprochen werden.

    Ich bin sicher, daß wir das nach den ersten Aufgeregtheiten in Ruhe aber mit Bestimmtheit tun werden und zu konsensualen Lösungen mit allen Beteiligten kommen.