Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    17.07.2000

    Rede: Treffen mit frz. KulturreferentInnen und Vertretern frz. Kulturinstitute


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Elemente für eine Rede der Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, Frau Monika Griefahn, MdB, anläßlich eines Treffens mit frz. KulturreferentInnen und Vertretern frz. Kulturinstitute:

    Meine verehrten Damen und Herren,
    liebe Kolleginnen, Kollegen und Freunde,

    wir befinden uns hier im Kreis von Experten für auswärtige Kulturpolitik, ich möchte daher sofort in medias res gehen.

    Welche Herausforderungen stellen sich der auswärtigen Kulturpolitik entwickelter Industriestaaten wie Frankreich und Deutschland durch die Globalisierung? Kann es in Europa zukünftig nicht nur eine GASP geben, sondern auch eine Gemeinsame Auswärtige Kulturpolitik? Wie müßte sie formuliert sein? Auf nationaler Ebene: Gibt es Anknüpfungspunkte für ein stärkeres gemeinsames Agieren der auswärtigen Kulturpolitiken unserer Länder? Sollen wir unsere Energien auf nicht wegzuredende Konkurrenzen auf dem internationalen Bildungsmarkt richten oder auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Synergieeffekte? Wie muß die Auslandskulturarbeit strukturiert sein oder eventuell umstrukturiert werden, um Erfolg zu haben?

    Ein ganzer Strauß von Fragen. Ich hoffe, dass wir hierzu eine intensive Diskussion führen werden.

    Ein Kernsatz des kürzlich von meiner Fraktion im Deutschen Bundestag eingebrachten Entschließungsantrags zur Auswärtigen Kulturpolitik lautet: "Die Begegnung der Kulturen ist die Chance des 21. Jahrhunderts."
    Es handelt sich dabei um eine der Chancen, die man nicht ausschlagen kann, ohne massive Probleme zu bekommen. Es gibt Rufer, die das Gegenteil beschwören. Samuel Huntington hat 1993 mit seinem "clash of civilizations" den Teufel an die Wand gemalt. Ich halte zwar seine Zukunftsaussichten für zu düster und pessimistisch. Aber seine Widerlegung kann schwerlich aus Nichtstun erfolgen, sondern sie muß aktiv erarbeitet werden. Die Antwort liegt in einer Stärkung der auswärtigen Kulturpolitik als integralem Bestandteil unserer Außenpolitik.

    Vielleicht war es ein Fehler oder Versäumnis, Globalisierung lange Zeit vornehmlich durch die Brille der Politik oder der Wirtschaft zu betrachten. Aber es hat einen Lernprozeß gegeben. Heute wird immer klarer, dass viele ihrer Wirkungen und Folgen unter kulturellem Vorzeichen stehen. Wir beobachten, dass die traditionelle Bindekraft von Nationalstaaten durch Globalisierungsprozesse abnimmt. Was liegt näher, als eigene Identität verstärkt auf kultureller Basis zu suchen und zu definieren, z.B. anhand der Ethnie oder der Religion. Industrialisierte Staaten verbreiten die bei ihnen vorherrschenden Lebensformen weltweit. Das ist an sich nichts Schlimmes. Aber Andere fühlen sich hierdurch in ihrer eigenen kulturellen Identität bedrängt oder gar bedroht und reagieren mit Abwehr. Und damit meine ich nicht die große Zahl mehr oder weniger friedlicher Demonstranten, die sich aus völlig unterschiedlichen Motiven gegen das zusammenschließen, was sie negativ unter Globalisierung verstehen, wie in Genua am vergangenen Wochenende oder vorher in Seattle, Prag, Nizza, Göteborg. Kultur und kulturelle Eigenschaften können nicht per se als friedlich gelten. Unterschiedliche Auffassungen über kulturelle Aspekte werden häufig auf geradezu fundamentalistische Weise ausgetragen. Manche Beobachter der Globalisierung meinen denn auch, Kultur sei stärker als Spaltpilz denn als Magnet oder friedlich einigendes Band zu definieren.

    Umso wichtiger ist heute der interkulturelle Dialog. Mit gutem Grund wurde das Jahr 2001 von den Vereinten Nationen zum Jahr des Dialoges zwischen den Kulturen gekürt. Dahinter steht die feste Überzeugung, dass ein tieferes interkulturelles Verständnis und die Achtung anderer Kulturen eine entscheidende Voraussetzung für die Verhinderung von Konflikten ist - innerstaatlich ebenso wie zwischenstaatlich. Ein malaysischer Delegierter sagte bei der Verabschiedung der entsprechenden Resolution im Jahre 1998, es gehe darum, "bounteous crossroads" zu schaffen, Straßenkreuzungen sozusagen, auf denen man miteinander ins Gespräch kommen kann. Der Begriff "Toleranz" muß eine ganz wichtige Rolle spielen - sowohl im eigenen Kulturverständnis als auch in der internationalen Begegnung.

    Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland ist seit langem dem Gedanken des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen verpflichtet. Ihre Austausch- und Förderprogramme unterstützen das gegenseitige Kennenlernen und den Dialog einer Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Alters- und Bildungsstufen. Sie wirken langfristig und nachhaltig. Die Auswärtige Kulturpolitik, so legt es die im vergangenen Jahr verabschiedete Konzeption ausdrücklich fest, orientiert sich an den allgemeinen Zielen der deutschen Aussenpolitik - Förderung des Friedens, der Demokratie und der Menschenrechte - und unterstützt sie. Ich weiß, dass die französische Kulturpolitik im Ausland ähnlichen oder gleichen Zielen dient.

    Ich freue mich auch und möchte das an dieser Stelle betonen, dass es im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Parlament und Bundesregierung gibt. Die von der erwähnten "Konzeption 2000" vorgenommene Positionsbestimmung findet im Deutschen Bundestag volle Zustimmung. Die Konzeption ist allerdings keine abschließende Zustandsbeschreibung, sondern die Definition künftiger Aufgaben, ein Beginn und ein Arbeitsauftrag für die Reform der Auslandskulturarbeit und für die Anpassung von Strukturen an die sich globalisierende Welt.

    Die Nutzung neuer Technologien ist hierbei ein wichtiger Bereich. Schon heute spielt das Internet als Informations- und Kommunikationsmittel in allen Bereichen der Auslandskulturarbeit eine wichtige Rolle. Das reicht jedoch nicht aus. Um im internationalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit erfolgreich zu sein, muss das Internet als dynamisches Medium und Netzwerk genutzt, entsprechende Angebote bereitgestellt werden. Wenn sich die 'normale' Auslandskulturarbeit aus Kostengründen mehr und mehr an Eliten und Multiplikatoren wendet, ist darüber hinaus der Aspekt der durch das Internet möglichen Breitenarbeit sehr wichtig. Das Internet wird in Teilbereichen zu Einsparungen führen. Es kostet im Prinzip nicht mehr, ob man eine Information an 20 Adressaten verschickt, an 20.000 oder an 2 Millionen. Um jedoch eine Internetpräsenz zu erreichen, die Aufmerksamkeit erregt und aufrecht erhält, insbesondere um dialogfähig zu werden, sind Investitionen erforderlich. Dies sind Investitionen in die Zukunft.

    Mit der Konzeption 2000 wurde auch die notwendige Strukturreform auf den Weg gebracht.

    • Die in diesem Jahr erfolgte Fusion von Goethe Institut und Inter Nationes und ein neuer Rahmenvertrag sind das sichtbarste Beispiel dafür. Wir versprechen uns von der Fusion eine effizientere Nutzung der Mittel für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Die Umsetzung der Fusion erfolgt auf der Grundlage eines von einem renommierten Wirtschaftsberatungsunternehmen erarbeiteten Konzepts.
    • Eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut Inter Nationes (GIIN) und dem Auswärtigen Amt ist im Personalbereich vereinbart worden. Danach sollen Mitarbeiter des Goethe-Instituts an den Auslandsvertretungen in Shanghai, Havanna, Teheran und Algier eingesetzt werden. Umgekehrt übernimmt der Kulturreferent der Botschaft Addis Abeba gleichzeitig die Leitung des dortigen GIIN-Instituts. Außerdem erfolgt ein Personalaustausch zwischen der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts und der Zentrale des GIIN. Das ist für das französische System nichts Besonderes, für unsere Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik aber sehr neu.
    • Auch die Überlegungen zu einem veränderten Personaleinsatz werden vorangetrieben. Danach sollen in Zukunft verstärkt Ortskräfte sowie Projektkräfte aus dem deutschen Kulturleben einbezogen sein, die für einige Jahre an ein Auslandsinstitut entsandt werden, also ebenfalls eine Annäherung an die französische Praxis.
    • Der Kulturhaushalt des Auswärtigen Amts wird weiter flexibilisiert mit dem Ziel, bei den Mittlerorganisationen Anreize zu wirtschaftlichem Handeln zu schaffen. Dies soll nicht zur Ökonomisierung unserer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitk führen, vielmehr dazu, dass die knappen Haushaltsmittel sinnvoller und sparsamer eingesetzt werden.
    • Die Koordination der Arbeit der deutschen Mittlerorganisationen im Ausland und der Auslandsvertretungen wird verstärkt. Im Musikbereich sind hierfür schon konkret neue Entscheidungsstrukturen zwischen GIIN, Deutschem Musikrat und Auswärtigem Amt geschaffen worden.

    Weitere Ansätze kann ich aus Zeitgründen hier nur stichwortartig erwähnen. Dazu zählen z.B. die Erarbeitung von Regionalkonzepten für die Auslandskulturinstitute in enger Abstimmung zwischen Auswärtigem Amt und Goethe-Institut Inter Nationes oder auch die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Programmarbeit im Ausland. Dies soll dazu beitragen, auf der Basis empirischer Daten und sozialwissenschaftlicher Methoden unsere Investitionen in diesem Bereich genauer zu steuern und zu optimieren.

    Das Sponsoring wird für Kulturveranstaltungen im Ausland immer wichtiger. Zur Zeit wird innerhalb der Bundesregierung ein Konzept erarbeitet, dass der Unabhängigkeit der Verwaltung gerecht wird, gleichzeitig jedoch auch neue Ressourcen für die Auslandskulturarbeit erschließt. Mich würde interessieren, wie stark Frankreich das Sponsoring für diese Arbeit einsetzt und welche Erfahrungen Sie damit bisher gemacht haben.

    Schließlich der europäische Faktor: auch unter Beachtung der Prinzipien der Subsidiarität und der kulturellen Vielfalt reichen aus meiner Sicht die bisherigen Aktivitäten auf dem Gebiet einer gemeinsamen europäischen Kulturpolitik, wie sie u.a. im Programm "Kultur 2000" niedergelegt sind, nicht aus. Im globalen Verhältnis wird die Europäische Union gerade auf kulturellem Sektor bisher nicht deutlich genug wahrgenommen. Nach meinem Eindruck wundern sich viele Staaten darüber, dass die EU nicht deutlicher Flagge zeigt. Frankreich und Deutschland sollten hier eine Führungsrolle übernehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass beide Länder Bereiche ihrer jeweiligen Auslandskulturarbeit definieren können, in denen sie sehr nutzbringend gemeinsam arbeiten. Das könnte von gemeinsamer Anmietung und Nutzung von Liegenschaften für Kulturinstitute über einander ergänzende Kulturprogramme bis hin zu gemeinsamen Veranstaltungen reichen. Dabei muß sichergestellt sein, dass eine solche Zusammenarbeit auch anderen EU-Mitgliedstaaten offensteht.

    Dass eine Zusammenarbeit selbst dort möglich und nutzbringend ist, wo zwischen unseren Ländern Konkurrenzen bestehen, zeigt sich am besten auf dem hart umkämpften internationalen Studien- und Forschungsmarkt. Angesichts einer angelsächsischen Dominanz ergeben sich für Deutschland und Frankreich sehr interessante Kooperationsmöglichkeiten. So haben sich deutsche und französische Hochschulen - und zwar auf Initiative unserer beiden Konsulate vor Ort - im vergangenen Jahr mit großem Erfolg auf einem gemeinsamen Stand bei der 'Education & Careers Expo' in Hongkong präsentiert unter der Überschrift 'Studying in the Heart of Europe'. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die französische Agentur für Hochschulmarketing (EduFrance) haben Gespräche aufgenommen, um Möglichkeiten zur weiteren Zusammenarbeit zu identifizieren.

    Mit Interesse habe ich erfahren, dass kürzlich dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten der französischen Nationalversammlung ein Bericht über den Zustand der französischen Kulturzentren im Ausland vorgestellt wurde. Soviel ich weiß, ähneln viele der dort behandelten Themen und Probleme denjenigen auf deutscher Seite. Mich würde Ihre Einschätzung dieses Berichts interessieren. Felder für ein vielversprechendes gemeinsames Vorgehen Frankreichs und Deutschlands sind vorhanden. Wir sollten nun die konkreten Möglichkeiten ausloten. Ich unterstütze daher die von den Kulturdirektoren der Außenministerien jüngst verabredete Initiative zu einer verbesserten Abstimmung der Programmarbeit von GIIN und den französischen Instituten, die nach der diesjährigen Rentrée begonnen werden soll.