Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    23.01.2007

    Veranstaltung des Goethe-Instituts Paris

    Beitrag zum deutsch-französischen Tag


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Ich habe die Einladung des Goethe-Instituts Paris anlässlich des deutsch-französischen Tages sehr gerne angenommen und möchte mich auf diesem Wege herzlich bei der Leiterin des Goethe-Instituts Paris, Frau Angelika Ridder, bedanken.

    Der deutsch-französische Tag ist zu einem festen Bestandteil in der Zusammenarbeit unserer Länder geworden und mir scheint, dass dieser Tag in den vergangenen Jahren aus einer Vielzahl von Gründen immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.

    In Hinblick auf die derzeitige deutsche EU-Ratspräsidentschaft und die französische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 haben wir, Deutsche und Franzosen, die Möglichkeit dem europäischen Motor neuen Elan zu verleihen. Ich möchte deshalb gleich auf ein Hauptziel hinweisen, das alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfolgen sollten: Es muss uns gelingen, Europa positiv zu besetzen und die jungen Menschen für die europäische Idee zu begeistern.

    Wie können wir das Interesse für Europa bei der Jugend wecken? Unsere Aufgabe ist es, Europa bei den jungen Leuten präsent zu machen. Dazu müssen wir wissen, welches Europa sich die jungen Leute von heute wünschen. Der deutsch-französische Tag spielt dabei eine wichtige Rolle.

    Die Schule ist und bleibt der Türöffner für das gegenseitige Kennen lernen. Im Rahmen von Schüleraustauschen bilden sie das Rückgrat für die kultur- und bildungspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich. Lassen Sie mich auf drei weitere Faktoren eingehen, auf die wir uns in Zukunft noch stärker konzentrieren sollten. Es geht darum:

    1. die Mehrsprachlichkeit zu fördern
    2. den Austausch von Lehrkräften zu intensivieren
    3. die Gründung von deutsch-französischen und internationalen Schulen in und mit Drittländern zu beschleunigen

    In der Frage, wie wir die Mehrsprachlichkeit in Europa fördern können, ist es notwendig, eine zweite obligatorische Fremdsprache im Sekundarschulbereich einzuführen. Wenn es darum geht, einen lebendigen und zukunftsweisenden Kulturaustausch nicht nur zwischen Frankreich und Deutschland, sondern in ganz Europa zu garantieren, muss die kulturelle und sprachliche Diversität aller bewahrt werden. Die sprachliche Vielfalt ist ein, wenn nicht sogar das Markenzeichen Europas. Aus diesem Grund müssen wir dafür sorgen, Jugendliche für das Thema Europa und insbesondere für die Sprache des Nachbarn zu sensibilisieren.

    Darüber hinaus nimmt die Bedeutung von Fremdsprachen auch auf dem Arbeitsmarkt immer stärker zu. Das Erlernen von zwei Fremdsprachen dient also auch der beruflichen Qualifizierung in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft.

    In den vergangenen Jahren konnten weder Deutschland noch Frankreich das Interesse an der Partnersprache steigern. Im Jahr 2003 entschied sich noch nicht einmal einer von zehn französischen Schülern für Deutsch als erste Fremdsprache. In Deutschland stagnierte die Zahl der Französisch lernenden Schüler.

    Dank jüngsten Maßnahmen zur Förderung der Partnersprache, wie zum Beispiel dem „DeutschMobil“ oder dem „FranceMobil“, konnte dieser Trend nicht nur gestoppt, sondern sogar umgekehrt werden. Inwiefern das neue deutsch-französische Geschichtsbuch dazu beitragen wird, das Interesse an der Partnersprache zu erhöhen, werden wir in Zukunft sehen.

    Wenn es darum geht, den Schülerinnen und Schülern die Fremdsprache näher zu bringen, sollten wir den Schulunterricht in höherem Maße dem europäischen Film widmen, als dies bislang der Fall war. Warum kann man in Frankreich das Fach „Kino“ im Abitur belegen und in Deutschland nicht? Der deutsche und französische Film ist ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Austausches. Ich spreche mich daher für einen verstärkten Unterricht mit Filmen in der Originalsprache und der Förderung von Filmprojekten in der Schule aus.

    Ich halte es auch für angebracht, dass bereits Kinder im Kindergarten und in der Grundschule nicht nur mit Englisch, sondern mit einer Nachbar- oder anderen europäischen Fremdsprache in Berührung kommen. Das französische Modell der école maternelle ist beispielhaft für frühkindliches Lernen. Deutschland und Frankreich sollten den Kontakt mit Fremdsprachen bereits in dieser Altersklasse verstärkt fördern.

    Wir dürfen nicht vergessen, dass im Gegensatz zu den französischen Jugendlichen der zweiten oder dritten Einwanderergeneration deutsche Migrantenkinder nicht selten mit herkunftsbedingten Sprachdefiziten zu kämpfen haben - eine Konsequenz, die sich sowohl aus der Geschichte und den unterschiedlichen Bildungssystemen in Deutschland und Frankreich ergibt. Um die sprachliche Kompetenz der Jugendlichen zu erhöhen, muss deshalb in Deutschland schon im frühen Kindesalter mit der Sprachausbildung begonnen werden. Wie ich bereits erwähnt habe, ist dies in der französischen école maternelle der Fall. Nur so kann die Basis für eine erfolgreichen Bildungsweg gelegt werden.

    Nun zu meinem zweiten Aspekt: Ich plädiere dafür, dass in Zukunft mehr Lehrkräfte aus dem Nachbarland in der Ausbildung oder während ihrer beruflichen Laufbahn an den deutschen bzw. französischen Schulen unterrichten. Die Schüler kommen somit noch mehr in Kontakt mit der Kultur des Nachbarn, was Neugier weckt und zu einem höheren Interesse an Sprache und Kultur des Nachbarlandes führt.

    Der Ausbildung und der Austausch von zweisprachigen Lehrkräften sollte sich dabei nicht auf den Fremdsprachenunterricht beschränken. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz unter den einzelnen Schulfächern wäre es sinnvoll den Sach- und Fachunterricht in einer Fremdsprache zu unterrichten.

    Mein 3. Punkt beschäftigt sich mit der Frage, wie wir deutsch-französische Schulen in und mit Drittländern fördern und die Entwicklung von internationalen Schulen voranbringen können.

    In einem Europa der 27 darf das deutsch-französische Tandem nicht exklusiv bleiben. Im Bereich der Kultur- und Bildungspolitik haben Deutschland und Frankreich eine Vorbildfunktion eingenommen, wie die positive Entwicklung der AbiBac-Schulen zeigt. Zum Schuljahresbeginn 2006/2007 zählen Deutschland und Frankreich jeweils über 40 Schulen, an denen man einen deutschen und einen französischen Schulabschluss absolvieren kann. Den Ausbau dieser Schulen müssen wir auch in Drittländern fördern und weitere europäische Partnerländer in unsere bilateralen Bildungsprogramme einbeziehen. Wie diese europäische Zusammenarbeit aussehen kann, zeigen uns gemeinsame Projekten der deutschen und französischen Kulturinstitute.

    Lassen Sie mich zum Abschluss nochmals festhalten: Europa braucht eine intensive und langfristig angelegte deutsch-französische Kultur- und Bildungspolitik mit den Schwerpunkten Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Die Bemühungen um die Integration von Drittländern in den deutsch-französischen Dialog müssen verstärkt werden, um kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa zu garantieren.

    Vielen Dank