Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    10.03.2006

    Plenumsrede: TOP 16 zum Staatsziel Kultur


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    einige Stichpunkte zur Vorgeschichte der Diskussion über ein Staatsziel Kultur wurden bereits genannt.

    Als einen wesentlichen Baustein sehe ich den Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Die Mitglieder der Kommission haben lange, ausführlich und auch kontrovers über eine kulturelle Staatszielbestimmung diskutiert. Das Ergebnis ist ganz klar die Empfehlung an den Deutschen Bundestag ein Staatsziels Kultur im Grundgesetz zu verankern.

    Dass es dazu kam, ist für mich ein Zeichen für die Überzeugungskraft von Argumenten. Für mich persönlich als Kulturpolitikerin, aber auch als überzeugte Demokratin und Sozialdemokratin bietet unsere Verfassung, das Grundgesetz ein Gerüst für unser Zusammenleben. Dieses Gerüst ist aber nicht nur auf die unverzichtbare Formulierung von Grundrechten, auf die Beschreibung von politischen Spielregeln und der Organisation des Zusammenspiels im föderalen System Deutschlands beschränkt, sondern beschreibt eben auch Strukturprinzipien.
    Diese machen Deutschland zu dem, was es ist: Ein Staat, der beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung, den Schutz und die Förderung von Kindern und Familien, Demokratie und Sozialstaatlichkeit zu obersten Verfassungsprinzipien erhebt.

    Was in gewisser Weise bisher fehlt, ist eine geistig ideelle Dimension unseres Zusammenlebens. Manche denken, das könnte eine Leitkulturdebatte leisten. Das glaube ich kaum. Stattdessen stellt das Grundgesetz unseren gemeinsamen kulturellen Nenner dar. Hier haben wir unsere Werte und unsere Kultur auf ein für alle geltendes Fundament gestellt. Deswegen wird es höchste Eisenbahn auch Kultur als Staatsziel darin zu verankern.

    Eine starke Position hier ist es, die Identität und politische Integration schafft.

    Das europäische Verfassungsrecht tut dies bereits. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Artikel 151 der Verträge der europäischen Gemeinschaft ein Kulturartikel existiert, der das europäische kulturelle Verständnis hervorhebt. Fast alle Verfassungen unserer Bundesländer kennen eine Kulturstaatsklausel. In Sachsen wird Kultur explizit zur Pflichtaufgabe erklärt.

    Für mich tut sich da eine eklatante Lücke auf. Auch im Grundgesetz muss es einen Aufruf und eine Empfehlung an uns alle geben, sich der Kultur als einem wesentlichen Teil unserer Identität zu versichern.

    Neben der bereits in Artikel 5 definierten Kunst- und Wissenschaftsfreiheit könnte ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz dem Selbstverständnis Deutschlands als Kulturnation in Europa Ausdruck verleihen.

    Die Entwicklung des Kulturbegriffs in der Zeit der Aufklärung war für die deutsche Nation und ihre Bürger ein ganz wesentlicher Hebel, um die feudale Rückständigkeit in vielen kleinen Fürstentümern zu überwinden und einen Fortschritt auch in geistiger Hinsicht zu vollziehen. Das war gewissermaßen die geistige Befreiung des Menschen. Damit war Deutschland in einem neuen Zustand im Herzen Europas angekommen.

    Das eigene Bewusstsein für unsere Kultur und damit auch unsere starke Position tragen wir seitdem in viele Länder der Welt hinaus. Ob das nun beim Karikaturenstreit ist oder bei Konflikten mit Kuba so ist; wenn wir anderen zeigen, dass Kultur zu unserem Selbstverständnis gehört, dann müssen wir das für uns selbst auch an prominenter Stelle festschreiben.

    Deswegen möchte ich zwar sagen, dass ich dem von der FDP hier vorgetragenen Anliegen inhaltlich positiv gegenüberstehe. Aber vom Verfahren her hätte ich mir in diesem auch aus kulturpolitischer Sicht sehr wichtigen Punkt ein gemeinsames Handeln gewünscht.

    So kann ich im Moment nur auf den von meinem Kollegen Siegmund Ehrmann bereits angesprochenen Beratungsbedarf verweisen, der nach wie vor auch in unserer Fraktion an diesem Punkt noch besteht.

    Herzlichen Dank