Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    29.03.2006

    Rede zur ersten Lesung des Haushalts BKM (Titel 0405)


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    die Struktur eines Haushaltsentwurfes ist immer auch ein Gradmesser dafür, welche Bedeutung man einem bestimmten Bereich beimisst. Manche werden vielleicht meinen, dass diese Bedeutung bei Kultur und Medien aufgrund des scheinbar geringen Etats von rund einer Milliarde Euro beim Kulturstaatsminister und 545 Millionen Euro beim Auswärtigen Amt nicht allzu groß sein kann. Meine Damen und Herren, absolute Gegenteil ist der Fall. Der Haushalt des BKM ist gegenüber 2005 um knapp 2,1 Prozent gestiegen, der des Auswärtigen Amtes ist leider nur gerade so stabil geblieben.

    Damit wurde umgesetzt, was wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Nämlich, dass der Etat als der kleinste und damit auch sensibelste im Bundeshaushalt anerkannt wird und deswegen auch als solcher vorsichtig behandelt werden muss. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf machen wir klar: für SPD und CDU/CSU ist Kulturpolitik ein sehr wichtiges Politikfeld.

    Es gibt im Entwurf zum Haushalt auch im Kulturbereich Kürzungen, an denen wir arbeiten müssen, so zum Beispiel bei der Programmarbeit in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.

    Günther Öttinger bei Sandra Maischberger: „Wir müssen in Deutschland eben nicht nur Ökonomie und Wirtschaft, sondern ganz besonders unsere Kultur und unsere Werte betonen“.

    Wir bestehen darauf: Kulturförderung ist eben nicht Subvention, sondern Investition in die Zukunft. Mit der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern engagieren wir uns für kulturelle Kreativität. Das ist nicht nur ein Lebensmittel der Menschen, sondern auch Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

    Denn nur mit Kreativität können wir neue Produkte und Designs entwickeln und damit auf der Welt konkurrenzfähig sein. Kulturelle Kompetenz schafft eben auch fachliche Kompetenzen. Wer beispielsweise ein Musikinstrument lernt, erlangt bessere Fähigkeiten in Bereichen wie Sprache oder Mathematik.

    So wie unser Körper täglich Vitamine braucht, so braucht unser Geist Kunst und Kultur. Und genauso brauchen Künstlerinnen und Künstler die Freiheit, um künstlerisch tätig sein zu können. Aus diesem Grund bleibt es Aufgabe des Staates, zu gewährleisten, dass Kunst und Kultur unbelasteter von ökonomischen Zwängen entstehen kann. Doch wir brauchen auch Stiftungen und Privatpersonen als Förderer, um die kulturelle Vielfalt, die wir glücklicherweise noch immer haben, zu gewährleisten.

    Als ein wunderbares Beispiel für einen wichtigen Beitrag für die freie Entfaltung der Künste sei die Kulturstiftung des Bundes genannt. Der Etat von nunmehr knapp 38 Mio. Euro bedeutet eine Erhöhung der Mittel um knapp 2,2 Mio. Euro als den letzten von drei Erhöhungsschritten. So werden innovative Programme und Projekte mit nationaler und internationaler Ausstrahlung gefördert, die Deutschland im Dialog mit vielen Ländern auch als Kulturnation präsentieren.

    Zu dieser Außendarstellung Deutschlands trägt in ganz besonderem Maße die Deutsche Welle bei. Ihr kommt in diesem Haushalt ein kleine Steigerung zugute. Das ist auch notwendig, denn der Etat der Deutschen Welle wurde seit 1998 bereits um fast 20 Prozent geschrumpft.

    Wenn wir wollen, dass die Deutsche Welle auch weiterhin die Dialogarbeit und die Präsentation von Deutschland in der Welt leistet, wenn wir wollen dass unsere Sichtweisen zu Politik, Kultur und Wirtschaft in vielen Ländern vermittelt werden und wenn wir wollen dass die deutsche Sprache gefördert wird, dann müssen wir uns auch finanziell zur Deutschen Welle bekennen.

    Ganz besonders begrüße ich die immer stärkere Zusammenarbeit der Deutschen Welle mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Nachdem deutlich geworden ist, dass German TV kein tragfähiges Konzept darstellt, arbeiten die Sender zusammen nun mit Hochdruck daran, das Deutsche Welle Fernsehen zu einem attraktiven Angebot zu formen.

    Immer wieder erreichen mich Briefe, in denen Deutsche und Deutschlandbegeisterte im Ausland bitten, dass Programme wie die „Sendung mit der Maus“, anspruchsvolle Serien oder Magazine von ARD und ZDF auch im Ausland zu sehen sein sollen. Das gehört eben auch zur Kultur und hilft uns, eine enge Bande mit den Menschen in anderen Ländern zu knüpfen.

    Mit diesem Haushalt wollen wir auch deutlich machen, dass der Dialog der Kulturen für uns einen besonderen Stellenwert hat. Mit dem arabischen Fernsehprogramm, den Radioprogrammen in den afghanischen Sprachen Dari und Paschtu oder dem Internetportal der Deutschen Welle in 30 !!! Sprachen gehen wir einen guten Weg. Wenn wir einen friedlichen Dialog wollen, dann müssen wir eben auch die Verständigung fördern.

    Die Wahrnehmung Deutschlands im Ausland wird aber nicht nur durch die mediale Außenvertretung, sondern auch durch die internationale Strahlkraft seiner Hauptstadt befördert. Vieles davon ist deutlich zu sehen und begründet den Ruf Berlins als eine Kulturmetropole im Herzen Europas.

    Das zeigt sich auch an den steigenden Zahlen der Museumsinsel. Das Berlin mittlerweile viele Künstler und Kulturschaffende aus aller Welt fast magisch anzuziehen scheint, liegt natürlich in erster Linie an der hohen Qualität und Vielfalt dessen, was es in Berlin zu sehen und zu erleben gibt. Es liegt aber auch an dem Klima von Innovation und Offenheit für die Kultur, welches nicht zuletzt durch Bundesmittel befördert wird – vom Preußischen Kulturbesitz bis hin zum Hauptstadtkulturfonds.

    Wenn wir über Berlin reden, werde ich daran erinnert, dass das Faszinierende und die Kraft von Innovation und Fortschritt zumindest für mich immer auch darin liegen, Vergangenes mit einzubeziehen und bewusst zu machen. Die Kultur einer Gesellschaft wird auch dadurch geprägt, dass sie sich dessen, was war, erinnert und daraus Schlüsse zieht. Insofern spielt die Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit eine ganz wesentliche Rolle in der Bundeskulturarbeit und damit auch in diesem Haushalt.

    Nachdem wir in der vergangen Legislaturperiode ein Gesamtkonzept zur Aufarbeitung der NS-Diktatur erarbeitet haben, werden wir jetzt auch die jüngere deutsch-deutsche Geschichte in ein neues Konzept fassen. Worauf ich hinaus möchte, ist die so genannte Birthler-Behörde. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – das ist die ausführliche Bezeichnung - wurde zusammen mit der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur im Januar 2005 in die Zuständigkeit des Beauftragten für Kultur und Medien überführt.

    Durch eine stärkere Vernetzung und die systematische Förderung der gesellschaftlichen Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur kann ein Gesamtkonzept der Gedenkstätten für diesen Teil deutscher Geschichte erarbeitet werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Zukunft dieser ganz besonderen Behörde wird auch in einigen maßgeblichen und haushaltsrelevanten Entscheidungen zum Ausdruck kommen. Wir fangen mit der Außenstelle in Erfurt an und arbeiten auch an dem Projekt weiter, durch das alte zerrissene Akten wieder zusammengesetzt werden könnten.

    Die Aufarbeitung von Geschichte spielt genauso in einem anderen Zusammenhang eine wichtige Rolle. Das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität wurde im Haushalt 2006 erstmalig mit 300.000 Euro etatisiert. Damit machen wir in der Koalition klar, dass wir die Themen Flucht, Vertreibung und Zwangsmigration in einem europäischen Kontext angehen, besonders mit unseren Partnern in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Österreich. Es ist der einzig richtige Ansatz, mit dem die bereits vielfältig bestehenden Institutionen und Initiativen in dieser Netzwerkstruktur eingebunden werden sollen, um in einen Dialog über diesen Teil der europäischen Vergangenheit zu treten.

    Mit dem Etat für das Haus der Geschichte in Bonn, der um 2,5 Millionen Euro erhöht wurde, wird auch die Konzeption einer Ausstellung zum Thema Vertreibung weitergeführt, die bald auch in Berlin zu sehen sein wird. Das entspricht unserer gemeinsamen Forderung im Koalitionsvertrag, nach der wir mit Bedacht sichtbare Zeichen unserer Auseinandersetzung mit europäischer Vertreibung setzen wollen.

    Für das Jüdische Museum in Berlin wird es eine Bauerweiterung geben. Für die geplante Überdachung des Innenhofes (Laubhütte) wurden im Haushalt eine Verpflichtungsermächtigung über 2,5 Millionen Euro eingestellt. Michael Blumenthal, der Direktor des Jüdischen Museums, hat für dieses Projekt über längere Zeit erfolgreich um private Sponsorengelder geworben.

    Dank privaten Engagements sind nunmehr 8 Millionen Euro zusammengekommen. Zusammen mit den 2,5 Millionen Euro vom Bund kann jetzt eine sinnvolle und in das architektonische Konzept passende Erweiterung gebaut werden, um die jährlich 700.000 Besucher über die Geschichte der Juden in Deutschland nicht nur in der Zeit des zweiten Weltkriegs zu informieren.

    An diesem Beispiel wird einmal mehr deutlich, wie wichtig und wie effektiv Public-Private-Partnership ist. Ich habe dafür geworben, dass der Staat sich zur Kulturförderung bekennt, aber auch die Verantwortung von Stiftungen, Einzelpersonen und Firmen ist nicht zu unterschätzen. Denn der finanzielle Einsatz für Kunst und Kultur ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern jeder und jede Einzelne hat die Möglichkeit sich selbst zu engagieren.

    Der Zusammenhang von privatem Engagement und Investment spielt auch in einem anderen Zusammenhang eine ganz wesentliche Rolle. Und zwar beim Thema Filmfinanzierung. Staatsminister Neumann hat dazu schon ausführlich berichtet. Ich freue mich sehr, dass Sie an der erfolgreichen Arbeit Ihrer Vorgängerin Christina Weiss für den Deutschen Film anknüpfen und sich nun auch so engagiert für die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einsetzen.

    Das zeigt eben auch der Haushalt. Zum ersten Mal wurde mit 14,3 Millionen Euro ein Teil der 90 Millionen eingestellt, die für ein neues Modell der Filmfinanzierung zur Verfügung stehen werden.

    Wir hoffen, noch vor der Sommerpause ein Modell zu haben, das neben den eingestellten staatlichen Mitteln auch privates Kapital mobilisiert - wie es bereits in den meisten europäischen Nachbarländern gängige Praxis ist.

    Neben dem Versuch, Anreize für private Investitionen in das Kultur- aber auch Wirtschaftsgut Film zu schaffen, spielt die Filmförderung des Bundes aber auch der Länder eine ganz erhebliche Rolle. Wenn die Filmförderung jetzt um 2,2 Millionen Euro erhöht wird, müsste der deutsche Film doch noch erfolgreicher werden, als er es dieses Jahr bereits war.

    Noch ein Wort zum Schluss: Ich freue mich, dass wir schon soviel hinbekommen haben. Die für dieses Haushaltsjahr eingeplanten Mittel reichen zwar noch lange nicht aus, um das Notwendige zu finanzieren. Aber das Nötigste kann getan werden und das ist ja bei der momentanen Haushaltslage immerhin eine ganze Menge.

    Aber wir haben noch viel vor uns: Sowohl in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als auch in der Föderalismusdebatte. Hier müssen wir der Kultur ihren Platz immer wieder erkämpfen – ganz zu schweigen vom Staatsziel Kultur.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen: Machen Sie alle mit!

    Vielen Dank