Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    06.09.2006

    Zum Haushalt BKM Titel 0405

    Rede im Plenum des deutschen Bundestages


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

    im Gesamthaushalt müssen wieder hohe Einsparungen erbracht werden. Das trifft leider auch den Kulturhaushalt. Besonders die 17 Millionen Euro Globale Minderausgabe, die in diesem Bereich geschultert werden müssen, stellen uns vor eine schwierige Aufgabe. Gerade der Haushaltstitel für Kultur und Medien ist im Verhältnis mit 0,4 Prozent am Gesamthaushalt sehr klein. Deswegen müssen wir umso sensibler mit den einzelnen Posten umgehen, besonders weil die vielen kleinen Projekte durch eine Kürzung vielleicht gar nicht mehr lebensfähig wären.

    Ein Haushalt ist eines der wesentlichen Mittel der Politik und muss deshalb von Bundesregierung und Parlament auch politisch gestaltet werden. In dem vorliegenden Haushaltsentwurf wurden einige politische Schwerpunkte gesetzt, die wir im parlamentarischen Verfahren nun überprüfen und anpassen werden.

    Herr Staatsminister Neumann hat bereits auf die durch ihn deutlich vorangebrachte Förderung für den deutschen Film hingewiesen. Das ist sehr zu begrüßen. Ich möchte dem BMF und dem BKM danken, denn mit dieser Initiative können wir einen Aspekt in der Bundeskulturpolitik weiterverfolgen, der für uns in der SPD immer sehr wichtig gewesen ist. Die nun eingeplanten 60 Millionen Euro pro Jahr sind - angesichts des im Vergleich zu anderen sehr überschaubaren Haushalts - eine große Summe. Doch wir haben damit die Chance aus dem deutschen Film nicht nur ein noch wichtigeres Kulturgut, sondern auch ein noch bedeutenderes Wirtschaftsgut zu machen.

    Diese Chance bietet sich auch in anderen Bereichen und gerade die Computerspiele fallen mir hier ein. Vor zwei Wochen ist die Computerspielmesse „Games-Convention“, die einen riesigen Ansturm erlebte, zu Ende gegangen (183.000). Es kamen nicht nur mehr Menschen, sondern im Durchschnitt auch ältere Besucher und mehr Mädchen und Frauen als in den Jahren zuvor.

    Inzwischen kann wirklich niemand mehr guten Gewissens die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung von Computerspielen ignorieren. Dazu kommt die wirtschaftliche Bedeutung. Der Umsatz der Computerspielindustrie ist mit 1,5 Milliarden Euro einer der größten Märkte in Europa und übersteigt damit sogar den Umsatz der Filmindustrie. Trotzdem werden weniger als 10 Prozent der Spiele von deutschen Herstellern entwickelt, obwohl gerade die häufig qualitativ besonders gut sind. Diese Benachteiligung können wir nicht wollen!
    Wir müssen endlich davon wegkommen, uns immer wieder auf die unsachliche „Killerspieldebatte“ einzulassen. Dass geltende Kinder- und Jugendschutzregeln eingehalten werden müssen, steht außer Frage. Allerdings funktioniert das bereits sehr gut. Im letzten Jahr hat die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) von insgesamt 2.686 geprüften Spielen nur 30 wegen Jugendgefährdung keine Alterfreigabe erteilt.

    Ich freue mich, dass nun auch die Bundesregierung ganz klar festgestellt hat, dass momentan kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Strafgesetzbuch gesehen wird. Das gibt uns die Möglichkeit endlich einmal unter der neuen Blickrichtung darüber zu reden, wie wir dieser immer wichtiger werdenden Branche helfen können.

    Wir wollen in den kommenden Monaten verstärkt diskutieren, welche Marktanreize es geben könnte und bereiten dafür unter anderem eine Anhörung vor.

    Herr Neumann, Sie haben bereits die Deutsche Welle angesprochen. Ich freue mich, dass Sie sich dafür eingesetzt haben, dass im Kernhaushalt des Senders keine weiteren Einsparungen kommen sollen. Allerdings wird auch die Verringerung der Investitionen um 3 Millionen Euro schmerzhaft sein. Einerseits hat die Deutsche Welle in den letzten Jahren bereits besonders viele Einsparungen erbringen müssen, andererseits muss gerade ein modernes Medienunternehmen fortlaufend in aktuelle Technik investieren, um nicht den Anschluss an die Entwicklung zu verlieren. Ich denke hier nur einmal an die medienspezifische Teuerungsrate von über fünf Prozent, mit der der Sender jedes Jahr umgehen muss.

    Meine Damen und Herren, so viele von uns verweisen immer wieder gern auf das für das Ansehen Deutschlands im Ausland so prestigeträchtige Angebot der Deutschen Welle. Doch wir sind nicht die einzige Nation, die bemerkt hat wie wichtig eine weltweite mediale Stimme ist. In den letzten Monaten sind in vielen Ländern wie in China oder der arabischen immer mehr Konkurrenzangebote dazugekommen. Wenn wir mithalten wollen, dürfen wir eben nicht nur über die Bedeutung der Deutschen Welle reden, sondern müssen noch mehr dafür tun und dabei überlegen, ob und wie wir in Zukunft noch mehr Geld finden können.

    Wenn ich zu Beginn über politische Schwerpunktsetzungen gesprochen habe, dann möchte ich damit auf einen wichtigen gesellschaftspolitischen Bereich hinweisen, in welchem Kulturpolitik und die gezielte Förderung von Kunst und Kultur wesentliches bewirken kann. In den letzten Tagen und Wochen wurde viel über Integration diskutiert. Kultur und Medien leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration in unserem Land.

    Zur Voraussetzung eines funktionierenden Zusammenlebens gehört die wechselseitige Anerkennung kultureller Unterschiede. Eine gezielte Förderung von interkultureller Kulturarbeit und der Kulturarbeit von Migrantinnen und Migranten sowie die Einbindung der Vertreter der Migranten in die bestehenden Strukturen des kultur- und medienpolitischen Netzwerkes sind auch bundespolitische Aufgaben. Und auch hier sollte die Struktur eines Haushaltes ansetzen. Aus Mitteln des BKM werden viele kleinere Projekte und Institutionen, die zwar in ihrer Mittelausstattung nicht besonders aufsehenerregend sind allerdings in ihrer Wirkung nicht vernachlässigt werden dürfen, ja oftmals sogar von großer Bedeutung für die Vermittlung von Kultur und zwischen den Kulturen sind.

    Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Bundesförderung für die Bundesvereinigung soziokultureller Zentren erinnern, einem Netzwerk soziokultureller Einrichtungen in ganz Deutschland, die allesamt durch ihre kulturelle Arbeit vor Ort viel zur Integration beitragen.

    Als herausragend in ihrer Bedeutung für die Vermittlung zwischen den Kulturen muss man die Kulturstiftung des Bundes bezeichnen. Alljährlich werden hier aus Mitteln des Bundes u.a. durch den Fonds Soziokultur, die Stiftung Kunstfonds und den Deutschen Literaturfonds viele Projekte gefördert, die einerseits innovativ sind, gesamtstaatlich von Bedeutung, andererseits aber im internationalen Kontext zu einer weltoffenen Vermittlung von Kunst und Kultur wesentlich beitragen.

    Auch die Finanzierung der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom, des Deutschen Studienzentrums in Venedig oder der Villa Aurora in Los Angeles und Berlin ist Teil einer auf den kulturellen Austausch bedachten Bundeskulturpolitik. Hier kommen Künstler und Kulturschaffende aus allen Ländern zusammen, tauschen sich aus und entdecken auf diese Weise viele Gemeinsamkeiten, aber auch ihre Unterschiede. Und genau entsteht eine tatsächliche Chance für mehr Akzeptanz und gegenseitige Verständigung.

    Ich wünschte mir in diesem Zusammenhang noch deutlich mehr Akzente und erwarte, dass sich die Bundesregierung auch im Bereich Kultur und Medien ganz wesentlich an der Diskussion um die Integration beteiligen wird, auch in dem sie die ihr möglichen Förderansätze nutzt und gezielt ausbaut.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, fast in jeder Rede zur Verständigung über Zukunft und Gegenwart wird darauf hingewiesen, das Vergangene nicht zu vergessen. Indem man sich vergegenwärtigt, was war, ist man in der Lage auch in die Zukunft zu schauen. Vor diesem Hintergrund wird es weiterhin wichtig sein, Gedenkstätten und -orte, Museen, Institutionen und Projekten, deren Aufgabe die Aufarbeitung und der Erhalt sowie die Veranschaulichung von Geschichte und Erinnerung sind, finanziell ausreichend auszustatten. Gerade in den Debatten der letzten Wochen ist deutlich geworden, wie wichtig das Gedenken ist, damit wir aus der Geschichte lernen.

    In einigen Bereichen wird es notwendig sein, auch mehr Geld einzuplanen. Die nun schon lang andauernde und auch kontroverse Diskussion um die Vergegenwärtigung der Berliner Mauer und ihrer Geschichte ist ein solcher Bereich. Weil es nicht hinnehmbar ist, dass öffentlicher Raum der freien Interpretation einzelner Initiativen überlassen wird, muss der Staat hier auch handeln. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten hatte die Diskussion um einen Ort der Information am Brandenburger Tor zur Erinnerung an die Teilung Berlins belebt. Es gilt nun auch, dass vom Berliner Senat verabschiedete, sehr detailliert ausgearbeitete Mauerkonzept auch umzusetzen. Und hier sehe ich den Bund ebenfalls mit in der Verantwortung, denn wir als Bundestag haben den Auftrag für ein solches Konzept gegeben.

    Auch die Diskussion über die Aufarbeitung der SED-Diktatur und der damit verbundenen Folgen steht zwar nicht mehr am Anfang - auch hier unterstützt der Bund maßgeblich wichtige Institutionen zur Erforschung der Diktaturgeschichte der DDR - ist jedoch auch noch längst nicht am Ende. Ein Gesamtkonzept wird sicherlich im nächsten Jahr intensiv diskutiert werden. Und auch dafür wird es finanzieller Mittel bedürfen. Ich freue mich, dass schon in diesem Haushalt die Mittel für das Schnipselprojekt eingeplant sind, mit denen endlich alte und besonders wichtige Akten erschlossen werden können.

    Trotz der zu erbringenden Einsparungen ist der Kulturhaushalt gut gelungen und wichtige politische Akzente sind gesetzt. Ich denke damit werden viel auch im nächsten Jahr viel für Kunst und Kultur erreichen können.

    Vielen Dank