Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    12.09.2007

    Generaldebatte zum Haushalt

    Rede im Plenum des Deutschen Bundestages


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Das Jahr 2010 ist zwar noch eine Weile hin, wirft jedoch insbesondere im Ruhrgebiet schon große Schatten voraus. Essen wird 2010 Europäische Kulturhauptstadt sein und damit Teil eines erfolgreichen europäischen Kulturprogramms. Der Bund hat diese Bewerbungsinitiative schon bisher intensiv begleitet und wird dies auch weiterhin tun. Und schon jetzt zeigen sich enorme Synergieeffekte. Das Ruhrgebiet und insbesondere Essen platzen geradezu vor kultureller Aufbruchstimmung. Dass die Love-Parade von Berlin nach Essen gezogen ist und dort ein voller Erfolg war, mag nun nicht gerade das kulturelle Highlight des Jahres gewesen sein, zeigt aber, wie mit einer kulturellen Leuchtturmpolitik eine ganze Region ein völlig neues Gesicht bekommen kann.

    Meine Damen und Herren, dieses Beispiel verdeutlicht, dass relativ kleine kulturelle Impulse große Wirkung haben können. Genauso denke ich, sollten wir den Haushalt des BKM sehen. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu verbessern, Verantwortung zu übernehmen und gezielte Impulse zu geben.

    Die Filmförderung des Bundes durch den Filmförderfonds wurde bereits von Staatsminister Neumann angesprochen und wäre noch ein anderes sehr gutes Beispiel. Ich höre, dass sogar der Finanzminister über diese Form des Investitionsanreizes sehr erfreut ist.

    Der Kulturhaushalt hat erneut einen kleinen Aufwuchs (1,3 %) erfahren. Angesichts der Herausforderungen, denen sich die Kultur- und Medienpolitik in den nächsten Jahren gegenübersieht, ist dies zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Denn auch wenn schon kleinere Summen Großes bewegen können, so bedarf es manchmal eben doch einer größeren Anstrengung, um einen wirklich großen Schritt nach vorn zu tun.

    Von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion sind uns mehrere Punkte für die bevorstehenden Haushaltsberatungen im Bereich Kultur und Medien besonders wichtig:

    Noch vor der Sommerpause hat Staatsminister Neumann einen Entwurf zur Fortentwicklung der Gedenkstättenkonzeption vorgelegt. In der Gedenkstättenförderung kommt die besondere Verantwortung des Bundes zum Ausdruck, die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft und die SED-Diktatur zu pflegen und deren Opfer zu gedenken. Eine demokratische Erinnerungskultur, die das Gedenken an die Opfer ebenso wie an Opposition und Widerstand in der Diktatur beinhaltet, festigt das Bewusstsein für Freiheit, Recht und Demokratie. Über diesen antitotalitären Konsens besteht gesellschaftsübergreifend Einigkeit.

    Ich betone diese Punkte so sehr, weil ich die Entwicklung deutlicher nationalistischer Tendenzen und vor allem Strukturen, die mein Kollege Klaas Hübner zuvor angesprochen hat, ebenfalls mit großer Sorge beobachte. Der politische Extremismus in unserer Gesellschaft nimmt zu. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen dieser Entwicklung auch mit aktiven Angeboten im Bereich der kulturellen Arbeit und politischen Bildung entgegentreten.

    Eine demokratische Erinnerungskultur, die auf bürgerschaftlichem Engagement aufbaut und entsprechende Bildungsangebote bereithält, spielt dabei eine extrem wichtige Rolle. Gedenkstätten haben in ihrer Funktion als Gedenk- und vor allem Lernorte eine wichtige gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Durch gut aufbereitete pädagogische Angebote werden die mit den Gedenkorten verbundenen Ereignisse den Besuchern authentisch vermittelt. Hier geht es mir vor allem um Kinder und Jugendliche, die möglicherweise bald nicht mehr die Berichte von Zeitzeugen und Überlebenden der Nazi-Diktatur erfahren können.

    Auf diese Weise tragen Gedenkstätten ganz wesentlich dazu bei, die Unmenschlichkeit von offen antidemokratischen Systemen aufzuzeigen und zu veranschaulichen. In diesem Bereich sollten wir uns noch viel mehr engagieren und beispielsweise deutlich mehr Fahrten und Bildungsangebote von Schulklassen ermöglichen. Es darf einfach nicht am Geld scheitern, wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer mit einer Klasse interessierter Schülerinnen und Schüler eine Bildungsreise zu einer Gedenkstätte unternehmen will.

    Gedenkstätten und -orte in ganz Deutschland, viele von ihnen durch bemerkenswertes bürgerschaftliches Engagement entstanden, leisten hervorragende Arbeit bei der Vermittlung von Wissen und Bildung in diesem Bereich. Sie gilt es weiterhin zu unterstützen und ihr Engagement zu fördern.

    Das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung sollte in diese Richtung weiterentwickelt werden. Neben der Verbesserung der Situation der NS-Gedenkstätten gilt es auch, die Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur deutlicher heraus zu arbeiten. Die vorliegenden Vorschläge bieten dafür eine Grundlagen, über die wir diskutieren werden. Jedoch zeigt sich schon jetzt, dass beispielsweise einzelne Bestandteile des Konzeptes finanziell unzureichend ausgestattet sind. Dafür mag es mehrere Gründe geben, zu denen unter anderem gehört, dass es in einigen Fragen über viele Jahre hinweg nicht möglich war, eine politische Verständigung über konkrete Konzepte und Handlungsschritte zu erzielen. Jedoch arbeiten wir daran und ich möchte schon jetzt darum bitten, finanzielle Mehraufwendungen, die in diesem Bereich erforderlich sein könnten, nicht nur zu erwarten, sondern geradezu vorauszusetzen.

    ‚Erwarten' ist ein richtiges Stichwort bei einem weiteren Schwerpunkt der kulturpolitischen Planungen in den nächsten Jahren. Viele Einrichtungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sind vom Verfall bedroht. Schon jetzt sind viele der Gebäude so sehr vom Einsturz bedroht, dass sie in Teilen für den Besucherverkehr geschlossen werden müssen. Hier gilt es etwas zu tun, bevor sich der Zustand vieler Gebäude noch weiter verschlechtert und es zu spät ist. Noch wird man den Erhalt vieler dieser Einrichtungen mit überschaubaren Investitionen über einen längeren Zeitraum sichern können. Sollten jedoch Teile der Gebäude einstürzen, könnten sie unwiederbringlich verloren sein oder zumindest nur mit einem deutlich höheren Kostenaufwand wieder hergerichtet werden.

    Beim Thema populäre Musik sind wir auf einem guten Weg. Im nächsten Haushalt sind erneut eine Million Euro für die Initiative Musik eingestellt. Die Initiative konstituiert sich in diesen Tagen und wird ihre Arbeit zum ersten Mal auf der Popkomm in der nächsten Woche vorstellen. In unserem Bundestagsantrag vom April haben wir klare Vorstellungen formuliert, die nun in konkreten Projekten umgesetzt werden sollen. Ich denke da beispielsweise an die stärkere Einbindung von Jazz in die öffentliche Förderung oder an die praktische Unterstützung von Nachwuchsbands zum Beispiel durch Tourbusverleih. Die vielen zustimmenden Zuschriften, die ich in den letzten Wochen bekommen habe, zeigen mir, dass wir hier genau das Richtige angestoßen haben.

    Auch im Bereich Computerspiele geht es voran. Nachdem Computerspiele in den letzten Monaten leider immer wieder einseitig an den Pranger gestellt wurden, wächst nun die Erkenntnis, dass man mit Förderung von wertvollen Inhalten mehr erreichen kann als mit Verboten, die zudem in ihrer Wirkung äußerst umstrittenen sind. Anstatt die öffentliche Aufmerksamkeit nur auf einige wenige gefährliche und Gewalt verherrlichende Spiele zu lenken, sollten wir dagegen positive und wertvolle Computerspiele unterstützen und bekannt machen. Mit zwei neuen kulturpolitischen Initiativen wollen wir genau das erreichen.

    Zum einen soll mit dem Projekt „Netz für Kinder“ eine sichere Umgebung für Minderjährige angeboten werden, die zugleich ungefährliche und wertvolle Spiele herausstellt. Zum anderen soll es eine Stiftung geben, in der sich Spieleentwickler, Hersteller, Einzelhandel und Politik gemeinsam für eine bessere Akzeptanz des Mediums, für mehr Medienkompetenz und Jugendschutz und für eine bessere Produktionsförderung hochwertiger Spiele einsetzen. Ich glaube, genau das ist der richtige Weg, auch wenn in meinen Augen noch immer ein wichtiger Baustein fehlt.

    Wir brauchen einen Spielepreis, mit dem wir öffentlich deutlich machen, welche Computerspiele eine Bereicherung der Medienkultur sind, welche zu den besten ihrer Art gehören und so beispielsweise von Eltern ohne Bedenken für ihre Kinder gekauft werden können. Das gibt gleichzeitig einen wichtigen Impuls für die Branche, noch mehr solche öffentlich ausgezeichneten Spiele zu produzieren. Die positive Wirkung des Deutschen Filmpreises würde heute keiner mehr in Frage stellen. Der Bereich der Computerspiele ist es in jedem Fall wert, etwas Vergleichbares zu schaffen. Ich freue mich, dass ich zu diesem Vorschlag aus den verschiedensten Parteien bereits Zustimmung signalisiert bekommen habe und hoffe, im Zusammenhang der geplanten Stiftung kann ein solcher Preis initiiert werden.

    Etwas anderes, das uns im Medienbereich noch wirklich dringend fehlt, ist ein Medien- und Kommunikationsbericht, der neben einer Pressestatistik den klaren Blick auf die Zustände und Verhältnisse im Medienbereich offen legt. Nur, weil derzeit gerade etwas Ruhe in die Themen Pressefusion und Medienkonzentration eingekehrt ist, dürfen wir uns jetzt nicht zurücklehnen. Unser Engagement in diesem Feld kann nur dann erfolgreich sein, wenn genügend Erkenntnisse und statistische Grundlagen über diesen Bereich vorliegen. Deswegen begrüße ich es, dass der Bundeskulturstaatsminister plant, einen solchen Medien- und Kommunikationsbericht möglichst bald vorzulegen.

    Im Haushalt 2008 wird auch die Deutsche Welle einen Aufwuchs von 4 Millionen Euro bekommen. Das ist zunächst erst einmal positiv, doch ich befürchte, das reicht nicht aus. Die Mittel für die Deutsche Welle haben sich in den letzten 8 Jahren um rund ein Viertel gesenkt und das, während die internationalen Aufgaben gewachsen sind.

    Es ist der Deutschen Welle gelungen, Kooperationsverträge mit ARD und ZDF abzuschließen, um das Fernsehprogramm zu verbessern. Mit den zusätzlichen 4 Millionen können dieser Mehraufwand als auch die Ausweitung des arabischen Programms finanziert werden. Doch wenn wir mit der Deutschen Welle ein weiterhin so erfolgreiches und vor allem konkurrenzfähiges Medienunternehmen wollen, dann müssen wir auch an die Investitionsmittel denken. Zurzeit muss der Sender pro Jahr 8 bis 10 Millionen Euro aus Programmmitteln verwenden, um die unterfinanzierten Investitionsaufwendungen zu decken. Diese Mittel fehlen dann im Programm und genau das ist es doch, was man letztendlich auf der Welt sieht, hört und liest. Was wir beim Goethe-Institut erreicht haben - und zwar genau diese schädliche Kürzung bei den Programmmitteln zu vermeiden - müssen wir auch bei der Deutschen Welle schaffen.

    Der vorliegende Haushaltsentwurf spiegelt die steigende Bedeutung von Kultur nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland wider. Zum Haushalt des Auswärtigen Amtes werden wir zwar noch später kommen, doch die zusätzlichen 82 Millionen Euro im nächsten Jahr für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik verdienen es, auch schon in dieser Kulturdebatte hervorgehoben zu werden. Zum Vergleich: Das sind fast 15 Prozent Aufwuchs gegenüber dem letzten Jahr - ein wirklich großer Erfolg. Ich will zum Abschluss drei konkrete Punkte unseres zusätzlichen Engagements nennen:

    Das Goethe-Institut wird in diesen Monaten mit einem neuen Konzept zukunftsfähig gemacht. Dabei haben wir es auch nach jahrelanger Überzeugungsarbeit endlich geschafft, die komplette Budgetierung ab 2008 durchsetzen. Außerdem können wir jetzt die Programmmittel ab dem nächsten Jahr um mehrere Millionen Euro erhöhen. Das bringt noch mehr deutsche Kultur ins Ausland und der Austausch und Dialog, den wir auf der Welt dringend brauchen, kann damit verstärkt werden. Nicht zuletzt die drei Euro, die durch Sponsorengelder zu jedem von uns gezahlten Euro hinzu kommen, machen diese Mehrfinanzierung wirklich mehr als sinnvoll.

    Zum zweiten Beispiel: Mit über 40 Millionen Euro werden wir eine große Schulinitiative durchführen. Das gibt uns die Chance, dass endlich wieder mehr Schülerinnen und Schüler auf der Welt Deutsch als Fremdsprache lernen und dadurch eine bessere Beziehung zu unserem Land aufbauen. Gerade habe ich die Deutsche Schule in Montevideo besucht und wieder einmal erfahren welche wertvolle Arbeit dort seit bereits 150 Jahren für Deutschland geleistet wird.

    Und die dritte Initiative heißt „Aktion Afrika“. Hier werden wir den deutsch-afrikanischen Dialog mit 20 Millionen Euro durch Schüleraustausche, Medienarbeit, Stipendien, Künstleraustausche oder Kulturprojekte verstärken.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    ich bin froh, dass wir auch mit diesem Haushalt wieder einmal zeigen können, dass Kultur- und Medienpolitik als auch Außenkulturpolitik Themen mit Zukunft sind, die noch mehr Beachtung verdienen.

    Vielen Dank