Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    28.11.2007

    Generaldebatte zum Haushalt

    Rede im Plenum des Deutschen Bundestages


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    In Bezug auf den Haushalt des Kulturstaatsministers war in der Presse vom „Wunder von Bernd“ die Rede. Ohne das Bemühen des Staatsministers zu schmälern muss man allerdings sagen, dass die Erfolge eher ein Wunder des Parlamentes sind. Als dieses verabschieden wir heute einen besonders positiven Haushalt für die Kultur, wofür ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss insbesondere bei Petra Merkel bedanken möchte. Auch durch ihren Einsatz erfährt der Kulturhaushalt vor allem durch den Nachtragshaushalt einen wirklichen Geldsegen, der gut angelegt ist.

    Gut angelegt deshalb, weil aus diesen Mitteln wichtige Investitionen getätigt werden können, die überfällig sind. Petra Merkel hat auf die anstehende Sanierung der Staatsoper in Berlin, oder auf das Denkmalschutzprogramm des Bundes bereits hingewiesen. Ebenso waren uns in den Haushaltsberatungen die Förderung des Lepsiushauses in Potsdam und die Erhöhung der Mittel für die Kulturhauptstadt Essen 2010 wichtig.

    Der Bereich des Denkmalschutzes war uns ein besonderes Anliegen, weil dies ein Bereich ist, der auch aus strukturpolitischer Sicht eine große Bedeutung hat. 2003 hatte das Dach und Fach Programm der Bundesregierung für die neuen Bundesländer geendet. Zwar gab es weiterhin Bundesförderung im Bereich des Denkmalschutzes, jedoch nicht mit dieser Strahlkraft. Dabei sind gerade der Denkmalschutz und der Erhalt des kulturellen Erbes Bereiche, in denen die Länder bei aller Kulturhoheit auf die Unterstützung des Bundes angewiesen sind. Viele Gemeinden können die erforderlichen Mittel nicht aufwenden, um die Kirche oder das denkmalgeschützte Fachwerkhaus zu erhalten. Und auch die sind neben den großen Leuchttürmen wie den Preußischen Schlössern und Gärten wichtig.

    Es ist unser Anliegen, diesen Bereich für ganz Deutschland auszubauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei sollten Sie wissen, dass Denkmalpflege und Denkmalerhaltung zentrale Wirtschafts- und Arbeitsplatzfaktoren sind. In diesem Bereich sind viele kleine und mittelständische Unternehmen tätig, die oftmals auch hochgradig spezialisiert sind.

    Dadurch bleiben zudem Handwerksberufe erhalten, die sonst wahrscheinlich aussterben würden, wie zum Beispiel Stuckateure oder Steinmetze. Wie wichtig diese selten gewordenen Handwerkskünste sind, war bei der Herstellung der Spiegel im Grünen Gewölbe in Dresden zu erleben, das vor einem knappen Jahr von der Bundeskanzlerin wieder eröffnet wurde. Hier wurde eine Technik angewendet, die nur noch von ganz wenigen Experten beherrscht wird.

    Deutschland ist auf diesen Gebieten der Denkmalpflege und des dazugehörigen Handwerks weltweite Spitze. Auch deshalb gilt es, kulturelles Erbe nicht nur im materiellen Sinne sondern auch im Sinne des Kreativen, also von Fähigkeiten und Befähigungen zu erhalten. Investitionen sind in diesem Bereich gewissermaßen auch Investitionen in Spitzentechnologien und damit Investitionen in die Zukunft im allerbesten Sinne.

    Lassen Sie mich es ganz deutlich sagen: Unsere lebendige Gesellschaft lebt von diesem Wissen und den Fähigkeiten. Deshalb müssen auch diese weitervermittelt werden. Insofern können mit Kulturpolitik auch ganz gezielt andere Politikbereiche wie Bildung und Wirtschaft unterstützen. Kulturpolitik ist von daher gestaltende Politik.

    Erlauben Sie mir beim Stichwort Grünes Gewölbe und Dresden noch eine kleine Randbemerkung. Während Deutschland für seinen Denkmalschutz weltweit gelobt und beneidet wird, verspielen wir beim Streit um die Waldschlösschenbrücke in Dresden diese Anerkennung wieder. Kompromisse zur Lösung des Streits sind möglich und der Bund würde diese mit zusätzlichen Mitteln unterstützen. Mittlerweile gibt es mehr als 20.000 Unterschriften dafür, mit einem neuen Bürgerentscheid eine Kompromisslösung herbeizuführen und einen Tunnel zu bauen. Einzig die Landesregierung in Sachsen hat bisher keine ernsthaften Bemühungen für einen Kompromiss unternommen. Das ist sehr bedauerlich. An die Adresse der Bundesregierung gerichtet, möchte ich hinzufügen: Die Bundesrepublik steht hier insgesamt in der Verantwortung.

    Noch dazu blutet mir das Herz, wenn ich sehe, dass durch das Fällen von mehr als 100 Jahre alten und Eichen unwiderrufliche Tatsachen geschaffen werden. Bäume übrigens, die in Sachsen einmalig sind. Hier werden gewachsene Strukturen zerstört - das ist keine gestaltende sondern zerstörerische Politik!

    Doch lassen Sie mich nun lieber wieder zu etwas Erfreulichem kommen - den Steigerungen im Haushalt 2008. Hier sind zum Beispiel die zusätzlichen Mittel für die Gedenkstätten Buchenwald und Dachau zu nennen. Gedenkstätten erfüllen als Lernorte wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Es ist sehr erfreulich, dass die Besucherzahlen in den Gedenkstätten zunehmen. Das spricht für ihre Arbeit. Jedoch müssen die Gedenkstätten auch in die Lage versetzt werden, mit den damit verbundenen Anforderungen umzugehen. Sie müssen mehr Führungen anbieten können und mehr Personal beschäftigen. Auch wenn wir schon jetzt Verbesserungen erreichen konnten, liegen die wichtigsten Fragen bei der Weiterentwicklung der Gedenkstättenförderung des Bundes noch vor uns. Vorgeschlagen wird unter anderem, vier NS-Gedenkstätten in den alten Bundesländern in die institutionelle Förderung mit aufnehmen. Ein Vorschlag, den wir seitens der SPD-Fraktion sehr unterstützen.

    ch berichte Ihnen auch deshalb von der Debatte um die Weiterentwicklung des Gedenkstättenkonzeptes, weil dies ein wichtiges Schwerpunktthema im nächsten Jahr sein wird. Wir müssen zu dauerhaften und tragfähigen Strukturen kommen. Dafür sind allerdings auch zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich. Das sollten wir für zukünftige Haushaltsverhandlungen im Auge haben.

    Und es gibt weitere politische Schwerpunktthemen. Die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" wird in der nächsten Sitzungswoche ihren Abschlussbericht vorlegen. Darin beschreibt sie viele Bereiche als Teil unserer vielfältigen Kulturlandschaft, die sonst eher nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Was sehr schade ist

    Ich denke da beispielsweise an die Soziokulturellen Zentren, die gerade im ländlichen Raum oftmals das einzige kulturelle Angebot darstellen. Hier werden mit wenigen finanziellen Mitteln vielfältige kulturelle Angebote ermöglicht, die sich stark an den Interessen und Bedürfnissen sowohl der Bürger als auch der Künstler orientieren. Diese Arbeit wird an Bedeutung zunehmen. Die Stärkung der kulturellen Bildung und die Berücksichtigung von Kultur als Teil von Integration sind Themen, die wichtiger werden. Dabei haben neben den soziokulturellen Zentren auch viele der etablierten Kultureinrichtungen wichtige Vorbildfunktionen zu erfüllen, auf die sich noch besser einstellen müssen. Einrichtungen wie Bibliotheken und Musikschulen sind dabei ganz wichtig und müssen erhalten werden - gerade auch im ländlichen Raum.

    Das bringt mich zu einer ganz grundsätzlichen Anmerkung. Bei all der Freude über die zusätzlichen Mittel und des Lobes für diejenigen, die sie beschafft haben, müssen folgende Fragen im Mittelpunkt stehen. Geben wir das Geld an den richtigen Stellen aus? Welche Idee und Vorstellung verbinden wir damit, dass wir das Geld beispielsweise zum Erhalt des kulturellen Erbes geben? Damit sind also grundlegende Strukturfragen verbunden.

    Der Bericht der Enquete-Kommission wird in dieser Hinsicht sicherlich viele Anstöße für die vor uns liegenden Aufgaben geben. Und er wird unser Augenmerk auf die strukturelle Bedeutung von Kulturpolitik lenken, wenn es eben zum Beispiel darum geht, durch den Erhalt von Musikschulen und Bibliotheken Kinder zu kreativem und vernetztem Denken zu befähigen.

    Wenn es um die Frage des richtigen Geldeinsatzes geht, möchte ich auch die Initiative Musik ansprechen. Hier stellen wir erneut eine Million Euro für 2008 zur Verfügung, ohne dass bisher konkrete Förderprojekte begonnen haben. Das tun wir, weil wir überzeugt sind, dass wir mit diesem Instrument wichtige Anreize für die Rock-, Pop- und Jazzszene geben können. Erste Ziele wie den Spielstättenpreis für Jazzmusik oder die Tourbusförderung haben wir in unserem Bundestagsantrag formuliert. Es wird höchste Zeit, dass diese nun durch den Aufsichtsrat unterstützt durch Fachleute aus den jeweiligen Bereichen umgesetzt werden. Zentral dabei ist: Mit der einen Million Euro wollen wir nicht bestehende Musikwirtschaft finanzieren, sondern mit Anreizen gerade Nachwuchsprojekten eine Chance geben, die es sonst nicht gegeben hätte. Dann erst sind die Mittel sinnvoll eingesetzt.

    Über eine andere Sache habe ich mich persönlich sehr gefreut. Wir haben einen Preis für qualitativ hochwertige sowie kulturell und pädagogisch wertvolle Computerspiele initiiert. Daran arbeite ich zusammen mit anderen Medien- und Kulturpolitikern der SPD schon seit vielen Jahren. Jetzt stellen wir 300.000 Euro zur Verfügung und die Branche hat zugesagt, sich in ähnlicher Größenordnung zu beteiligen.

    Ich danke insbesondere Petra Merkel, Dorothee Bär und Jörg Tauss, die sich zusammen mit mir intensiv dafür eingesetzt haben.

    Schon ab dem nächsten Jahr kann eine unabhängige Jury in verschiedenen Kategorien wie Kinder- und Jugendspiel, Nachwuchs oder Innovation Preise für besonders positive Spiele verleihen. Dabei müssen die Preisgelder im Übrigen wieder für neue Spiele genutzt werden. So erreichen wir, dass mehr hochwertige und wertvolle Computerspiele in Deutschland produziert werden können. Und wir machen auch deren Wert für die Kultur und die Kulturwirtschaft deutlich. Kulturpolitik also, um Anreize zu setzen, Neues und Kreatives zu fördern.

    Neben all den positiven Aspekten möchte ich aber auch auf etwas hinweisen, was vor allem den Medienpolitikern unserer Fraktion leider noch immer zu kurz kommt im Haushalt des BKM: die Erforschung der Wirkung von Medien und ihrer Konzentration sollte angesichts der aktuellen Entwicklungen verstärkt werden. Zudem liegt immer noch nicht der geforderte Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag vor. Etwas, dass uns in den aktuellen medienpolitischen Debatten immer wieder fehlt. Das muss sich ändern.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bund engagiert sich nicht nur im Inland für Kultur und Medien, sondern ganz besonders auch im Ausland.

    Die Deutsche Welle konnte dringend benötigte Gelder bekommen. Mit 4 Millionen Euro werden nun endlich die Ausweitung des arabischen Programms auf 8 Stunden und die Verbesserung von Deutsche Welle TV durch die Kooperation mit ARD und ZDF finanziert. Es ist wichtig, dass Deutschland hier den Anschluss behält, denn dieses Instrument des internationalen Dialogs ist eines der wichtigsten.

    Einziger Wermutstropfen: die Abwicklung teurer Altlasten wie des Senders Nauen konnten nicht finanziert werden. Diese zusätzliche Belastung hätte ich der Deutschen Welle gern erspart.

    Gerade in der immer stärkeren internationalen Konkurrenzsituation haben wir eine hohe Verantwortung für die angemessene Ausstattung der Deutschen Welle. Hier ist auch in den nächsten Jahren unser Engagement gefragt. Und dass sich dieses auszahlt, kann man überall immer wieder sehen. Gerade vor wenigen Tagen durfte ich bei der Einweihung des von der Deutschen Welle eingerichteten Campus Radios der Deutschen Universität in Kairo dabei sein. Ein wirklich wunderbares Projekt, deren Wirkung weit trägt.

    Die Deutsche Welle ist als kultur- und medienpolitisches Instrument, das international agiert, in Verantwortung des Kulturstaatsministers, zeigt aber deutlich die unmittelbaren Schnittflächen mit auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik.

    Auch hier haben wir dank des Einsatzes meines Kollegen Lothar Mark und des Außenministers einen beachtenswerten Zuwachs von 82 Millionen Euro erreicht. Das sind fast 15 Prozent Aufwuchs gegenüber dem letzten Jahr - ein wirklich großer Erfolg.

    Mit über 40 Millionen Euro können wir 2008 eine Schulinitiative durchführen. Bei der „Aktion Afrika“ werden wir den deutsch-afrikanischen Dialog mit 20 Millionen Euro durch Schüleraustausche, Medienarbeit, Stipendien, Künstleraustausche oder Kulturprojekte verstärken.

    Darüber hinaus wird beim Goethe-Institut ab dem nächsten Jahr die komplette Budgetierung eingeführt und wir konnten die Programmmittel um mehrere Millionen Euro erhöhen. Damit führen wir die im letzten Jahr begonnene Trendwende in der auswärtigen Kulturpolitik fort. Gerade beim Goethe-Institut werden die positiven Effekte augenscheinlich. Während vor einem Jahr noch alle über Schließungen redeten, ist jetzt klar, dass kein Institut geschlossen werden muss. Ganz im Gegenteil: es konnten zusätzliche Präsenzen in Skopje und den Golfstaaten eröffnet werden. Bibliotheken in Bangalore und Mumbai werden ausgebaut und endlich können die Sprachangebote an den Orten verstärkt werden, an denen eine besonders große Nachfrage besteht.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    ich bin froh, dass wir mit diesem Haushalt die Weichen dafür stellen konnten, dass auch das nächste Jahr in Deutschland ein Jahr der Kultur und der Kunst und Kulturschaffenden werden kann.

    Vielen Dank.