Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    05.04.2008

    Soziokultur ist bunt und vielfältig

    Beitrag im Informationsdienst Soziokultur


    Im Kontext der öffentlichen und privaten Förderung und Finanzierung von Kunst und Kultur (Kapitel 3) hat sich die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ auch mit der Bedeutung der Soziokultur und soziokultureller Zentren beschäftigt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Anerkennung soziokultureller Zentren und ihrer Arbeit weiter zunimmt und die durch sie eröffneten Zugänge zu Kultur auch für andere Kulturinstitutionen viele wichtige Anregungen geben.

    Soziokulturelle Zentren bilden einen wichtigen Teil unserer Kulturlandschaft. Sie sind vielfältig und bieten ein breites Angebot für alle, Kultur nicht nur zu rezipieren, sondern auch selbst künstlerisch tätig zu sein. Soziokulturelle Zentren zeichnen sich durch eine besondere Nähe und Bezug zu den tatsächlichen Interessen und Bedürfnissen sowohl der Bürger als auch der Künstler aus. Gleichzeitig verfolgen sie keinen festgelegten kulturellen Wertekanon, sind für verschiedene Ansätze kultureller und künstlerischer Praxis offen und können interessante Sichtweisen und Ansätze unkompliziert und innovativ in neue kulturelle Angebote überführen.

    In der Bestandsaufnahme der Enquete-Kommission wurde deutlich, dass soziokulturelle Zentren nicht, wie oft angenommen, auf soziale Randgruppen beschränkte, sondern gesellschaftlich breit akzeptierte Kultureinrichtungen sind, die im weitesten Sinne sozialintegrativ und interkulturell arbeiten. Insofern gelten die Soziokultur und mit ihr die soziokulturellen Zentren als eigenständiges kulturelles Aufgabenfeld neben anderen wie der Hochkultur oder der Breiten- oder Bürgerkultur. Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung im ländlichen Raum und die Zunahme des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund in vielen Städten nehmen soziokulturelle Zentren eine Vorreiterrolle dabei ein, mit gezielten Angebote neue kulturelle Impulse zu setzen und daraus entstehende Ansprüche zu erfüllen.

    Herausforderungen und Problemfelder für Soziokulturelle Zentren bestehen vor allem in der internen Professionalisierung, um die begrenzten öffentlichen Mittel effizient einzusetzen und leistungsfähig zu sein. Für die in Soziokulturellen Zentren Beschäftigen sind komplexe Anforderungen verbunden, die neben dem Wissen um Kunstsparten und verschiedene Vermittlungsformen auch Kenntnisse von Finanzierungsformen und Eigenerwirtschaftung umfassen. Auch der Erfolg Soziokultureller Zentren bringt Probleme mit sich. Während einerseits die kommunale Förderung sinkt und deshalb die eigenen Einnahmen gesteigert werden müssen – was auch gelingt – verändert sich andererseits die Qualität der Kulturangebote. Es droht Verharmlosung und Kommerzialisierung, die der Intention soziokultureller Arbeit teilweise widerspricht. Oft finden die besonderen Anforderungen und Eigenheiten der Arbeit Soziokultureller Zentren keine Berücksichtigung in den Förderkriterien der Länder und Kommunen, die den größten Teil (über 80%) der finanziellen Förderung leisten.

    Zudem bestehen in vielen Soziokulturellen Zentren Beschäftigungsprobleme. Einrichtungen in überwiegend freier Trägerschaft können nur wenige festangestellte Mitarbeiter beschäftigen und sind auf das Engagement freier bzw. ehrenamtlicher Mitarbeiter, Praktikanten und Zivildienstleistender angewiesen. Die für soziokulturelle Zentren typische ehrenamtliche Arbeit wird jedoch zum Problem, wenn ehrenamtliche Stellen hauptamtliche ersetzen. Die wenigen festen Stellen sind oft unterdurchschnittlich bezahlt und schlecht rentenabgesichert. Langfristige Planungen sind dann nicht möglich und der Prozess einer Professionalisierung kann nur beschränkt eingeleitet werden bzw. ist die Qualität der Arbeit Soziokultureller Zentren langfristig sogar als gefährdet zu bezeichnen.

    Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat in ihrem Abschlussbericht Handlungsempfehlungen formuliert, die an die Kommunen und Länder als Hauptträger soziokultureller Arbeit, aber auch die Bundesregierung im Rahmen ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerichtet sind:

    • Soziokulturelle Zentren sollten als eigenständiger Förderbereich in der Kulturpolitik anerkannt werden.
    • In einem von der Bundesregierung geförderten Pilotprojekt sollte die Arbeit und Wirkungsweise Soziokultureller Zentren evaluiert werden, um daraus Rückschlüsse für spezifische Anforderungen für Aus- und Weiterbildung sowohl im universitären als auch nichtstaatlichen Bereich zu ziehen.
    • Damit verbunden ist der Vorschlag an die Länder, in einem Modellprojekt mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung Programme zur gezielten Ausbildung von Nachwuchs nach dem Vorbild von Volontariaten in Kooperation zwischen Hochschulen und Soziokulturellen Zentren zu entwickeln.
    • Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Soziokulturellen Zentren sollte im Rahmen der Ganztagsschulen, befördert durch die zuständigen Landesministerien, verbessert werden.
    • Die institutionelle Förderung der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren als Dach- und Fachverband aus Mitteln des Bundes sollte beibehalten und der Fonds Soziokultur um 25 Prozent erhöht werden.

    Diese Handlungsempfehlungen werden wir in unserer weiteren Arbeit, sofern sie die Bundesebene betreffen, aufgreifen und darauf hinwirken, sie umsetzen. In vielen anderen Fragen sind insbesondere auch die Länder und Kommunen gefordert. Soziokultur und die in den soziokulturellen Zentren praktizierte generationenübergreifende, interkulturelle sowie gesellschaftsbezogene und für alle sozialen Schichten offene Kulturarbeit sind ein unverzichtbarer Teil der öffentlichen Kulturförderung in Deutschland. Angesichts der Herausforderungen, denen soziokulturelle Zentren gegenüberstehen, müssen wir uns der gesamtstaatlichen Verantwortung stellen und Soziokultur als offenes und vielfältiges Konzept der kulturellen Eigeninitiative stärken.