Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    19.06.2009

    Plenarrede zum Gesetzentwurf der FDP „Staatsziel Kultur“


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich arbeite seit Jahren dafür, dass wir das Staatziel Kultur ins Grundgesetz aufnehmen. Leider kann ich den inhaltlich richtigen Gesetzesentwurf der FDP als Abgeordnete der Koalition nicht unterstützen.

    Mein Vorredner von der Union, Herr Grosse-Brömer, spricht sich ausdrücklich gegen ein Staatsziel Kultur aus und vertritt mit dieser Position die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Aus seiner Sicht soll das Grundgesetz nicht überfrachtet werden. Also dieses Argument ist nun wirklich fadenscheinig. Dann hätten wir auch nicht den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere im Grundgesetz verankern dürfen. Damals allerdings gab es auf Seiten der Union entsprechende Mehrheiten dafür. Beim Staatsziel Kultur gibt es die nicht und das finde ich sehr schade.

    An diesem Punkt werden einmal mehr sehr klare Unterschiede in den Positionen der Parteien in der Kulturpolitik deutlich. Ich glaube, das das auch gut ist, denn die Kulturpolitik wird bei der Wahl zum nächsten Deutschen Bundestag eine wesentliche Rolle spielen.

    Da ist es gut, wenn die Menschen klar sehen, wer wofür ist und wer wogegen. Und bei der Frage Staatziel sind wir als SPD dafür und die Union ist dagegen.

    Ich möchte kurz auf einige Punkte eingehen, die vor dem Hintergrund einer Staatszielbestimmung Kultur von Bedeutung sind. Denn meiner Meinung nach muss sich die Bedeutung einer solchen Zieldefinition vor allem daran messen lassen, was sie praktisch bedeutet.

    Deutlich machen möchte ich dies an zwei Punkten:

    Zum Einen haben wir uns als SPD beim Konjunkturpaket II der Bundesregierung sehr dafür eingesetzt, dass für Investitionen auch Kultureinrichtungen berücksichtigt werden können. Das ist uns gelungen. Es können auch Museen, Theater und Stadtteilbibliotheken bei Investitionen in die kommunale Infrastruktur Gelder bekommen.

    Zum Zweiten hat sich der Bundesarbeitsminister Olaf Scholz dafür eingesetzt, dass die soziale Lage von kurz befristet Beschäftigten verbessert wird. Aufgrund der verkürzten Rahmenfrist waren viele Beschäftigte im Kultur- und Medienbereich, vor allem Film, vom Arbeitslosengeld I ausgeschlossen. Im letzten Jahr schien die Situation aufgrund der uneinsichtigen Haltung der Union in dieser Frage ausweglos. Es ist Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und der SPD zu verdanken, dass dieses Problem doch noch in dieser Legislaturperiode gelöst werden kann und wir nachher die Gesetzesnovelle beschließen können.

    Jetzt werden Sie fragen: Was haben diese beiden Punkte, die Kultur im Konjunkturpaket und die soziale Lage, mit dem Staatsziel Kultur zu tun? Aus meiner Sicht sehr viel. Wenn ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankert ist, kann man sich darauf berufen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn es ist das Ziel des Staates, Kultur zu schützen und zu fördern. Das betrifft also auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden. Wenn die Sozialgesetzgebung überarbeitet wird, müssen die Belange der Kultur mit berücksichtigt werden. Wenn der Staat Museen und Theatern saniert, dann gibt es dafür eine Berufungsgrundlage.

    Jetzt könnte man sagen: Es hat doch auch so funktioniert. Ja, das stimmt und darüber bin ich sehr froh. Aber ein Staatsziel Kultur verankert dieses Prinzip eben auch im Grundgesetz, die wichtigste Grundlage für das Zusammenleben in unserem Land. Solch ein hoher Stellenwert von Kultur sollte unser gemeinsames Selbstverständnis sein, nur dann kann man mit Fug und Recht von einer „Kulturnation Deutschland“ sprechen. Genau deshalb muss dieses Selbstverständnis auch in unserem Grundgesetz zum Ausdruck gebracht werden, denn Kultur ist Lebensmittel.

    Hinzu kommt, dass wir jetzt noch kaum wissen können, wie deutlich sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf zukünftige Kulturausgaben auswirken wird. Im Moment scheint wegen der öffentlichen Kulturförderung in Deutschland vieles sicherer. Auch wenn es für viele Stiftungen und Vereine wegen fehlender Einnahmen aus Zinsen und Spenden schwieriger wird.

    In anderen Ländern, wie beispielsweise den USA, bricht schon jetzt vieles weg. Allerdings werden auch bei uns die kommunalen Haushalte in vielen Orten sicherlich weiter unter Druck geraten. Dann wird man sich entscheiden müssen, ob man die Musikschule erhält oder doch eine neue Straße baut.

    Ein Staatsziel Kultur bringt zum Ausdruck, was uns ausmacht, worauf wir fußen. Mit einem Staatziel müssen Entscheidung dann auf klar nachvollziehbaren und gut begründeten Kriterien beruhen. Man wird die Musikschule nicht einfach damit abtun können, dass die Kultur nachrangig und damit nicht so wichtig ist.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    Sie sehen, dass uns die Entscheidung, den Gesetzentwurf der FDP abzulehnen, nicht leicht fällt. Dass es übrigens gerade die FDP ist, die so einen Entwurf vorlegt, verwundert mich doch etwas. Im Bundesrat hatte Berlin schon vor Monaten das Staatziel eingebracht und da waren es die Landesregierungen an der auch die FDP beteiligt ist, die das Staatziel haben scheitern lassen. Dementsprechend finde ich Ihren heutigen Antrag etwas scheinheilig.

    Egal ob auf Landes- oder Bundesebene: SPD ist klar dafür, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Allerdings sind wir ein verlässlicher Partner in dieser Koalition und werden, da ein Koalitionskompromiss nicht möglich war, auch hier gemeinsam abstimmen. Ach kann Ihnen aber versichern: Wir werden in der nächsten Legislaturperiode einen neuen Anlauf unternehmen.

    Vielen Dank!