Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    11.03.2005

    Plenarrede zum GWB-Novelle (Pressefusion)


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Als Kulturpolitikerin begrüße ich ausdrücklich, dass wir mit dem heutigen Novellierungsentwurf zu einer Einigung gekommen sind, durch die nun endlich einmal etwas frischer Wind in die Verlagswirtschaft kommt.

    Natürlich darf solch ein Gesetz nicht allein aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet werden, sondern ganz zentral ist die Frage nach den kulturellen Auswirkungen.

    Ganz klar: Es geht uns um Vielfalt in der deutschen Presselandschaft. Die haben wir zum Glück - und zwar eine größere als in vielen anderen Staaten - und diese Pressevielfalt wollen wir erhalten und weiter fördern.

    Jetzt wäre es allerdings genau falsch zu sagen, wir lassen alles, wie es ist. Die Krise der Verlage war wirklich deutlich zu sehen in den letzten Jahren und da ist es tendenziell richtig die Gesetzeslage erst zu überprüfen und dann die Regelungen an die aktuelle Situation zu anzupassen.

    Ansonsten kann es nämlich schnell passieren, dass es immer mehr Zeitungen gibt, die wirtschaftlich nicht stark genug sind und aufgeben müssen. Genau da liegt unsere Verantwortung 1. natürlich für die Verlage und deren Mitarbeiter, 2. aber eben auch ganz klar für die Pressevielfalt.

    Wir haben uns jetzt entschieden, die Aufgreifschwelle auf 50 Mio zu erhöhen und eine Bagatellklausel von 2 Mio. einzuführen. Das ist noch moderat und bietet eine zusätzliche Option gerade auch für kleine Verlage. Dass hier keiner plötzlich kommen kann, der mit unfairen Mitteln reihenweise Verlage aufkauft, dafür sorgt das Gesetz auch weiterhin. (besonders GWB § 19 Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung & GWB § 20 Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung)

    Eine Gefahr besteht eher im Feld der Kooperation. Da sage ich Ihnen ganz klar: es darf nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Kooperation die Redaktionen einzelner Zeitungen zusammengelegt werden und dadurch Stimmen in der Meinungsvielfalt verloren gehen.

    Genau deswegen bin ich auch froh, dass es kein Redaktions- oder Altverlegermodell geben wird. Stattdessen finden sich im Paragraf 31 Kooperationsmöglichkeiten in den rein wirtschaftlichen Bereichen Anzeigen, Druck und Abonnementvertrieb. Unter Auflagen dürfen sich hier maximal fünf Zeitungen zusammenschließen, wenn dadurch eine bedrohte Zeitung gerettet wird. Das ist also ausdrücklich dazu da, um eine kleine Zeitung, die ansonsten eingestellt würde, zu sichern und die Verlagslandschaft insgesamt international wettbewerbsfähiger zu machen.

    Natürlich gibt es hier die Gefahr, dass solch eine Regelung ausgenutzt wird. Doch mit dem Kartellamt, das solche Kooperationen im Vorfeld prüften muss, haben wir nach wie vor ein starkes Kontrollinstrument, um einen Missbrauch zu verhindern.

    Besonders wichtig ist mir persönlich auch, dass sich die Kooperation auf den Abonnementvertrieb und nicht auf den Einzelvertrieb bezieht und ich bin froh, dass dies in den Änderungskatalog aufgenommen wurde. Der Einzelvertrieb wird in Deutschland durch das Grossosystem geregelt. Genau deswegen kann jede Frau und jeder Mann, egal ob auf dem Land oder in der Stadt immer aus einem vielfältigen Pressesortiment wählen.

    Das Grossosystem ist also ein wertvoller Garant für die Verfügbarkeit und die Vielfalt von Presse – ich glaube, da stimmen mir auch die Kollegen von der Opposition zu. In diesem Zusammenhang begrüße ich die gemeinsame Erklärung, in der die Verlage zusammen mit dem Verband der Grossisten im letzten Jahr bekräftigt haben, dass sie dieses System, so wie es ist, bewährt hat und auch in Zukunft so bleiben soll. Ich gehe davon aus, dass sich alle Akteure daran halten und sehe also keinen Grund, warum wir hier noch einen Entschließungsantrag brauchen. (FDP)

    Bevor auch wir Kulturpolitiker diesem Gesetzesentwurf zustimmen konnten, haben wir ganz genau abwägen müssen. Entweder sterben zu schwache Verlage einfach so oder wir versuchen es mit Kooperationsmöglichkeiten unter der eindeutigen Vorgabe, dass die Redaktionen eigenständig bleiben sollen.

    Wir haben uns mit diesem Entwurf dafür entschlossen etwas zu tun. Eines will ich aber ganz klar sagen: Wir machen mit dieser Gesetzesnovelle ein Zugeständnis an die Verlage, weil wir deren schwierige wirtschaftliche Lage sehen. ABER: das bedeutet nicht, dass diese jetzt zulasten der Pressevielfalt agieren dürfen.

    Damit das verhindert wird, legt die Novelle fest, dass die Kooperationsregelungen nach 5 Jahren außer Kraft treten. Außerdem wird die Evaluierung nicht erst im nächsten Jahr oder noch später beginnen, sondern wir werden die Umsetzung von Anfang an ganz genau beobachten. Wenn klar wir, dass hier jemand die neuen Regelungen schamlos ausnutzt, dann werden wir sofort aktiv. Das kann ich Ihnen versichern.

    Meine Damen und Herren.

    Lassen Sie uns diese Gesetzesnovelle als Chance begreifen, einen Wirtschaftszweig zu stärken und dabei trotzdem die Pressevielfalt erhalten zu können. Eine Sicherheit gibt es nie und das gilt auch für diesen Fall. Allerdings sind wir uns über die Risiken sehr im Klaren und können gerade deshalb Fehlentwicklungen, die es hoffentlich nicht geben wird, sehr genau erkennen und etwas dagegen tun.