Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    18.01.2006

    Interview mit der Lüneburger Zeitung

    Thema: Medienaufsicht und Medienfusionen


    Wird das derzeitige Medienmonopoly dazu führen, dass die Medienaufsicht des Staates reformiert wird?

    Monika Griefahn: Das ist sicherlich ein wichtiger Aspekt. Es ist aber nicht nur die Medienaufsicht als solche, welche zur Diskussion steht, sondern auch das Medienkonzentrationsrecht, das überprüft werden muss. Denn wir haben ja zwei Teilbereiche., Einmal ist es das Fusionsrecht, das die Konzentrationsgrenze bei 25 bzw. 30 Prozent zieht. Hier besteht auch die Möglichkeit, zu klagen. Zum anderen hat der Gesetzgeber der KEK die Möglichkeit gegeben zu bewerten, wie Medienmacht aussehen könnte. Doch das ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt. Außerdem sind die verschiedenen crossmedialen Aspekte nicht berücksichtigt, weil zu dem Zeitpunkt der Gesetzgebung die medialen Voraussetzungen andere waren als sie heute sind.

    Wie stehen Sie in diesem Fall zu dem Mittel der Ministererlaubnis, das jetzt bei Wirtschaftsminister Glos liegt?

    Griefahn: Ich halte das für sehr problematisch, denn wir haben sowohl rechtliche Konstruktionen als auch Gremien, die die Kompetenz haben, so etwas zu entscheiden. Sonst braucht man diese Einrichtungen nicht. Die Ministererlaubnis halte ich für ein sehr schlechtes Instrument. In diesem aktuellen Fall muss der Minister schon gute Argumente finden, um das, was aus den Gesetzen interpretiert und der KEK vorgebracht wird, zu widerlegen. Es gibt sicherlich nur einen Fall, in dem ich mir eine Ministererlaubnis vorstellen kann: Nämlich dann, wenn die Auflagen, die vorher diskutiert worden sind, aber zeitlich nicht realisiert werden konnten, zu einer Fristverlängerung führen. .

    Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein?

    Griefahn: Dass Springer das ProSieben-Verkaufsangebot zurückgezogen hat, führt eher dazu, dass entweder Springer die Ministererlaubnis dahingehend beantragt, einen Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt zu vollziehen. Oder aber auf die Landesmedienanstalten hofft, die mit einer Dreiviertel-Mehrheit die KEK überstimmen könnten. Das ist etwas, was Springer mit politischen Vertretern zurzeit erörtern kann. Aber ich denke, dass der Konzern eher versucht, preiswert aus dem Deal herauszukommen, da ab dem 23. Januar eine Vertragsstrafe fällig wird.

    Die Linkspartei fordert erneut die Abschaffung der Ministererlaubnis. Sie plädiert für eine umgekehrte Vorgehensweise, d.h. der Bundeswirtschaftsminister soll erteilte Fusionsgenehmigungen untersagen dürfen. Eine gute Idee?

    Griefahn: Nein, das wäre eine staats-zentralistische Lösung, die dann einem Minister alleine Rechte gibt, die es in einer Demokratie eigentlich nicht geben sollte. Auch ein Minister muss sich an Recht und Gesetz halten. Und wenn er Behörden hat, welche bestimmte Zuständigkeiten haben, dann darf er die auch nicht in einem Veto-Verfahren überstimmen dürfen.

    Die Intendanten von ZDF und WDR, Fritz Pleitgen und Markus Schächter, bevorzugen eine nationale Lösung. Muss der deutsche Medienmarkt vor ausländischen Investoren geschützt werden?

    Griefahn: Das glaube ich nicht. Ich denke, dass die gesetzlichen Vorgaben so sind, dass wir ja durch das Medienkonzentrationsrecht eine Begrenzung von Möglichkeiten haben, sich zu stark einzukaufen. Auch da dürfen die 25 oder 30 Prozent, je nach Medium, nicht überschritten werden. Das heißt, wenn ein ausländischer Investor rein aus finanziellen Interessen eine Sendergruppe kauft und damit 25 bis 30 Prozent nicht übersteigt, dann wäre das auch kein Problem für den deutschen Markt, da es in diesem Fall keine Medienkonzentration im engeren Sinne gibt. Insofern halte ich die ,,nationale Lösung" für zu kurz gegriffen, denn natürlich investieren unsere beiden deutschen Global Player, Springer und Bertelsmann, ja selbst im Ausland. Natürlich würde ich es begrüßen, wenn sich ein deutscher Käufer fände, bei dem eine vorherrschende Meinungsmacht nicht zu befürchten ist.

    Das Kartellamt befürchtet eine überragende Marktstellung, zumal der Konzern dann die Möglichkeit zu Crosspromotion habe, d.h. BILD könne in TV-Sendungen genannt werden, das Blatt wiederum Sendungen begleiten. Ist die Trennung von Werbung und Programm auf Dauer überhaupt aufrechtzuerhalten?

    Griefahn: Dafür setzen wir uns bei der Europäischen Union vehement ein. Es gibt die neue Richtlinie ,,Fernsehen ohne Grenzen", die sich damit beschäftigt. Da sind wir sowohl in den Koalitionsfraktionen als auch als deutsche Bundesregierung sehr engagiert. Wir sprechen uns nach wie vor für die Trennung von Programm und Werbung aus und wollen erreichen, dass das national auch weiterhin vorgeschrieben werden kann. Denn in vielen Ländern, wo das nicht der Fall ist, ist der Informationsgehalt von Fernsehen sehr verschwommen und die Qualität wird stark reduziert.

    Die Umstellung von analoger auf digitale Technik öffnet neue Geschäftsfelder, da es mehr Platz im Kabel gibt. Internet, Telefonie, Fernsehen -- alles aus einer Hand. Sind neue Regeln für eine Verhinderung von Medienkonzentrationen in Arbeit?

    Griefahn: Ja, das ist genau das, was ich fordere. Wir brauchen eineÜberprüfung des Medienkonzentrationsrechtes, da es ursprünglich nur auf einzelne Medienbereiche ausgerichtet war. Wenn sich nun Verflechtungen ergeben (Crosspromotion), also vieles auf verschiedenen Ebenen gesendet wird -- etwa Fernsehen auf Mobiltelefon oder auf PDAs -- ergeben sich auch neue Wege, um zum Beispiel Direct Marketing via Email oder Fernsehgerät zu machen. Das muss genau analysiert werden. Wir befinden uns hier gerade in einem Prüfungsprozess, um bestehende Gesetze gegebenenfalls zu konkretisieren. Das muss im Übrigen auch mit der Europäischen Union innerhalb ihres Auskunftsersuchens geklärt werden. Im Prinzip will die EU die öffentlich-rechtlichen Sender sehr stark einschränken und sie auf die reinen Informationssendungen und auf analoges Fernsehen begrenzen. Hier setzen wir uns gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass die Öffentlich-Rechtlichen auch weiterhin die gesamte Breite der Information bieten und auch neue Medien als Übertragungswege nutzen können müssen. Es gilt, die Vielfalt für den öffentlich-rechtlichen Nutzer zu erhalten und zu gestalten.

    Wie steht es mit dem Datenschutz, der durch die globalen Strukturen immer angreifbarer wird?

    Griefahn: Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema. Dazu bereiten wir gerade gesetzliche Konkretisierungen vor: Wie kann man gerade in dieser Zeit, wo eben alles über elektronische Wege geht, die fast von jedem auch anzuzapfen sind, Daten sichern? Ein sehr heißes Thema, und ich glaube, es gibt noch keine Patentrezepte dafür. Wichtig ist nur, dass man nicht von vornherein -- wie jetzt zum Beispiel über die EU-Richtlinie zur Datenspeicherung -- alle möglichen Daten speichert. Wir bereiten gerade einen entsprechenden Antrag vor, der noch im Februar eingebracht werden soll. Wir wollen uns dagegen wehren, vollständig zum ,,gläsernen Menschen" zu werden.

    Im vergangenen Jahr hat Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff u.a. durchgesetzt, dass der NDR mehr Beiträge über Niedersachsen senden muss. Ein Vorbote dafür, dass auch der Staat versucht, seinen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erweitern?

    Griefahn: Ich hoffe, dass wir unsere Konstruktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks behalten. Denn hier garantieren Kontrollgremien, die aus vielen gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind, die Vielfalt. Und ich wünsche mir sehr, dass wir auch weiterhin sehr aktive Programmbeiräte haben, die darauf achten, dass eben nicht die Öffentlich-Rechtlichen mehr Telenovelas senden als die Privaten, sondern gerade auch Informationssendungen angeboten werden. Ich hoffe sehr, dass die Vielfalt tatsächlich erhalten bleibt. Und dass eine politische Entscheidung auf Ministerpräsidentenebene, wie es im vorigen Jahr bei den Gebühren passiert ist, keine Schule macht. Sondern man sollte die KEF die Gebührenhöhe feststellen und vorschlagen lassen. Wenn ein Ministerpräsident fordert, die Landesberichterstattung zu verstärken, ist dies erst einmal legitim. Und wenn die Programmbeiräte sagen, dass es eine ernst zu nehmende Forderung ist, dann ist es eine Sache der Programmbeiräte, das vorzuschlagen. Ich hoffe, das passiert auch in Zukunft so.

    Drohen uns auf lange Sicht italienische Verhältnisse, wo Berlusconi nicht zuletzt durch seine Stellung als Medienmogul an die Macht kam?

    Griefahn: Ich glaube nicht, dass dies so einfach ist. Dadurch, dass wir eine größere Anzahl von Rundfunkanstalten haben und auch unterschiedliche ,,Länderfürsten", sind bei uns andere Gegebenheiten. Das hat schon einen Vorteil. Nämlich, dass wir nicht ein staatliches Fernsehen -- wie die RAI in Italien -- haben. Wir transportieren unser Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in viele Länder und erklären die Vorzüge, denn häufig gibt es nur staatlichen Rundfunk und privaten Rundfunk. Und ich denke, unser Modell des dualen Systems sollte auf jeden Fall erhalten bleiben.