Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

Archiv

Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

Archives

On this website you find information about my work as member of parliament (1998 - Oct. 2009)

Curriculum Vitae english Curriculum Vitae français Curriculum Vitae spanish Curriculum Vitae russian Curriculum Vitae chinese

    30.06.2006

    Plenumsrede zur Aufgabenplanung Deutsche Welle


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Sehr geehrte Frau Präsidentin,
    liebe Kolleginnen und Kollegen,

    jetzt dauert es gar nicht mehr lang und hier in Berlin wird angepfiffen zum heiß erwarteten Viertelfinale. Wer nicht im Stadion sein kann, der sitzt vor den Bildschirmen und zwar überall auf der Welt. Natürlich fiebere auch ich besonders für unsere Elf mit. Doch insgesamt gesehen, geht es für uns in Deutschland noch um viel mehr als allein um die Spiele oder das Endergebnis. Für uns geht es auch darum, uns als Nation der Welt zu präsentieren und den Menschen in anderen Ländern zu zeigen: Deutschland ist ein außergewöhnliches und spannendes Land mit Menschen, die gastfreundlich, weltoffen und interessant sind.

    Wie ansteckend die tolle Stimmung ist, merkt jeder, der auf den Straßen unterwegs ist. Genauso empfinden es auch viele ausländische Medien. Vor einigen Tagen machte uns beispielsweise die Londoner Times ganz ungewohnte Komplimente und schrieb, dass momentan für uns Deutsche Begriffe wie „Humor, Mode, Eleganz und Leichtigkeit“ stünden.

    Doch nur ein Bruchteil der Milliarden von Menschen, die vor den Bildschirmen weltweit die WM verfolgen, können selbst nach Deutschland kommen und hier einen Eindruck vor Ort bekommen. Deswegen sind die Medien besonders in dieser Zeit unser Fenster zu Welt. Die Deutsche Welle ist dabei unsere kraftvolle Stimme, die mit Fernsehen, mit Radio und mit Internet rund um die Uhr und rund um den Globus von Deutschland berichtet.

    Gerade bei Ereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft wird ganz deutlich, welche Chance und welches Potential wir mit der Deutschen Welle haben. Es geht dabei nicht darum, dass die Deutsche Welle Spiele live im Fernsehen überträgt. Die hohen Summen für die Übertragungsrechte können nationale Sender viel eher aufbringen. Das ist nicht die Aufgabe. Stattdessen geht es in erster Linie um etwas anderes und das steht stellvertretend für die gesamte Arbeit der Deutschen Welle.

    In Fernsehen, Radio und Internet werden gerade viele Fußballthemen zum Anlass genommen, über deutsche Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu berichten und Menschen in anderen Ländern damit für unser Land zu interessieren. So findet man beispielsweise auf der Interseite, die in 30 Sprachen verfügbar ist, eben nicht nur einen Live-Ticker, durch den man die Spiele verfolgen kann, sondern auch Hintergrundberichte zu deutschen Firmen, die bei der WM besonders involviert sind, Informationen zum Studienstandort Deutschland oder mehr über das kulturelle Leben.

    Diese Informationsleistung und das Werben für unser Land sind die Basisanforderungen, die wir an die Deutsche Welle stellen. Aber auch die einzelnen Aufgaben müssen immer wieder an die aktuelle Situation und das Weltgeschehen angepasst werden. Nachdem wir 2004 das neue Deutsche Welle Gesetz beschlossen haben, liegt dem Parlament jetzt zum ersten Mal nach Maßgabe eine Aufgabenplanung vor, die beschreibt, was sich der Sender für die kommenden Jahre vorgenommen hat.

    Ich begrüße es, dass die momentanen regionalen Schwerpunkte erneut bekräftigt wurden. Besonders im Vordergrund stehen damit

    1. die Zusammenarbeit in Europa,
    2. der Arabische Sprachraum und
    3. Asien.

    Es ist nicht schwer, Begründungen für gerade diese Schwerpunktregionen zu finden. In Europa muss es auch unsere Aufgabe sein, den europäischen Verfassungsprozess und die europäische Integration gerade der neuen Mitgliedsstaaten voranzutreiben. Im arabischen Raum müssen wir noch mehr für einen funktionierenden Dialog der Kulturen tun und in der boomenden Region Asiens setzen gute auch wirtschaftliche Beziehungen ein zeitgemäßes Deutschlandbild voraus.

    Diese Schwerpunkte der Deutschen Welle decken sich mit der Ausrichtung der gesamten Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, so dass die Medienarbeit hier zu einer wichtigen Ergänzung der sonstigen Programme der Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut, dem Deutschen Archäologischen Institut oder dem Deutschen Akademischen Austauschdienst wird.

    Die Prioritätensetzung bedeutet aber nicht, dass wir andere Weltregionen, in denen wir uns seit Jahren engagieren, vernachlässigen. In Nord- und Südamerika, in Afrika und in Australien ist die Deutsche Welle sehr aktiv und wird es auch bleiben. Dennoch ist es wichtig, sich für einige wenige Schwerpunkte zu entscheiden, die besonders verfolgt werden.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich kann uns allen einen generellen Appell nicht ersparen. In dieser Woche hatten wir im Unterausschuss für Auswärtige Kultur und Bildungspolitik eine Anhörung zur momentanen Lage der Goethe-Institute. Dabei wurde von den Sachverständigen besonders eines kritisiert. Der ehemalige Botschafter Fritjof von Nordenskjöld brachte es auf den Punkt als er hinterfragte, ob es wirklich dem Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland entspräche, nur ein Prozent des Gesamtbudgets für die gesamte Außendarstellung unseres Landes und dabei sogar noch weniger als ein viertel Prozent für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik aufzuwenden. Ich muss diesem Zweifel ausdrücklich zustimmen.

    Wenn es darum geht, Deutschland als Kulturnation, als das Volk der Dichter und Denker, als ein ganz entscheidendes Land auf der kulturellen und politischen Weltkarte zu proklamieren, dann können wir das oft und laut hören. Doch bei der Finanzierung verschieben sich die Prioritäten leider viel zu schnell woanders hin.

    Ich will die wertvolle Arbeit in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik überhaupt nicht klein reden. Doch der Anspruch, den viele an sie haben auf der einen und die finanzielle Ausstattung auf der anderen Seite stehen kaum in einem ausgewogenen Verhältnis. Ich will Ihnen nur einige wenige Beispiele geben:

    Allein dem WDR steht fünfmal soviel Geld zur Verfügung wie der Deutschen Welle. Wenn wir nur das Fernsehen betrachten, so werden allein Tagesschau und Tagesthemen mit dem gleichen Budget produziert, wie der Deutschen Welle für das komplette TV-Programm zur Verfügung steht. In der gleichen Dimension ist auch das weltweite, hoch angesehene Netz von Goethe-Instituten zu sehen. Ein Autobahnkreuz kostet mehr als das, was uns im Jahr die 141 Institute in 80 Ländern wert sind.

    Ich glaube, das ist gerade in der Zeit keine gute Entwicklung, in der Globalisierungsprobleme und die politische Situation in vielen Ländern, dem kulturellen Austausch und der Verständigung mehr denn je bedürfen.

    Mich überraschen immer wieder Menschen, die glauben, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sei ein Luxus, den sich Deutschland dann leisten kann, wenn am Ende noch Geld übrig ist. Wie wenig zeitgemäß diese Ansicht ist, merkt man schnell, wenn man ins Ausland schaut. In den letzten Jahren gab es einen regelrechten Boom von Auslandssendern.

    Die USA haben neben der Voice of America mit Al Hurra seit zwei Jahren einen eigenen arabischen Sender. Auch die englische BBC, das französische france télévision oder die italienische Rai Med sehen, wie wichtig der Austausch mit dem arabischen Raum ist und strahlen eigene Angebote aus oder haben es in naher Zukunft vor.

    Die Deutsche Welle hat viel Weitsicht bewiesen, als sie 2002 als erster ausländischer Sender mit einem arabischsprachigen Angebot antrat. Diesen Vorsprung dürfen wir uns jetzt nicht von aufkommenden Konkurrenzsendern kaputtmachen lassen. Dafür braucht es aber auch Geld. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die vorliegende Aufgabenplanung vorsieht, das Fernsehprogramm von momentan drei auf sechs bis acht Stunden auszuweiten.

    Wenn wir in dieser Zeit an der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik weiter sparen, dann fällt uns das in wenigen Jahren auf die Füße. Die Liste der Länder, die auf internationale Fernsehangebote setzen wird immer länger: Dubai, Iran, Ägypten, China, Russland, Japan, Südkorea und Länder Südamerikas. Viele dieser Nationen investieren ebenso in eigene Kulturinstitute. Am 27. April 2006 eröffnete die Volksrepublik China beispielsweise gerade das erste Konfuzius-Institut in Deutschland.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    alle diese Länder nehmen sehr viel Geld in die Hand, um weltweit durch den Rundfunk eine Stimme zu bekommen und mit ihrer Kultur im Ausland vertreten zu sein.

    Spätestens das zeigt uns doch, dass wir unsere Arbeit in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht zurückfahren dürfen, sondern im Gegenteil verstärken müssen.

    Ich bin froh, dass zumindest für dieses Jahr der Haushalt der Deutschen Welle stabil geblieben ist. Bei den Goethe-Instituten sieht es da weitaus schwieriger aus. Für die kommenden Zeit im Allgemeinen und den Haushalt 2007, den wir im September debattieren im Speziellen, liegen zwei wichtige Aufgaben vor uns. Zum einen das verstärkte – meiner Meinung nach auch finanzielle – Engagement in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und zum anderen die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Mittlerorganisationen.

    Wie wir auch an dieser Aufgabenplanung sehen, haben wir bei der Deutschen Welle mit dem veränderten Gesetz bereits viel erreicht, was Flexibilisierung und Effektivität angeht. Für das Goethe-Institut stehen mit der Budgetierung und dem Prinzip der Überjährlichkeit solche Veränderungen an, die nun endlich so bald als möglich für das gesamte Institut gelten müssen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    kämpfen Sie mit mir für diese Politik. Denn es geht letztendlich um weitaus mehr als um einen Monat Fußballweltmeisterschaft. Es geht darum, das Bild der Deutschen in der Welt auf Dauer positiv zu festigen.

    Vielen Dank