Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    01.06.2007

    Zur deutschen Pop-Musik im Radio

    Interview in Promedia


    promedia: Frau Griefahn, Sie haben vor kurzem eine Analyse des Abspielens von deutscher Pop-Musik in den Radiosendern vorgestellt, die für die Sender sehr negativ ausfiel. Wie erklären Sie sich das?
    Griefahn: Es gibt gerade im Berliner Raum sehr viele Radiosender, die unsere Initiative von 2004 aufgegriffen und mehr Popmusik aus Deutschland gespielt haben, aber es gibt auch andere, die das nicht getan haben. Zwar haben sich in den Monaten nach der Diskussion viele Sender bemüht mehr Musik aus Deutschland, vor allem von jüngeren Interpreten zu spielen, aber sie sind dann offensichtlich wieder zum alten Trott überwiegend englischsprachiger Titel zurückgekehrt. Das hat sicherlich damit zu tun, dass der Druck nicht mehr da war. Deswegen haben wir damals auch Selbstverpflichtung der Radiosender gefordert. Außerdem sollten sich diese überlegen, mit welchen Formaten sie noch besser junge Künstler promoten könnten. Die Zahl der Plattenverkäufe in den Top 50 ist mit 183 Alben auf Deutschland in 2005 und 2006 konstant geblieben. Im Vergleich ist dagegen die eh schon relativ geringe Zahl von 96 im Radio gespielten Titel aus Deutschland in 2005 inzwischen auf 69 runter gegangen. Deswegen sollten wir uns noch mal an einen Tisch setzen und überlegen, wie man den Anteil von Popmusik aus Deutschland wieder erhöhen kann.

    promedia: Die ARD behauptete ja, dass sie das nicht betrifft, sodass man den Eindruck hatte, es betreffe nur die Privatradios…
    Griefahn: Das stimmt natürlich nicht, denn es existieren ja 61 ARD-Sender und hier ist das Verhältnis zur deutschen Musik sehr ambivalent. In den Großstadtbereichen, wie Hamburg und Berlin, mag das auch stimmen, aber auf dem Land nicht mehr. Die Privatradios haben ihr formatiertes System, in dem teilweise nur 150 Titel in Rotation laufen und bei dem neue Interpreten oft überhaupt nicht mehr vorkommen.

    promedia: Einen runden Tisch gab es bereits vor vier Jahren mit Vertretern aus der Politik und allen großen Radiostationen. Viel gebracht hat das aber anscheinend nicht…
    Griefahn: Es hat kurzzeitig etwas gebracht, aber offensichtlich ist das Interesse wieder erlahmt und das hat uns dann auch aufgeschreckt. Wenn zusätzlich jetzt noch eine Studie zu dem Ergebnis kommt, dass die Qualität und das Ansehen des Radios leiden und es immer stärker als reines Hintergrundmedium wahrgenommen wird, dann muss das auch den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu denken geben. Gleichzeitig fordert allein die ARD eine Gebührenerhöhung um 95 Cent im Jahr 2009, weil die Kosten gestiegen seien und sie mehr Qualität bringen wollen. Aber zu einer hohen Qualität gehören eben auch programmliche Vielfalt, die eigenen Formate und Mitarbeiter, die sich darum kümmern.

    promedia: Sollte die Gebührendebatte damit stärker mit der Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Auftrag und über öffentlich-rechtliche Qualität verbunden werden?
    Griefahn: Die KEF muss unter dem Status Quo eine genau Prüfung des Auftrages und der Notwendigkeit vornehmen und sich dann die Kosten ansehen. Bei der letzten Entscheidung sind dann die Ministerpräsidenten vom Vorschlag der KEF abgewichen und haben einen anderen Vorschlag durchgesetzt. Es kam daraufhin zu Einschränkungen beispielsweise beim DeutschlandRadio bei der Förderung von Orchestern wie dem RIAS Jugendorchester. Dazu darf es nicht wieder kommen. Die unabhängige Entscheidung der KEF so auszuhöhlen, schadet allen Beteiligten.

    promedia: Nun sieht ja auch der Kompromiss mit Brüssel Anforderungen an den Auftrag von ARD und ZDF vor, auch bei den neuen Medien...
    Griefahn: Ich halte es für wichtig, dass ARD und ZDF die neuen Medien mit bedienen, sonst haben wir einen zweigeteilten Rundfunk: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die „ältere“ Generation, die eher die klassischen, analogen Medien nutzt und andere Medien für die jüngere Generation. Um das zu verhindern müssen wir dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen, dass er das breite Spektrum zwischen Information und Unterhaltung abbilden kann. Ich denke, dass eine genaue Definition von Programmbegleitung notwendig ist. Klar sollte sein, dass dazu auch neue Angebote für neue Medien zählen. Manche Inhalte bieten sich an, über Internet, PDA oder Mobilfunk abgerufen zu werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte deswegen sein gesamtes Spektrum in den neuen Medien abdecken dürfen, von Information über Kultur bis Unterhaltung und Sport. Dabei müssen natürlich auch die Qualitätsstandards geprüft werden und hierfür ist es notwendig, den Auftrag noch einmal deutlicher und transparenter zu formulieren.

    promedia: Zurück zur deutschen Musik: Bei der ARD existieren Selbstverpflichtungen zum Programmangebot, die jetzt erneut überarbeitet werden. Kann man über diesen Weg beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf die Musik nicht größeren Einfluss nehmen?
    Griefahn: Die Herausforderung liegt in der Frage, wie man das formulieren kann. Es darf nicht nur ein einfaches Schema mit einer Prozentzahl sein, sondern sollte auch Formatideen berücksichtigen. Der NDR hat z.B. das lange Wochenende der deutschen Musik veranstaltet und das kann man dann zu einer Institution machen. Man könnte auch Redakteure anstellen, die besonders für junge Künstler zuständig sind und eigene Formate gestalten.

    promedia: Die Privatradios beklagten vor zwei Jahren, dass dies bei Ihnen gar nicht funktionieren könne, weil sie auf Umsatz und Reichweite achten, und das spielen müssten, was die Hörer wollen…
    Griefahn: Die Behauptung, dass die Hörer keine Popmusik aus Deutschland wollen, stimmt nicht. Dafür muss man sich nur die Verkaufszahlen von CDs und die vielen gut besuchten Konzerte ansehen. Die Privatradios bringen oft das Argument, dass die Werbung auf Deutsch ist und sie für die akustische Abgrenzung englische Titel benötigen. Aber auch da kann man Formate finden, die das möglich machen. Sie müssen die Vielfalt sicher nicht in dem Umfang leisten wie die Öffentlich-Rechtlichen leisten, aber wenn ein Vollprogramm mit der Standardrotation von nur 150 Titeln arbeitet, ist das zu wenig. Die Privaten haben Lizenzverträge und dort ist ein Kulturauftrag festgeschrieben, d.h. auch sie müssen Vielfalt liefern. Wenn es anders nicht geht, dann benötigen wir eben doch eine Selbstverpflichtung für alle Radioveranstalter.

    promedia: Der Deutsche Bundestag hat für dieses Jahr zum ersten Mal zusätzliche Fördermittel für die Musikwirtschaft, vor allem für junge Künstler, in Höhe von einer Mio. Euro bereit gestellt. Sollte man diesen Weg weiter beschreiten?
    Griefahn: Es wird zurzeit erarbeitet, welche Angebote damit gefördert werden sollen, wie z.B. Nachwuchsbands, Tourbusse, aber auch Spielstätten, damit neue Bands Auftrittsmöglichkeiten erhalten. Förderungswürdig ist hier besonders der Jazz-Bereich, der vom Live-Auftritt und damit gerade erst durch Spielstätten lebt. Zu den verschiedenen Maßnahmen diskutieren wir im Deutschen Bundestag gerade einen Antrag. Beispielsweise wollen wir dem Rundfunk bei der Entwicklung von neuen Formaten unterstützen. Das gesamte Programm wird in Kürze vorgestellt und dann muss man die Resonanz abwarten. Ich hoffe, dass das Projekt so gute Ergebnisse bringt, dass wir die Fördermittel weiter erhöhen können.

    promedia: Die Computerspiele-Debatte läuft seit einigen Monaten wieder auf Hochtouren. Der bayrische Innenminister Beckstein fordert jetzt erneut ein Verbot gewaltverherrlichender Spiele, während Sie sich dagegen aussprechen. Wäre ein Verbot aber nicht zweckmäßig?
    Griefahn: Nach dem Amoklauf in Erfurt 2002 gab es eine intensive Diskussion über Jugendmedienschutz und über Verbote bzw. den Umgang von Gewalt verherrlichenden Angeboten. Der §131 StGB wurde verschärft und besitzt somit schon heute die Möglichkeit, jugendgefährdende Inhalte zu verbieten. Es besteht kein gesetzlicher Handlungsbedarf, sondern Handlungsbedarf in der Umsetzung. Es gilt zu prüfen, ob Staatsanwälte tatsächlich den §131 genutzt haben und das evaluieren wir u.a. in einer beim Hans -Bredow-Institut in Auftrag gegebenen Studie. Damit wird sich hoffentlich herausstellen, ob Staatsanwälte eventuell überfordert sind, ob man solche Verfahren zentralisieren sollte, ob vielleicht darauf spezialisierte Staatsanwälte zuständig sein sollten etc. Daneben haben wir auch Gespräche mit dem Handel darüber geführt, wie Spiele die erst ab 18 Jahren zugelassen sind, noch klarer gekennzeichnet werden können. In den großen Elektronikfachmärkten ist eine eindeutige Kennzeichnung meist vorhanden, aber nicht immer in den kleineren Läden und deshalb müssen wir dort ansetzen und sensibilisieren. Die beiden unterschiedlichen Institutionen - die USK, die für die Altersfreigabe und die Bundesprüfstelle, die für Indizierungen zuständig ist - müssen noch enger zusammen arbeiten. Bei auffälligen Jugendlichen besteht übrigens auch die Frage, ob die Sozialarbeit vor Ort funktioniert. Ein Verbot von Computerspielen kann so etwas nicht gewährleisten. Und letztlich kann und will ich Erwachsenen, die solche Spiele als Strategie- und gewaltfreie Variante spielen, dies auch nicht verbieten.

    promedia: Warum ist das im Spielfilmbereich anscheinend einfacher geregelt? Dort dürfen jugendgefährdende Inhalte auch nur mit Kennzeichnung und separat angeboten werden….
    Griefahn: Dieses System ist viel älter, wird flächendeckend beachtet und ist zudem viel klarer in den Köpfen der Menschen. Bei Computerspielen muss auch die Aufklärung noch stärker werden und beispielsweise das Missverständnis aus der Welt geräumt werden, dass Spiele ab 18 besonders anspruchsvoll und intelligent seien. Ein großes Problem ist meiner Meinung nach das Internet, weil sich viele Jugendliche die Sachen auch dort runterladen können. Vieles, was in Deutschland verboten ist, kann man aus dem Ausland bekommen und im Gegensatz zu Filmen sind hier die Sprachbarrieren nicht so hoch. Hier muss noch viel Aufklärung auch bei den Eltern erfolgen. Bei Verboten besteht immer die Frage nach der Grenzziehung und es ist bekannt, dass verbotene Sachen noch attraktiver werden. Ich würde gerne einen anderen Weg gehen und statt Verboten aussprechen, positive Spiele prämieren ähnlich wie im Filmbereich, was einer Kaufempfehlungen entspräche.

    promedia: Bei Urheberrechtsverletzung soll mit der EU-Enforcement-Richtlinie die Möglichkeit geben werden, vom Provider Daten zu erzwingen. Kann man damit nicht auch das Anbieten von Gewaltvideos über das Internet verfolgen?
    Griefahn: Das funktioniert leider nicht mit Inhalten, die aus dem Ausland kommen. So stammen z.B. 95 Prozent aller Internetseiten mit rechtsextremem Inhalt aus den USA und dort fällt so etwas unter freie Meinungsäußerung. Mit den deutschen Providern, die solche Seiten, aber auch bestimmte Spiele von sich aus vom Netz nehmen bzw. nicht anbieten, funktioniert die Verfolgung schon jetzt.

    promedia: Ein Weg ist doch sicher auch positive Games-Inhalte zu fördern. Ist es nicht sinnvoll, die Trennung der Genres bei der Förderung durch das FFG z.B. aufzuheben?
    Griefahn: Bei der letzten Novellierung des FFG hat das Parlament bereits einen Antrag dazu gestellt. Die Umsetzung stellte sich aber als sehr kompliziert heraus. Es wurde noch kein Weg gefunden, wie man die sehr unterschiedlichen Industriezweige mit gleichen Maßstäben bewerten kann. Deswegen halte ich die Prämierung von guten Computerspielen für einen machbaren ersten und wichtigen Schritt.

    promedia: Das Preisgeld muss ja auch irgendwo herkommen…
    Griefahn: Das könnte vom BKM kommen plus einem Eigenanteil durch die Industrie, wie es im Filmbereich auch üblich ist.