Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    24.10.2007

    Plenumsrede Initiative Musik

    Deutschland ist auch Land der Musiker und Komponisten


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Im Bereich der Kulturwirtschaft wird in Deutschland inzwischen mehr Umsatz gemacht als in der altehrwürdigen Automobilbranche - und das sogar, wenn man die Zulieferer hinzuzählt. Ich finde, da ist es nur richtig, dass wir zu diesem Thema hier diskutieren und Anträge auf den Weg bringen, mit denen wir gerade für die vielen Kulturschaffenden etwas tun. Mein Kollege Sigmund Ehrmann hat ja bereits viele wichtige Punkte dazu gesagt, ich will mich auf einen Bereich konzentrieren, der für die Kulturwirtschaft insgesamt eine besonders große Bedeutung hat: die Musik.

    Deutschland ist nicht nur weltweit bekannt als Land der Dichter und Denker, sondern auch der großen Musiker und Komponisten. Ich finde es wunderbar, dass wir dieses Erbe von Bach bis Schönberg heute immer noch so aktiv leben und erleben können. Das können wir aber auch nur deswegen, weil wir uns immer klar zur Pflege dieses Erbes bekannt haben. Ohne die öffentliche Förderung von Orchestern, von Konzert- und Opernhäusern oder der musikalischen Ausbildung würden wichtige Teile dieses musikalischen Reichtums schnell verloren gehen.

    Unser Engagement für die Musik hat damit einerseits große kulturelle Bedeutung, gibt andererseits aber gleichzeitig auch wichtige wirtschaftliche Impulse.

    Wenn wir allerdings genauer hinschauen, sehen wir, dass unsere Unterstützung bisher zum allergrößten Teil auf den Bereich zielt, der mit klassischer oder ernster Musik beschrieben wird. Ich habe das mal ausrechen lassen. Über den Haushalt des Kulturstaatsministers stellen wir jedes Jahr über 18 Millionen Euro für die Musikförderung zur Verfügung. Davon gehen 15 Millionen ausschließlich an Projekte der klassischen Musik und nur 500.000 Euro ausschließlich an Projekte im Rock- Pop- und Jazzbereich. Ich bin der Meinung, wir sollten uns für die populäre Musik noch viel mehr engagieren, denn ansonsten vertun wir große kulturelle und wirtschaftliche Chancen.

    Während Adorno die populäre Musik Ende der 40er Jahre noch geringschätzig als kommerzielle Massenware abkanzelte, ist der Wert von Rock, Pop und Jazz für unsere Kultur und unsere Gesellschaft inzwischen nicht mehr zu leugnen. In den letzten 100 Jahren hat jede Zeit und jede Generation ihren kulturellen Ausdruck ganz entscheidend in populärer Musik gefunden. Charlie Parker, Jimi Hendrix, die Beatles, Kraftwerk oder elektronische Musik, das alles sind Schlaglichter einer vielfältigen und reichen Geschichte. Und diese ist inzwischen genauso Bestandteil unserer Kultur wie Wagner oder Brahms.

    Aus diesem Grund ist es auch gerechtfertigt, dass wir Rock, Pop und Jazz und die vielen Kulturschaffenden in diesem Bereich unterstützen. Einen ersten Schritt machen wir mit der Initiative Musik, für die auch für 2008 wieder 1 Million Euro bereitstehen.

    Im Verhältnis ist das immer noch wenig aber die Initiative muss sich auch erst einmal beweisen. In der Vergangenheit ist immer wieder deutlich geworden, dass es sehr zielgenaue Instrumente braucht, um populäre Musik tatsächlich wirksam zu unterstützen. Die Szene ist höchst lebendig, kreativ, sie ist unheimlich schnell und dazu sehr vielfältig. Hier brauchen wir wirklich clevere Ansätze, um mit dem Geld die richtigen Anreize zu setzen.

    Wenn ich also beispielsweise an Projekte denke, mit denen Bands und Musikern im Internet eine Plattform gegeben werden soll, dann ist das für mich immer genau das Negativbeispiel. Hier haben wir nämlich einen Bereich, der einfach, preiswert und schnell für Musikerinnen und Musiker zugänglich ist und in dem sich die Szene selbst am allerbesten auskennt.

    Bei anderen Punkten ist dieser Zugang weitaus schwieriger und aus diesem Grund haben wir in unserem heute vorliegenden Antrag genau solche Ansätze benannt.

    Dabei können wir gleich im Bereich Medien bleiben. Pop-, Rock- und Jazzmusik aus Deutschland hat es schwer im Fernsehen und im Radio. Während Konzerte von deutschen Bands regelmäßig ausverkauft sind und die CD-Verkäufe einen hohen Stand erreicht haben, sieht und hört man im Rundfunk immer noch verhältnismäßig wenig davon. Der Bundeskulturstaatsminister hat hier zugesagt, mit den Ländern einen runden Tisch zu veranstalten auf dessen Ergebnis wir sehr gespannt sind. Doch auch mit der Initiative können wir bereits etwas tun. Mit relativ wenig Mitteln können wir in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk neue Formate auf die Beine stellen, die Nachwuchsgruppen eine Plattform bieten.

    Eine andere Idee ist die Tourbusförderung. Junge Bands erzählen mir immer wieder, dass sie gern viel mehr durch Deutschland und auch Europa fahren würden, um Konzerte zu spielen. Gerade die Nachwuchsgruppen wollen damit gar nicht das große Geld verdienen, sondern sich bekannt machen. Dabei scheitern sie aber meistens an den im Verhältnis sehr hohen Reisekosten. Wenn wir jetzt mit wirklich überschaubaren Mitteln Kleinbusse zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen können, dann hätten wir ein Instrument der Exportförderung, das preiswerter und näher an der Szene kaum sein könnte.

    Mehr als ein Wort muss ich zum Jazz verlieren. Wir haben seit Jahren in Deutschland eine ungemein vitale und vielfältige Jazzszene. Da gibt es eben nicht nur Till Brönner und Klaus Doldinger, die ja viele Menschen kennen, sondern es gibt auch eine Vielzahl ganz wunderbarer junger und innovativer Gruppen, die vor der weltweiten Konkurrenz ohne Probleme bestehen können, es aber in Deutschland trotzdem schwer haben.

    Das Grundproblem ist, dass sich der Jazz weder zur klassischen Musik noch zur Popmusik zählen lässt. Improvisierte Musik findet eben nicht in erster Linie auf dem Notenpapier und in den großen Konzerthäusern statt wie die Klassik, setzt aber trotzdem ähnlich hohe spielerische Anforderungen und steht damit gleichzeitig im Gegensatz zu Pop und Rock.

    Eigentlich wäre die Konsequenz aus dieser Situation, dass wir für den Jazzbereich eine möglichst individuelle Förderung haben. Doch leider ist das Gegenteil der Fall. Jazzmusik fällt oft in die Spalte zwischen U- und E-Musik und erfährt deswegen kaum Unterstützung.

    Das halte ich für fatal und der reichhaltigen Jazzkultur in Deutschland nicht angemessen. Natürlich gibt es einige wenige Projekte wie das Jazzfest Berlin, die durch uns gefördert werden, doch das sind viel zu wenige.

    Ich habe mich gefreut, als ich in dem Programm des Jazzfests Berlin, das ja in genau einer Woche beginnt, über das Eröffnungskonzert gelesen habe. Ein Orchester aus 40 jüdischen und muslimischen Künstlern zelebriert hier über alle politischen und ideologischen Grenzen hinweg eine Wiedervereinigung ihrer gemeinsamen Musik „Chaabi“. Das zeigt uns wie hochaktuell, spannend und vielfältig Jazz ist und wie sinnvoll eine Förderung in diesem Bereich sein kann.

    Wir fordern also ganz klar, die Jazzmusik zukünftig mehr zu beachten und zu unterstützen. Die Initiative Musik soll auch gleich damit anfangen. Als ersten Schritt wollen wir einen Spielstättenpreis ausloben, mit dem besonders gute und engagierte Spielstätten für ihr Programm ausgezeichnet werden. Damit unterstützen wir diese wichtigen Orte des kulturellen Lebens finanziell und erzeugen gleichzeitig eine Signalwirkung. Die Kommunen und Länder, die ja in der Hauptsache verantwortlich sind, sollen sehen, welche Schätze sie in ihrer Region haben und sich für sie noch besser verantwortlich zeigen.

    Die Jazzförderung und der Spielstättenpreis, die Tourbusse und die Rundfunkformate sind erste Ansätze, von denen wir glauben, dass eine Förderung hier besonders wichtige kulturelle und wirtschaftliche Impulse geben kann. Doch auch darüber hinaus ist noch sehr viel mehr vorstellbar.

    Unser Antrag ist deswegen ein Bisschen selbst wie ein Musikstück. Die Noten geben einen Rahmen aber ob etwas Schönes daraus entsteht, das liegt an den Musikern. Mit den Musikern meine ich in diesem Fall die Verantwortlichen in der Initiative Musik. Im Aufsichtsrat sitzen wichtige und einflussreiche Experten. Mein Wunsch ist, dass diese nun so zielgenaue und wirksame Förderinstrumente schaffen, dass wir bei der Evaluation der Initiative Musik dann sagen können: Mit dem Geld werden so gut Impulse gesetzt, dass sich eine Ausweitung lohnt.

    Doch bis dahin muss natürlich noch einiges passieren. Hier kommt es auf die Ideen und die Arbeit der Experten an. Bei insgesamt 12 Personen im Aufsichtsrat können nicht alle wichtigen Bereiche der Musik eine eigene Stimme haben. Aus diesem Grund halten wir es für sehr wichtig, dass zum Aufsichtsrat ein Beirat hinzukommt, indem beispielsweise auch der Jazz eine kompetente Stimme erhält. Auf diese Weise können die Resultate dann auch wirklich gut werden.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    mit den heutigen Anträgen unterstreichen wir die große wirtschaftliche Bedeutung von Kultur und zeigen, wo noch mehr getan werden kann. Populäre Musik ist dabei ganz entscheidend und wird uns auch in Zukunft noch oft beschäftigen.

    Vielen Dank