Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    11.05.2008

    Grußwort zum Empfang des Moers Festivals


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Liebe Freundinnen und Freunde der Improvisierten Musik,

    Dizzy Gillespie, einer der berühmtesten Trompeter des Jazz, wollte 1964 seinen Ruhm als Künstler politisch nutzen und kandidierte für das Präsidentenamt in den USA. Bekannterweise haben Schauspieler bei solchen Vorhaben ja gar nicht so schlechte Chancen. Allerdings waren nicht wenige Punkte des Wahlprogramms von Dizzy Gillespie ziemlich außergewöhnlich.

    Um die Gleichberechtigung des Schwarzen Bevölkerung durchzusetzen, sollten alle Richter im Süden durch Schwarze ersetzt und Bewerbungsgespräche generell nur noch mit einer Tüte über dem Kopf geführt werden. Außerdem sollte das Weiße Haus künftig Blues House heißen. Zudem stellte er ein interessantes Schattenkabinett zusammen. Seine Musikerkollegen Louis Armstrong und Charles Mingus besetzten darin die Ämter des Agrarministers und des Friedensministers. Es ging weiter über Miles Davis als Direktor der CIA bis hin zu Ray Charles als Leiter der Kongressbibliothek.

    Bekanntermaßen wurde Dizzy Gillespie nicht Präsident der USA und blieb damit glücklicherweise der Musikwelt noch lange erhalten. Glücklicherweise deshalb, weil er damit auf der Welt weit mehr bewegt hat, als so mancher Politiker. Dabei brauchte er nichts weiter zu tun, als das was er am besten konnte: nämlich Kunst zu machen.

    Bei meinem Job ist das anders. Gute Kulturpolitik muss gerade nicht Kunst und Kultur selbst machen, sondern sie ermöglichen. Für die Bundespolitik bedeutet das, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine unabhängige, vielfältige und vitale Kultur ermöglichen.

    Ich will Ihnen ganz kurz einige Beispiele für solche kulturpolitische Arbeit geben. In dieser Woche hat die Künstlersozialkasse ihr 25jähriges Bestehen gefeiert, ein wichtiges Instrument, mit dem wir wirkungsvoll etwas für die bessere soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern tun. Trotz der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, blieb diese für kulturelle Güter bei dem ermäßigten Satz von 7 Prozent. Wir fördern das Ehrenamt, von dem nicht zuletzt viele Kulturvereine profitieren und wir kämpfen für ein Urheberrecht, bei dem künstlerische Leistungen angemessen bezahlt werden.

    Auch das Moers Festival ist solch ein wunderbares Beispiel gelungener Förderung, in diesem Fall auf Landes- und kommunaler Ebene. Hier haben politische Akteure wie Norbert Ballhaus die Bedeutung von Improvisierter Musik erkannt und sich für deren Förderung eingesetzt. Zusammen mit einer engagierten und mutigen künstlerischen Leitung konnte in der 37 jährigen Geschichte des Festivals eines der bedeutendsten Musikereignisse in Nordrhein-Westfalen mit weltweitem Renommee entstehen.

    Ganz besonders gelungen finde ich den Ansatz, bei diesem Festival nicht nur auf die eingeschworene Jazzgemeinde zu zählen, sondern die ganze Bevölkerung dafür zu interessieren. Die Aktion „Dein Perso ist dein Ticket“, die freien Eintritt für junge Menschen ermöglicht, ist ein solches Beispiel. Ein anderes ist das von der Bundeskulturstiftung geförderte Projekt „NIMM“, bei dem Schülerprojekte, Gesprächskonzerte für Erwachsene und die Aktivitäten einer Stadtmusikantin den unterschiedlichsten Menschen die Improvisierte Musik näher bringen.

    In meinen Augen ist das eine gelungene Antwort auf die häufige Kritik von Kulturschaffenden, dass sich zu wenig Menschen für Kunst und Kultur interessierten. Hier wird eine Antwort gegeben, die etwas tut anstatt in Resignation zu verfallen.

    In diesem Sinne wollen wir im Deutschen Bundestag die Probleme angehen, die der Jazz in Deutschland immer noch hat. Die vielen sehr gut ausgebildeten Musikerinnen und Musikern haben zu wenige Möglichkeiten, in hochwertigen Spielstätten aufzutreten und zwar, weil ganz einfach zu wenig gute Spielstätten in Deutschland existieren.

    Ich habe Ihnen zu Anfang nicht alles aus dem Wahlprogramm von Dizzy Gillespie verraten. Als Präsident wollte er nämlich auch öffentliche Clubs gründen, in denen Jazzmusiker zu angemessenen Bedingungen hätten spielen sollen.

    Im Gegensatz zu der etwas unpraktikablen Verhüllungen bei Bewerbungsgesprächen, finde ich diese Idee von ihm sehr ausgesprochen gut. Allerdings kann Bundespolitik das leider nicht bewerkstelligen, denn nach dem föderalen Grundsatz der Kulturhoheit sind hier Länder und Kommunen zuständig.

    Aber damit diese ihrer Verantwortung der Improvisierten Musik gegenüber in Zukunft noch besser gerecht werden, wollen wir einen Spielstättenprogrammpreis ins Leben rufen. Spielorte, die ein besonders gutes Programm machen, sollen dotierte Auszeichnungen erhalten. Davon versprechen wir uns nicht eine Belebung der Spielstättenszene und bessere Auftrittsbedingungen.

    Neben diesem Projekt liegt uns zum Beispiel auch das German Jazz Meeting als Exportplattform für Improvisierte Musik am Herzen. Ich glaube wir sind mit diesen Projekten auf einem guten Weg, auch wenn es an einigen Stellen noch dicke Bretter zu bohren gibt. Aber das will ich unter anderem zusammen mit Siegmund Ehrmann, dem SPD-Bundestagsabgeordneten hier vor Ort, gern weiter tun.

    Für jetzt wünsche ich Ihnen erst einmal einen schönen Pfingstsonntag und viel Freude bei den restlichen Konzerten des Festivals.

    Vielen Dank