Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    29.04.2007

    Globale Erderwärmung zehn Jahre nach dem Kyoto-Beschluss

    Rede von Monika Griefahn IPU-Konferenz in Bali


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Die Gletscher schmelzen. Vergleichsbilder von den Polen oder von Berggipfeln zeigen, wie sehr das Eis sich verringert hat. Überflutungen gesche-hen. Hier in Indonesien, in Jakarta, wurden erst in diesem Februar wieder Hunderttausende Men-schen nach langen, heftigen Regenfällen obdach-los. Einige starben. In Australien herrschte gerade erst eine Dürre wie es sie wohl kaum zuvor gege-ben hat. In Regionen Spaniens dachte man 2005 darüber nach, Trinkwasser zu rationieren, weil ganze Landstriche ausgetrocknet waren. Gerade erst vor wenige Wochen gab es einen heftigen Sturm in meinem Heimatort bei Hamburg. Er riss in meiner Straße mit einer einzigen Windböe zahl-reiche Bäume um, der Zaun unseres Grundstücks wurde zerstört.

    Klimaforscher sind sich einig, dass Naturkatastro-phen wie Sturm, Dürre oder Überflutungen immer häufiger vorkommen werden, und dass der Mensch durch die Art, wie er lebt, erheblich dazu beiträgt. Wir sehen die Auswirkungen global, und wir spüren sie am eigenen Leib. Wissenschaftler sagen weiterhin einen Anstieg des Meeresspie-gels voraus, der weltweit Küstenregionen unbe-wohnbar werden lässt. All das passiert, obwohl das Kyoto-Protokoll zur Senkung der klimaschäd-lichen Treibhausgase bereits vor zehn Jahren be-schlossen und seither von fast allen Staaten der Erde ratifiziert wurde. Ist das Übereinkommen nutzlos?

    Es stimmt, einige Staaten sind weit davon entfernt, ihre Klimaziele einzuhalten. Andere konnten CO2 reduzieren, dafür gab es wieder andere, deren wirtschaftlicher Aufschwung höhere Emissionen mit sich brachte. In Deutschland sind in den ver-gangenen Jahren viele Weichen für einen besse-ren Klimaschutz gestellt worden. In dieser Hinsicht ist das Kyoto-Protokoll also wirksam gewesen.

    Unsere Politik richtet sich dabei an den Grundsät-zen der Nachhaltigkeit aus. Diesen Punkt haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag 2005 festgeschrieben, und wir beherzigen ihn in unserer aktuellen Politik. Nachhaltig zu handeln bedeutet, die Lebensqualität der heutigen Genera-tion zu sichern und gleichzeitig zukünftigen Gene-rationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens zu erhalten. Eine nachhaltige Entwicklung verbindet wirtschaftlichen Fortschritt mit sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der natürlichen Ressourcen. Und all das gilt nicht für die eigene Stadt oder den eigenen Staat, sondern ist ein Konzept, das auf der ganzen Erde gelten soll.

    Wir wissen, dass Industrieländer die Staaten mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen sind. Auch die deutsche Position ist darum schwierig, wenn wir aufstrebende Staaten wie China oder Indien dazu anhalten, ihre Emissionen in den Griff zu bekommen. Im Kyoto-Protokoll im Übrigen werden diese unterschiedlichen Möglichkeiten be-rücksichtigt.

    Wir wissen auch, dass die Auswirkungen von Na-turkatastrophen die Schwächsten und Ärmsten besonders hart treffen. Nicht alle Staaten dieser Welt haben die gleichen Voraussetzungen, sich nachhaltig zu entwickeln oder sich vor den Aus-wirkungen von Überschwemmungen oder Dürren gleich gut zu schützen. Unsere Entwicklungshilfe setzt darum an diesem Punkt an. Beispielsweise kooperieren wir mit Schwellenländern wie China oder Indien, um dort erneuerbare Energien und die effizientere Energie-Nutzung voranzubringen. Der so genannte Anpassungsfonds, auf den sich die Vertreter beim Klimagipfel in Nairobi 2006 grundsätzlich geeinigt haben, soll den Entwick-lungsländern ebenfalls helfen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.

    Es gibt viele Länder auf der Erde, die die natürli-chen Ressourcen wie Sonne oder Wind aufgrund ihrer geografischen Lage viel besser ausnutzen können als wir, um ihren Energiebedarf zu decken oder Energie sogar zu exportieren. Darin stecken enorme Chancen für Entwicklungsländer, enorme Chancen für heute arme Menschen! Sollten sie genutzt werden können, wird sich dort zeigen, dass Wirtschaftswachstum nicht mit einem höhe-ren Verbrauch von klimaschädlicher Energie ein-her gehen muss, sondern dass es klimafreundlich geschehen kann. Es gibt ja zahlreiche Ansätze nachhaltiger Entwicklung: Zu nennen sind bei-spielsweise Mikrokredite, die vorwiegend in Ent-wicklungsländern den sozialen Aspekt von Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken. Mu-hammad Yunus begann damit in Bangladesch schon in den 70er Jahren. Zu nennen sind auch all die Initiativen für Umweltschutz und Menschen-rechte, die jedes Jahr mit dem Alternativen Nobel-preis ausgezeichnet werden. Ich selbst sitze mit in der Jury und bin immer wieder begeistert davon, was das Engagement einzelner bewirken kann. Nur um einige Beispiele zu nennen: Schon 1984 erhielt Wangari Maathai in Kenia die Auszeich-nung für ihre Initiative Green Belt Movement. Sie initiierte Baumpflanzaktionen, die inzwischen in anderen afrikanischen Ländern Nachahmer ge-funden und wirtschaftliche Relevanz erlangt ha-ben. Oder José Lutzenburger, der den Alternativen Nobelpreis 1988 bekam und als der Vater der Umweltbewegung in Brasilien gilt. Seine Verdienste liegen im Bereich des ökologischen Landbaus und der Nutzung organischer Dünger. Für seinen Einsatz für Solarenergie hat mit Her-mann Scheer 1999 ein Deutscher den Alternativen Nobelpreis bekommen.

    Diese Auszeichnungen zeigen nicht nur persönli-ches Engagement, sondern auch noch etwas an-ders: Neu ist die Klimadiskussion nicht. Seit min-destens 30 Jahren kämpfen Umweltschützer für viele Aspekte des Klimaschutzes: Gegen die Ab-holzung des Regenwaldes, gegen die gefährliche Atomenergie, gegen den Gebrauch von FCKWs, die die Ozonschicht schädigen. Die Tatsache, dass die Aktivisten von damals in so vielen Dingen Recht zu behalten scheinen, sollte nun erst recht Ansporn für ein schnelles, weltweites Handeln sein.

    Auch beim Klimaschutz ist mit der Sensibilisierung einzelner Menschen schon viel gewonnen, weil jeder einzelne Mensch in seinem eigenen Leben viel schaffen kann. Je nach seiner Lebenssituation kann er Abfall vermeiden, Strom sparen, Fahrrad statt Auto fahren oder auch sorgsam mit Trink-wasser umgehen. Es kann nicht sein, dass 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt unzureichend mit sauberem Trinkwasser versorgt sind, während wir Europäer den Rasen im Vorgarten damit sprengen! Diese Sensibilisierung kann eine Regie-rung, können internationale Abkommen und kön-nen auch wir in den Parlamenten fördern. So stockend sie zustande kommen, so schwer ein gemeinsamer Nenner erreicht werden kann, Ab-kommen und Bekenntnisse sind doch wichtig, um eine Grundrichtung festzulegen, die sich zu natio-nalen und persönlichen Werten formen kann.

    Aber auch handfeste Zahlen überzeugen: Der bri-tische Ökonom Sir Nicolas Stern hat die volkswirt-schaftlichen Auswirkungen des Klimawandels un-tersucht und festgestellt, dass es möglich ist, einer Klimakatastrophe entgegenzuwirken und dabei wirtschaftlich zu wachsen. Seinen Berechungen nach liegen die Kosten für diese Weichestellung bei etwa 1 Prozent des globalen Bruttosozialpro-dukts. Unterlassener Klimaschutz würde fünf bis 20 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes kosten!

    Für meine Begriffe konnte Deutschland mit seiner politischen Weichenstellung bereits zeigen, dass Wirtschaftswachstum in Kombination mit Umwelt-schutz funktioniert. Dafür setzt die deutsche Re-gierung im Kern auf zwei Bereiche:

    1.
    Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind, Sonne, Wasser oder Biokraftstoffe und -gase. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergie-verbrauch in Deutschland ist von rund 4,7 Prozent in 2005 auf 5,3 Prozent im Jahr 2006 angestiegen. Im Jahr 2000 waren es 2,6 Prozent. Daraus lässt sich für 2006 eine CO2-Minderung von rund 97 Millionen Tonnen ermitteln, die durch die Substitu-tion anderer Energieträger in den Bereichen Strom, Wärme und Treibstoffe zustande kommt.

    Der Anteil der erneuerbaren Energien beim Strom-verbrauch, der zu einem großen Teil im Ausbau der Windkraft liegt, beläuft sich auf 11,8 Prozent. Alles in allem ist Deutschland seiner Kyoto-Verpflichtung von einer Senkung der Treibhaus-gasemissionen um 21 Prozent unter das Niveau von 1990 bereits sehr nahe (Ende 2005: 19 Pro-zent).

    2.
    Bessere Energieeffizienz. Kraft-Wärme-Kopplung ist hier als die vielleicht wichtigste Maßnahme zu nennen, also die Kopplung von Strom- und Wär-meerzeugung in einer Anlage. Das voranzutreiben wird eine Dezentralisierung der Energieerzeugung mit sich ziehen, die den Markt verändern wird. Damit eröffnen sich für viele kleinere Anbieter ganz neue Möglichkeiten. Und, um beim Thema Atomkraft klar Position zu beziehen: Das Ziel der besseren Energieeffizienz ist mit der Nutzung der gefährlichen Atomkraft nicht vereinbar, da hier nur Strom gewonnen werden kann. Mit Atomkraft las-sen sich keine Autos fortbewegen und keine Häu-ser heizen. Abwärme aus Atomkraftwerken bleibt ungenutzt. Von Effizienz keine Spur. Bei der Er-schließung von Uranvorkommen wird ebenso kli-maschädliches CO2 produziert wie beim Abbau, Transport und bei der Veredelung. Von Wieder-aufbereitung und der Suche nach Endlagerstätten habe ich da noch gar nicht gesprochen. Atomkraft als Rettung im Klimakampf ins Spiel zu bringen, führt zu nichts. Damit vertrete ich meine eigene persönliche Position und auch die der deutschen Regierung, die den Ausstieg aus der Atomkraft längst begonnen hat.

    Wie versuchen wir in Deutschland noch, den Rah-men für eine klimafreundliche Entwicklung zu ges-talten? Wir haben ein Gebäudesanierungspro-gramm aufgelegt, das durch bessere Dämmung von Häusern den Energieverbrauch reduzieren soll. Es ist darüber hinaus wirtschaftlich interes-sant für Handwerksbetriebe in der Region, die die Maßnahmen vornehmen. Um den Menschen nöti-ge Investitionen dafür zu ermöglichen, haben wir die Fördermittel erheblich aufgestockt: Von 360 Millionen Euro pro Jahr auf 1,4 Milliarden jährlich. Wenn wir weniger Energie verbrauchen und die Energie, die wir verbrauchen, effizienter nutzen, sparen wir bares Geld. Das erhöht die Wirtschaft-lichkeit von Firmen, und Privatleute haben mehr Geld für andere Zwecke in ihrem Portmonee.

    Wir sind dabei sicher noch am Anfang und arbei-ten daran, Wirtschaftswachstum und unkontrollier-ten Energieverbrauch weiter zu entkoppeln. Maßnahmen sind zum Beispiel auch noch die Kopplung unserer Kraftfahrzeugsteuer an den Schadstoffausstoß von Autos oder die Weiterent-wicklung des Emissionshandels. Wir setzen auch Biokraftstoffe ein, die laut Gesetz Benzin und Die-sel im Kraftfahrzeugverkehr beigemischt werden sollen.

    Ich selbst sehe diese letzte Maßnahme sehr kri-tisch und glaube nicht, dass das eine nachhaltige Lösung ist. Denn schon jetzt wird für den Anbau von Pflanzen zur Biokraftstoffgewinnung Regen-wald abgeholzt und es fehlen Ackerflächen für Lebensmittel-Pflanzen, die in einigen Entwick-lungsländern sehr nötig sind. Wir erweisen meiner persönlichen Meinung nach Nachhaltigkeit und Klimaschutz einen Bärendienst, wenn wir diesen Weg weiter verfolgen. Das Ziel muss eine andere Art von Antrieb, eine andere Art von Mobilität sein. Lassen Sie mich noch sagen, was unseren Aus-gaben für Klimaschutz, zum Beispiel durch die Vergabe von Fördermitteln, gegenübersteht: Die Erneuerbaren Energien sind inzwischen ein mess-barer Wirtschaftsfaktor: Der Inlandsumsatz hat sich im Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent auf 21,6 Milliarden Euro erhöht. Damit verbunden ist ein deutlicher Beschäftigungszu-wachs. Im Jahr 2006 arbeiteten rund 214.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien, das waren 57.000 mehr als noch 2004.

    Das alles stimmt uns positiv auf die Ziele, die wir uns EU-weit vorgenommen haben: Die Europäi-sche Union soll die Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 senken. Sofern andere Industriestaaten wie die USA mitziehen, soll das Ziel bei 30 Pro-zent liegen. Für diesen Fall hat der deutsche Bun-destag beschlossen, seine Emissionen dann um 40 Prozent zu senken. Mit diesen Reduktionszie-len sollte es uns gelingen, den globalen Tempera-turanstieg auf plus 2 Grad Celsius zu halten. Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie bes-tätigt, dass unsere Ziele bis 2020 machbar sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt sich in der EU-Ratspräsidentschaft dafür ein, dass es bei der Verwirklichung der Reduktionsziele zu einer Las-tenverteilung kommt, die den Möglichkeiten der EU-Länder entspricht.

    Nun ist klar, dass Europa das Klima nicht alleine retten kann. Europa verursacht nur einen Anteil von 15 Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen. Entsprechend klein ist global gese-hen der Anteil von Deutschland. Aber Deutschland ist in der Umwelttechnologie weit fortgeschritten. Wir können anderen Ländern den Weg zu einem klimafreundlichen Wirtschaften leichter machen, können ein gutes Beispiel dafür sein, dass wirt-schaftlicher Erfolg, soziale Gerechtigkeit und Um-weltschutz gemeinsam funktionieren - dass mithin das Prinzip der Nachhaltigkeit praxistauglich ist. Darum müssen wir in der Klimapolitik Vorreiter sein. Anzeichen in den USA bei Kommunen, Bun-desstaaten und Firmen machen uns Hoffnung, dass auch dort ein Umdenken hin zu mehr Klima-schutz stattfindet. Vor zwei Wochen gerade sind dort mehrere Tausend Bürger auf die Straße ge-gangen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrie-ren. Wenn so der Druck auf die US-Regierung und die Abgeordneten dort wächst, umso besser! Denn keinen Klimaschutz zu betreiben, ist auch ein ökonomisches Risiko. Beim Thema Klima-schutz sitzen wir alle in einem Boot. Wir sollten auch alle gemeinsam in die richtige Richtung ru-dern.

    Vielen Dank