Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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    19.09.2007

    „Friedensstrategien angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit“

    Referat für Diskussion in Berlin-Brandenb. Akademie der Wissenschaften


    ++ es gilt das gesprochene Wort ++

    Guten Abend,

    das Thema, zum den wir uns heute zusammengefunden haben, ist eine große Herausforderung, weil es sehr viele Politikbereiche und gesellschaftlichen Ebenen vernetzt: Umweltschutz, Entwicklungshilfe, Außen- und Wirtschaftspolitik genauso wie Verbrauchermündigkeit im In- und Ausland, Entscheidung von Wirtschaftsunternehmen und auch das Ehrenamt oder die Diplomatie. Entscheidungen in irgendeinem dieser Bereiche können globale Auswirkungen haben. Seien es viele einzelne Häuslebauer in diesem Land, die sich für zertifiziertes Holz entscheiden. Sei es das Ministerium, das die Entwicklungshilfe verteilt. Oder sei es die Nutzung von Palmöl in Industriestaaten, für das in Ländern wie Malaysia und Indonesien Regenwälder abgeholzt werden.

    Mit diesen Entscheidungen werden Weichen gestellt, die zusammen genommen die Systeme und Einstellungen auf der Welt prägen. Und die auch Weichen stellen dafür, wo Ressourcen ausgebeutet werden, wo Menschen aus Armut infolge von Raubbau an der Natur ihren Wohnort verlassen müssen, wo Energie gewonnen wird und wo nicht.

    Da ich mich als stellvertretende Vorsitzende des Right Livelihood Award auf diesem Podium befinde, möchte ich heute auch vorwiegend auf die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten zur Friedenssicherung durch Klimaschutz eingehen, und die Fragen nach rein politischen oder gar militärischen Möglichkeiten an dieser Stelle beiseite lassen. Zweifelsohne aber sind politische Abkommen auf Staatenebene nicht aus der Friedenssicherung wegzudenken. Aber wer an kleinen Rädern dreht, kann auch viel bewegen. Das zeigen die Preisträger des Right Livelihood Award.

    Wir zeichnen seit 1980 Personen oder Vereinigungen mit dem Alternativen Nobelpreis aus, die sich leidenschaftlich für eine gute Sache engagieren und sie voranbringen. Einige von ihnen sind heute ebenfalls hier. Dabei kommen Menschenrechtsprojekte genauso zum Zug, wie Projekte aus dem Umweltschutz, der Landwirtschaft, Bildung oder Technologie. Denn, wie gesagt, die Auswirkungen von dem, was wir tun oder was jemand tut, wirken in das ganze Netz der verschiedenen Bereiche.

    Ich möchte ein Beispiel herausgreifen, das sehr deutlich macht, was aus privatem Umwelt-Engagement erwachsen kann was die Leistungen der anderen Preisträger keinesfalls schmälern soll. Das Beispiel von Wangari Maathai aus Kenia zeigt, wie sehr einzelne engagierte Menschen mit einer Vision es schaffen können, mehrere Lebensbereiche der Menschen umzukrempeln.

    Wangari Maathai hat 1984 den Alternativen Nobelpreis für ihr Green Belt Movement bekommen, eine große Wiederaufforstungsinitiative. Begonnen hat die Idee der Wiederaufforstung in der Frauenarbeit in Kenia, in der Wangari Maathai aktiv war. Die Baumpflanzungen sollten die Umwelt schützen und die Lebensbedingungen von Frauen verbessern. Innerhalb von wenigen Jahren wurden Millionen Bäume angepflanzt, es entstanden Baumschulen und Arbeitsplätze. Die Bewegung riss in Kenia zahlreiche Farmer mit, die ebenfalls Bäume auf ihrem Land pflanzten. Später übernahmen andere afrikanische Länder wie Tansania, Uganda oder Äthiopien das Konzept. (Quelle: RLA-Internetseite).

    Mit dem Green Belt Movement hat Wangari Maathai es geschafft, eine Öffentlichkeit für die Belange des Umweltschutzes und ein Verständnis für nachhaltige Entwicklung herzustellen. Sie trug durch das Projekt zur Artenvielfalt bei, schaffte Arbeitsplätze und erhöhte die Lebensqualität von Frauen. Es gelang, im Bewusstsein und im Alltag, eine Verknüpfung von Umweltausbeutung und Armut herzustellen und im Umkehrschluss, durch Umweltschutz etwas gegen Armut zu tun. Löhne wurden wieder in die Bildung der Kinder gesteckt, ein Weg aus einer ständigen Armutsspirale begann. Dass das ein Weg ist, der „von unten“ den Frieden sichern hilft - sichert durch Umweltschutz - mag vielleicht der Umstand zeigen, dass Wangari Maathai 2004 den Friedensnobelpreis bekam. Die wichtigsten Schlagworte hier sind sicherlich Teilhabe und Gerechtigkeit. Beides ist elementar für einen dauerhaften Frieden.

    Unter diesen Stichworten ist auch das Projekt des Australiers Bill Mollison zu nennen, den wir schon 1981 ausgezeichnet haben. Er hat die Permakultur erfunden, eine Ethik der nachhaltigen Landnutzung, in der alle Lebensbereiche natürliche Teile eines Systems sind: Häuser, Dörfer, Äcker und auch Wirtschaftsmanagement und die Organisation der Gesellschaft. Wie in der Natur muss das System seine eigenen Bedürfnisse befriedigen, muss vielfältig sein, darf sich selbst nicht verschmutzen, etc. Es muss eben nachhaltig sein. Daraus erwachsen sind unter anderem ein Institut für Permakultur und eine Permakultur-Akademie, an denen Multiplikatoren ausgebildet werden, eine rege Beratertätigkeit für Initiativen und Regierungen und ein Fonds, aus dem Permakultur-Projekte unterstützt werden.

    Wenn Sie mich jetzt also fragen, wie eine Friedensstrategie angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit aussehen soll, kann ich nur sagen: Der Alternative Nobelpreis ist eine. Auf der einen Seite hilft er den Menschen bzw. Projekten finanziell durch die Dotierung des Preises, auf der anderen Seite schafft er es, die Projekte bekannter zu machen und als gute Beispiele für andere zu etablieren. Vielleicht ist es Sisyphusarbeit, vielleicht braucht man manchmal mehr Engagierte und Ehrenamtliche als man finden kann, um überregional zu wirken. Aber diese Förderung von Projekten in armen Ländern ist letztlich eine von mehreren wichtigen Friedensstrategien. Sie bildet Menschen, sie erhöht den Druck von unten, sie schafft Akzeptanz und Bewusstsein für Zusammenhänge, vielleicht mehr, als das eine Regierung kann.

    Für meine Begriffe also können wir auch sehr viel schaffen, wenn wir nicht nur zwischen Staaten verhandeln - was zweifelsohne sehr wichtig ist, um große Räder zu drehen - sondern wenn wir unsere Aktivitäten hinunterbrechen auf ganz konkrete Regionen und Lebensweisen.

    In Deutschland haben wir hier derzeit die komfortable Situation, dass der Frieden in diesem Land nicht bedroht ist, weil hier nahezu jeder Mensch seine Grundbedürfnisse erfüllen kann. Aber auch hier sorgt Engagement von unten für mehr Teilhabe und Gerechtigkeit. Schaut man sich nur einmal die Entwicklung der Elektrizitätswerke Schönau an, zeigt sich, was Engagement von unten bewirken kann. Die Schönauer Bürger haben ihr Stromnetz gekauft und betreiben es nun selbst - und das ökologisch und ökonomisch erfolgreich. Inzwischen verkaufen sie Ökostrom bundesweit an fast 50.000 Kunden - und mischen im Energiemarkt zwischen den Großkonzernen mit (Quelle: Internetseite Elektrizitätswerke Schönau).

    Ich finde, das ist ein gutes Beispiel von Teilhabe und Gerechtigkeit. Beides entscheidet mit darüber, ob eine Gesellschaft friedlich lebt oder unzufrieden ist. Projekte wie dieses in Regionen, in denen Ressourcenknappheit und Klimawandel die Existenz bedrohen, können den Frieden sichern helfen.

    Wenn wir über Ressourcenknappheit reden, sollten wir daran denken, dass es zumindest eine Ressource gibt, die wirklich unendlich vorhanden ist - zwei vielleicht: Die Sonne und der Wind. Und ist nicht Sonne oft im Überfluss dort vorhanden, wo sich die armen Länder der Welt befinden? Derzeit ist es vielleicht noch Zukunftsmusik, aber: Was spricht dagegen, die Länder in der Nutzung der Sonnen- und Windenergie und im Handel damit zu unterstützen? Derzeit sind wir abhängig von Öl und Erdgas, also von Ländern wie Russland, Saudi-Arabien oder andere Staaten des Nahen Ostens. Wir bauen die erneuerbaren Energien in unserem Land massiv aus und können damit eine gewisse Unabhängigkeit erreichen. Das ist auch richtig und gut so. Ich meine aber, dass wir in unserer Energieversorgung immer abhängig bleiben werden.

    Wenn wir das Klima wirklich schützen wollen, bleibt uns nur die Möglichkeit, erneuerbare Energien auszubauen. Ich bin überzeugt davon, dass der Sektor technologisch noch ganz am Anfang steht. Es wird in Zukunft ausreichende Speichermöglichkeiten für Sonnenenergie geben und auch die Möglichkeit, Strom durch weltweite Netze zu transportieren. Weiterhin wird die Technik von Siliziumzellen hin zu solarleitenden Anstrichen gehen, die natürlich erheblich preisgünstiger sind. Das ist der Zeitpunkt, an dem wir komplett auf regenerative Energien umsteigen können. Wir müssen uns das Ziel 2050 setzen. Denn irgendwo auf dieser Welt wird immer die Sonne scheinen oder der Wind wehen. Ich sehe also keinen Grund, warum wir nicht auch die Länder mit viel Sonne mit unserem Know-how unterstützen sollten. Damit stellen wir unsere Abhängigkeiten auf eine breitere Basis. Wenn es uns gelingt, Sonnenenergieprojekte zum Beispiel in Afrika so aufzubauen, dass viele Menschen davon profitieren, mindert das Konfliktpotenziale und Migrationsdruck. Diese Vision der weltweit vernetzten Energieversorgung besitzt die große Möglichkeit, zur Friedensstrategie zu werden.

    Wir als Industrieland müssen diese Vision mit vertrauensbildenden Maßnahmen vorbereiten. Bislang haben wir über Gebühr Energie verbraucht, das Vertrauen ärmerer Länder in uns muss darum noch aufgebaut werden - auch um zu verhindern, dass sie die gleiche Verschwendung nun für sich beanspruchen. Wir können in der Klimapolitik auf der Weltebene nur glaubwürdig sein, wenn wir national bereit sind, mit gutem Beispiel voranzugehen. Dass wir viel für Umwelt- und Klimaschutz im eigenen Land tun, lässt sich an zahlreichen Beispielen belegen:

    • Die Einführung der Kreislaufwirtschaft bei Abfällen ist ein großer Beitrag zur Ressourcenschonung. Die energetische und stoffliche Verwertung von Haushaltsabfällen beispielsweise spart jedes Jahr so viel Energie-Rohstoff, wie eine Großstadt mit mehr als 700.000 Einwohnern in derselben Zeit verbraucht (Quelle: Umweltbericht 2006 der Bundesregierung).
    • Die Einrichtung von neuen Studiengängen zum Management des Klimawandels sorgt für einen systematischen Umgang mit neuen Herausforderungen (z.B. Studiengang „Global Change Management“, der laut „germanwatch.org“ im Dezember 2006 an der Fachhochschule Eberswalde eingeführt wurde).
    • Unsere Fortschritte bei der technologischen Entwicklung der Windkraft und Sonnenenergie, haben gezeigt, dass sich die Investitionen in den Klimaschutz auch ökonomisch lohnen. Immerhin sind inzwischen 235.000 Arbeitsplätze (Quelle: BMU) in dem Sektor der erneuerbaren Energien entstanden. Mit einem Welthandelsanteil von knapp 19 Prozent sind deutsche Unternehmen in der Umwelttechnik weltweit führend vor den USA und Japan. (Quelle: Umweltbericht 2006 der Bundesregierung). In der Windbranche, wo allein 75.000 Jobs entstanden sind, wurde 2006 ein Umsatz von 5,6 Milliarden Euro erzielt (Quelle: BMU)
    • Im Bundestag habe ich mit Kollegen zusammen einen Antrag zur Nutzung erneuerbarer Energien eingebracht, der vielleicht auch eine kleine Friedensdividende mit sich zieht. Wir möchten die Nutzung erneuerbarer Energien bei deutschen Vertretungen im Ausland vorantreiben und besonders auf Solardächer setzen. Wir hoffen, mit diesen Beispielen auch Entwicklungen in anderen Ländern anzustoßen - oft auch in armen Ländern, denen die Dringlichkeit einer nachhaltigen Lebensweise wegen all der anderen Sorgen, die die Menschen dort haben, nicht so präsent ist.

    Wir müssen aber neben unseren eigenen Initiativen aber auch bereit sein, international zu teilen. Es ist eine weitere vertrauensbildende Maßnahme, die aufstrebenden Länder bei ihren Umweltschutzbemühungen zu unterstützen. Und dort, wo der Klimawandel bereits Jahr für Jahr Menschen in Not stürzt - ich spreche zum Beispiel von den Überflutungen in Bangladesch und Indonesien - sollten wir Gegenmaßnahmen mitfinanzieren.

    Untersuchungen haben gezeigt, dass Migration selten allein durch Klima-Katastrophen hervorgerufen wird. In der Regel bestehen bereits Armut und soziale Konflikte. (Quelle für diese Aussage: Diplomarbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und Rezension von Studien am Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe ITAS). Alles zusammen führt dann dazu, dass Menschen woanders ihr Glück versuchen. Verteilungskämpfe sind die Folge und eine Gefahr für den Frieden. Wenn wir also helfen, die Umwelt zu schützen und dadurch Probleme wie Armut oder Nahrungsmangel zu lösen, können wir soziale Konflikte minimieren und den Frieden sichern. Das hat Wangari Maathai auf ihrer Ebene getan, und das ist auch die Aufgabe von Staaten wie unserem.

    Vielen Dank.