Gerhard Schröder ist ein alter Weggefährte von mir. Als er noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, gehörte ich seinem Kabinett als Ministerin für Umwelt an.
Als Bundestagsabgeordnete gab ich seiner Kanzlerkandidatur meine Stimme und die erste rot-grüne Bundesregierung konnte ihre Arbeit aufnehmen.
Wichtige Entscheidungen durfte ich damals mitentwickeln und unterstützen, beispielsweise den Atomausstieg und das „Nein“ zum Irak-Krieg sowie die Einführung des Kurzarbeitergeldes und der Buchpreisbindung. Mit großer Freude habe ich Gerhard daher am vergangenen Donnerstag als Gast in Mülheim an der Ruhr empfangen.
Gerhard Schröder unterstützt meine Kandidatur als Oberbürgermeisterin für Stadt Mülheim an der Ruhr und zeigte auch Interesse an der Denkschule von Cradle to Cradle NGO. Er mahnte, dass wir in unserem Streben nach Umweltschutz und Umweltbildung mit Weitsicht agieren müssten und weder die soziale Frage noch die Wirtschaft aus dem Auge verlieren dürften. Damit rannte er bei mir offene Türen ein. Mehrfach habe ich bereits deutlich gemacht, dass Ökonomie und Ökologie für mich Hand in Hand gehen müssen. Und was die Sozialpolitik angeht… warum mein Parteibuch rot und nicht grün ist, habe ich bereits mehrfach beantwortet.
Als Bundeskanzler a.D. ist Gerhard Schröder ein Mann mit umfangreicher Expertise. Da er sich viel Zeit für den Besuch genommen hat, konnte er viele Themen aufrufen. Besonderen Fokus legte er dabei auf die zukünftige Rolle der europäischen Union, die auch für ein wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland eine wichtige Funktion erfüllt. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden genau wie Russland längerfristig global players bleiben und auch China wird mehr und mehr Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben. Ein einzelnes europäisches Land kann auf der Weltbühne nur wenig bewegen. Gemeinsam hingegen können wir ebenfalls die Geschicke auf dem Planeten mitbestimmen und dafür Sorge tragen, dass unsere Werte angemessen vertreten werden. Nicht zuletzt bietet die EU uns einen gemeinsamen Markt, auf dem in deutschen Kommunen wie Mülheim hergestellte Produkte, wie beispielsweise Röhren, zollfrei verkauft werden können.
Russland spielt in Schröders Weltsicht eine herausragende Rolle. Für die Europäische Union ist das größte Flächenland der Erde ein wichtiger Markt mit umfangreichen Ressourcen. Ein guter Dialog und Annäherung zwischen uns sollte unausweichlich sein und dafür ist es maßgebend, dass wir einander auf Augenhöhe begegnen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir das Handeln der russischen Regierung immer gutheißen und es keine Kritik geben darf. Freunde dürften sich auch gegenseitig auch kritisieren. Wir müssen uns aber bemühen, einander zu verstehen. Dass „Russlandversteher“ als Schimpfwort gilt, ist für den Altkanzler wie auch für mich nicht nachvollziehbar. Erst wenn wir Verständnis für den anderen entwickeln, können wir uns annähern und wir sollten niemals vergessen, dass Deutschland im 20. Jahrhundert den Krieg nach Russland getragen hat – nicht umgekehrt.
Dies alles ist bedeutsam für die Kommunalpolitik. Denn das globale Geschehen beeinflusst das Leben in der Kommune, hier in Mülheim an der Ruhr werden fast 80.000 Großrohre für Nord Stream 2 gefertigt, daran hängen viele Arbeitsplätze und Familien. Die Herausforderungen der Industrie, beispielsweise auch der Automobilindustrie, von der u.a. thyssenkrupp Presta abhängig ist, sind von überragender Bedeutung für die Metropole Ruhr. Allein in unserer Stadt gibt es rund 70 produzierende Unternehmen mit einer Bruttowertschöpfung von fast 1,3 Milliarden Euro im Jahr, also 25% der gesamten Wertschöpfung Mülheims. Die Exportquote beträgt etwa 65%. Rund 18.000 Arbeitnehmer*innen und ihre Familien profitieren vom industriellen Kern in Mülheim an der Ruhr. Nur mit ihnen gemeinsam gelingt eine erfolgreiche Zukunft für unsere Heimatstadt.
So spannend und interessant die Diskussionen mit und Vorträge von Gerhard Schröder auch waren, war mein Highlight des Tages, ihm zu zeigen, was Mülheim zu bieten hat. Unser gemeinsamer – für ihn und mich ersten – Flug mit Luftschiff Theo wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Ich bedanke mich herzlich bei Gerd für seinen Besuch. Lieben Dank auch an alle Gäste, die an der Veranstaltung teilgenommen haben und nicht zuletzt an unseren Bundestagsabgeordneten Arno Klare MdB, der die Moderation der Diskussionsrunde übernommen hat.
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