Ein Werk entsteht zuerst im Kopf. In meinem Fall ist es das Mülheim an der Ruhr von morgen, dass ich vor dem inneren Auge sehe. Der Maler Hardy Bock hingegen sieht die Bilder, die eine rohe Fläche zu einem Kunstwerk umwandeln.
Vor wenigen Jahren bemalte er die große Wand an der ehemaligen Frauenvollzugsanstalt nahe der Konrad-Adenauer-Brücke. Bis hierher war es ein langer und harter Weg für Hardy, von dem er Margarete Wietelmann, Sven Deege und mir erzählt hat.
Geboren wurde er in Rumänien während der Ceausescu-Ära. Gewalt und Unterdrückung gehört zu seinen frühesten Erfahrungen, doch mit „halb fünf“ – die Formulierung gefällt ihm besser als viereinhalb – Jahren entdeckte er das Zeichnen als seine Form sich auszudrücken. Ein Film inspirierte ihn zum ersten Mal Szenen auf Papier zu bringen. Obwohl er zuvor nie einen Stift in der Hand gehalten hatte, zeichnete er auf Anhieb selbst die kleinsten Details, wie die Spiegelung im Auge einer Giraffe.
Auch sein Vater hatte dieses Talent, wie Hardy später erfuhr, konnte es aber aufgrund der Notwendigkeit langer Arbeitszeiten nicht ausleben. „Ich habe meinen Vater kaum gesehen. Erst als wir nach Deutschland kamen, konnte er in meinem Leben präsenter sein.“ Das wurde er zum Glück auch. Er versprach Hardy ihn zu unterrichten, also fuhren sie zu einem Hof, um das Zeichnen von Pferden und Fohlen zu erlernen. Hardy war Feuer und Flamme den Stift in die Hand zu nehmen, doch sein Vater gebot ihm, still zu bleiben und zu beobachten. Nach vier Stunden reinen Beobachtens war Hardy enttäuscht: „Ich dachte, du bringst mir etwas bei?!“, „Das tu ich gerade“, war die Antwort.
Ein Werk entsteht zuerst im Kopf. Hardy hatte verstanden und sich diese Lehre gut eingeprägt. Zwölf Stunden saß er einst still vor einem Baum. Seine Eltern waren in Sorge, wegen seiner unangekündigten Abwesenheit, doch er hatte mit der Gestaltung seines Urbilds eines Baumes im Kopf zu tun. Heute benötigt er nur noch 20 Minuten, um sich etwas genau einzuprägen. Der Rest befindet sich bereits in einem Fundus, den er sich über Jahre eingeprägt hat.
Neuneinhalb Jahre Vorbereitung waren für die Familie nötig, um nach Deutschland zu kommen. Die Kontraste zwischen der Diktatur in der Heimat und einer liberalen Überflussgesellschaft hätten kaum extremer sein könnte. Vieles hat er in Form von Bildern verarbeitet, von denen er zahlreiche vernichten musste, weil sie ihm später Angst machten. Der Kunst ist er treu geblieben; sein gesamtes Leben hat er für seine Ausbildung genutzt und er sieht in seinem Schaffen auch eine gesellschaftliche Verantwortung: „Künstler geben keine Antworten. Unsere Werke sollen die Menschen, die sie begutachten, anregen, sich selbst Fragen zu stellen.“
Er darf stolz sein auf sein Werk, von dem er mir glücklicherweise noch vieles vor laufender Kamera berichtet hat. Ich freue mich, dieses Interview morgen präsentieren zu dürfen und bedanke mich herzlich bei Hardy Bock dafür, dass er diesen Teil von sich selbst mit uns teilt!
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