Der Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017 wirft seine Schatten voraus. Um Menschen und besonders junge Menschen (wieder) für Politik zu interessieren, legten die Friedrich-Ebert-Stiftung und unsere SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler den Finger in die Wunde und luden zur alternativen Talkshow ein. Das Thema: „Miteinander reden statt übereinander klagen. Eine alternative Talkshow zur Politikverdrossenheit“.
Der Inhalt und die Frage, was an der Veranstaltung alternativ sein würde, machten mich neugierig, und so ging ich hin. Das Konzept, stellte sich dann heraus, war angelehnt an die Sendung „Hart aber fair“. Die Diskussion in Buchholz wurde per Livestream in Internet übertragen, und „da draußen“ diskutierten Zuhörer mit. Die Verzahnung von Vor-Ort-Debatte und dem Online-Chat gelang indes nicht gut – aufgrund vieler direkter Wortbeiträge wurde der Livechat fast vollständig vergessen und blieb letztlich eine separate Veranstaltung.
Die inhaltliche Analyse war aufschlussreich: Dr. Matthias Micus vom Göttinger Institut für Demokratieforschung nahm die Verdrossenheit der Bürger ernst – sei es nun Politik-, Partei- oder Politikerverdrossenheit. Denn diese Verdrossenheit habe die Parteien als wichtigste Säule des politischen Systems in Deutschland porös und instabil gemacht. Und immer weniger Wahlberechtigte entschieden sich für die Volksparteien.
„Partizipation“, sagte Micus, „hängt vom Interesse ab, und das hängt vom Selbstwirksamkeitsempfinden ab.“ Wo der Glaube herrsche, man könne nichts verändern, da schwinde die Partizipation. Zwar sei das ehrenamtliche Engagement insgesamt gestiegen, aber jene, die schon im Abseits stünden, würden auch durch neue, unkonventionelle Instrumente der Partizipation nicht erreicht. Die Schere klaffe auseinander, und wer aus der Passivität zurückdränge in die Aktivität, tue das meist nicht konstruktiv, sondern pessimistisch und misstrauisch. Micus forderte: „Die etablierten Kräfte müssen Parteien offensiver verteidigen, denn sie sind Filter gegen Populisten.“
Um Menschen wieder für Politik zu gewinnen, so Micus, müssten Parteien sie zunächst über unpolitische Angebote wieder interessieren, erst einmal ohne Eigennutz, denn dann würden Hemmschwellen abgebaut. Das könne schließlich wieder zu politischem Engagement führen. Gleichzeitig forderte er von den Volksparteien, wieder Utopien und Visionen anzubieten, denn: „Eine Mobilisierung überhaupt ergibt sich aus klaren politischen Profilen und Unterscheidbarkeiten.“
Wie politikverdrossen ist die Bevölkerung nun? Die jüngste Kandidatin auf dem Podium, Sophie Röhse vom Jugendrat in Buchholz, sagte: „Ich glaube, es gibt ein Interesse an Politik. Sie ist auch relevant für junge Menschen, aber die fühlen sich nicht repräsentiert.“ Das mag so sein, aber das bedeutet auch, dass es junge Menschen geben muss, die sich aktiv engagieren – wer sonst soll die jungen Leute repräsentieren?
Tatsächlich aber wurden einige Teilnehmer des Podiums nicht besonders wahrgenommen und konnten nicht so recht an der Diskussion partizipieren – genau das, was wir doch nicht wollen. So wurde die junge Sophie Röhse kaum in das Gespräch einbezogen, und der engagierte Kommunalpolitiker Martin Gerdau kam ebenso selten zu Wort. Der Internetchat lief wie gesagt nebenher und war später auch nicht mehr einsehbar.
Die Idee der alternativen Talkshow war also gut, und das Konzept könnte wirklich partizipativ werden – wenn an der Umsetzung noch ein bisschen gearbeitet wird.
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