(Das Beitragsfoto zeigt in der Mitte Sima Samar – aufgenommen nach einem Vortrag mit auf das Coronavirus getesteten Personen. Das Bild unten zeigt Sima Samar bei ihrem Deutschland-Aufenthalt).
Sima Samar ist Frauenaktivistin aus Afghanistan, war dort sogar schon Frauenministerin und langjährige Vorsitzende der Menschenrechtskommission. Vor Kurzem hat sie sich mit Unterstützung der Stiftung „Alternativer Nobelpreis“ – sie bekam den Preis 2012 – in Deutschland aufgehalten und von der aktuellen Lage in Afghanistan berichtet. Mit Beunruhigung nimmt sie die Entscheidung der NATO, der USA und Europas zur Kenntnis, die westlichen Truppen ohne Bedingungen aus Afghanistan abzuziehen.
Die USA wollen ihre Truppen bis zum 11. September dieses Jahres aus dem Land am Hindukusch zurückholen. Das bedeutet de facto auch für die Partnerstaaten, dass ein Abzug aller anderen Militärs unumgänglich ist – zu groß wäre das Risiko für die wenigen verbleibenden Soldaten sonst. Ziel des Einsatzes über 20 Jahre war es, der demokratisch gewählte Regierung Afghanistans durch Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften im Kampf gegen Extremisten zu helfen.
Zeiten einer gewissen Entspannung
Tatsächlich hat das auch funktioniert: Im ersten Jahrzehnt bekamen Frauen mehr Rechte, Mädchen konnte zur Schule gehen, Musiker wieder ihre Instrumente spielen. Ich war zu der Zeit Bundestagsabgeordnete, zuständig für auswärtige Kulturpolitik, und konnte mir davon selbst ein Bild machen. In den vergangenen Jahren aber wurde das Land zunehmend instabil und gefährlicher. Die extremistischen Taliban gewannen mehr und mehr wieder die Oberhand. Jetzt besteht die reale Gefahr, dass die Taliban mit Waffengewalt wieder die Herrschaft übernehmen und die junge Demokratie in die Knie geht.
Gefahr für Frauen
Auch Sima Samar war bei ihrem Aufenthalt in Deutschland voller Sorge. 20 Jahre Aufbauarbeit für Frauenrechte, für Mädchenrechte und für Bildung werden einfach verschwinden, fürchtet sie. Denn die Taliban haben kein Interesse daran, irgendetwas davon zu erhalten. Im Gegenteil: Sie bringen Frauen um, sie schließen Mädchenschulen. Sima Samars eigene Situation wird immer gefährlicher. Und in der Vereinbarung mit den USA gibt es nur einen einzigen Satz zu Frauen: „Frauenrechte werden in der Scharia geregelt“.
Illusionen sollten wir uns da nicht machen: Wir wissen, was das bedeutet! Wir dürfen das nicht akzeptieren! Wir müssen aktiv werden! Gerade die jungen Frauen in Afghanistan setzen auf internationale Zusammenarbeit, Bildung, Ausbildung und ihr eigenständiges Leben.
Junge Afghaninnen setzen auf Eigenständigkeit
Beispielsweise gibt es viele engagierte Frauen, die in den letzten Jahren zum Beispiel sogar Bürgermeisterinnen geworden sind. Die Stiftung „Alternativer Nobelpreis“ hat Sima Samar unter anderem auch ausgezeichnet, weil sie Vorbild ist und Halt gibt – Rückhalt für diese Frauen, die sich selbst auf den Weg gemacht haben und nun in Gefahr sind. Sima Samar ist ein gutes Beispiel, sich nicht unterkriegen zu lassen. Deshalb geht sie auch immer wieder nach Afghanistan zurück, obwohl auf sie bereits Anschläge verübt worden sind.
Wenn wir uns als Europäer noch weiter für Afghanistan interessieren, sollten wir auf jeden Fall auf Bedingungen für den Abzug der Streitkräfte setzen. Auch für die Bundeswehr war es der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte mit 59 toten Soldaten. Und wir brauchen eine UN-Mission, um den sogenannten Frieden mit den Taliban zu überwachen
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