Menschen, die öffentlich aktiv sind, müssen öffentliche Kritik aushalten. Das tun sie auch. Aber es gibt Grenzen, die immer häufiger überschritten werden, insbesondere in der Anonymität des Internets.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast, meine geschätzte Kollegin über viele Jahre, hat nun einen wichtigen Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht errungen. Das ist insbesondere wichtig, weil es scheint, als würde die Zügellosigkeit im Netz sich immer häufiger wieder in die analoge Welt übertragen – eine zunehmende Gefahr für alle, die sich engagieren. Viele, etwa Bürgermeister in den Kommunen Deutschlands, haben aufgegeben, und so trägt jeder Hass-Post im Netz schleichend zur Gefährdung unserer wertvollen Demokratie bei.
PRIVATSPHÄRE AUCH FÜR POLITIKERINNEN UND POLITIKER
Das Bundesverfassungsgericht hatte jetzt festgestellt, dass die Entscheidungen der vorherigen Gerichte nicht den hohen Anforderungen an die Abwägungspflichten der Schutzgüter im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit genügen. Auch Politikerinnen und Politiker müssen nicht alles aushalten, was an Kritik auf sie einprasselt. Auch sie haben eine Privatsphäre.
Antje Draheim, Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), findet diese Entscheidung in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie erklärt: „Erhebliche Beleidigungen müssen Politikerinnen und Politiker eben nicht einfach aushalten, „sondern sie sind strafbar. Das bleiben sie, auch wenn man unterstellt, dass Politikerinnen und Politiker mehr aushalten können müssen, als ,die normale Bürgerin, der normale Bürger‘, der nicht in der Öffentlichkeit steht.“. Das Netz sei kein rechtsfreier Raum, in dem grenzenlos agiert werden dürfe und Strafbares straflos bleibe.
RESPEKTVOLLER UMGANG WICHTIG
Ich kann dem nur zustimmen. Ich weiß auch aus meiner aktiven Zeit als Politikerin, dass Beleidigungen nicht immer an einem abperlen. Aber heute kommen sie über die „sozialen“ Netzwerke in geballter Form, sodass sich etwas ändern muss. Ich bin froh, dass Renate Künast die Ausdauer gehabt hat, bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen. Dass sie hartnäckig gewesen ist und sich nicht hat unterkriegen und einschüchtern lassen. Das hilft jedem engagierten Menschen ungemein auf dem Weg, wieder zu einem respektvollen Umgang miteinander zu kommen – egal ob analog oder digital. Und ich bin froh, dass das höchste deutsche Gericht zu einem anderen Urteil gekommen ist, als die Gerichte davor, die – so meine Meinung – teils haarsträubende Schlüsse gezogen haben. (Beitragsfoto: Thorben Wengert, Pixelio.de)
Bericht in der Süddeutschen Zeitung zu diesem Urteil.
Foto Justitia: Thorben Wengert, pixelio.de
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