Es ist schön zu bemerken, dass das Cradle-to-Cradle-Konzept inzwischen bei den allermeisten Veranstaltungen, zu denen ich eingeladen werde, bekannt ist. So auch bei der Tagung der Expertenkreise „Energie und Umwelttechnik“ und „Bau- und Restaurierungstechnologien“ des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik an der Uni Hannover. Eine Welt ohne Abfall – sie wird nicht mehr nur als unerreichbare Vision gesehen, sie wird mehr und mehr zum erreichbaren Ziel. Jetzt geht es ans „Finetuning“: Wie kann Cradle to Cradle in den Betrieben angewendet und umgesetzt werden?
Bei der Tagung der Expertenkreise konnte ich einige Beispiele aus dem Handwerk vorstellen, bei denen Cradle to Cradle schon berücksichtigt wird. Immer wieder begeistert bin ich zum Beispiel von den mörtellosen Fassaden von Daas Baksteen, die mit einem Klicksystem gebaut werden. Dadurch sind sie bei Abbruch des Hauses einfach wieder auseinanderzunehmen, und die Fassade kann wiederverwendet werden. Oder – bei der Innenraumgestaltung – gibt es Stoffe, Farben und Bodenbeläge, die ohne schädliche Stoffe auskommen und so einfacher recycelt werden können. Außerdem ein Trend: Vollholzhäuser ohne Verleimungen. Der Wert eines Hauses steckt zu großen Teilen in den Materialien, und Pionier-Unternehmen präsentieren immer bessere Wege, diesen Wert auch nach der Nutzungsdauer eines Hauses zu erhalten.
Die Handwerksbetriebe, -beauftragten und Behördenvertreter bei der Expertenkreise-Tagung sprachen mit mir auch über schwierige Marktsituationen und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Konzepts. Denn dieses Konzept beinhaltet auch Leasing-Systeme für Maschinen und Bauteile. Verkauft werden sollen zum Beispiel nicht Waschmaschinen, sondern Waschgänge, nicht Fernseher, sondern Fernsehstunden. Nach einer bestimmten Nutzungsdauer erhält der Hersteller sein Gerät zurück. Er kann die Materialien dann wieder nutzen und – so das Kalkül – wird darum nur positiv definierte Materialien einsetzen. Die Betriebe, so wurde deutlich, befürchteten bei diesem Konzept, dass regionale Händler überflüssig würden und es keine Reparaturaufträge mehr gebe.
Klar ist sicherlich, dass Leasing- und Contracting-Verträge einfacher werden müssen, damit auch kleinere Betriebe die Chance haben, sich als Dienstleistungsanbieter zu behaupten. Unter Umständen sind von Dachverbänden entwickelte Musterverträge hier eine Möglichkeit, der Bürokratisierung entgegenzuwirken.
Mein Appell geht auch an die öffentliche Hand: Diese fordere, so die Aussagen bei der Expertenkreise-Tagung, vor Auftragsvergaben immer häufiger Zertifikate ein, die kleine lokale Betriebe aufgrund des Arbeits- und Finanzaufwandes, sie zu bekommen, nicht beibringen könnten. Öffentliche Auftraggeber können sich aber bei der einen oder anderen Entscheidung auch auf die Kenntnis der lokalen Gegebenheiten verlassen und den Firmen vor Ort, die sie seit Jahren oder Jahrzehnten kennen, die Erfüllung ihrer angebotenen Dienstleistungen zutrauen.
Das Bild zeigt: (v. l.) Jans-Paul Ernsting (Handwerkskammer Hannover), Walter Pirk (Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover) und Dr. Frank-Peter Ahlers (Handwerkskammer Hannover).
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