Ich bin zutiefst betroffen, nach Charlie Hebdo erneut mit meinen Freunden in Paris trauern zu müssen.
Was soll ich sagen? Seit drei Tagen sprachlos komme ich zu der Erkenntnis, dass das Wort „Krieg“ nicht das ist, was wir antworten sollten. Seit drei Tagen sprachlos wird doch deutlich, was die Menschen, die vor dem IS-Terror und den Truppen Assads in Syrien in die Nachbarländer und nach Europa fliehen, in den vergangenen fünf Jahren ausgehalten haben. Seit drei Tagen sprachlos formt sich ein „Jetzt erst recht“ in mir: Jetzt erst recht für unsere Werte kämpfen – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Demokratie. Freie Meinungsäußerung. Menschenrechte, aber auch die westliche Lebensart und Kultur. Im Namen der Religion zu morden, ist nur Barberei.
Ich kenne Länder, in denen der bewaffnete Polizist in den Straßen die Regel ist. Ich war in Ländern, in denen ich mit gepanzerten Autos vom Flughafen in die Botschaft gefahren worden bin. Länder, in denen es nicht sicher ist, ob man abends heile nach Hause kommt, wenn man morgens aus dem Haus gegangen ist. Und immer wieder freue ich mich, hier in Europa in Gesellschaften fallen zu können, die anders sind: offen, empathisch, frei. Ich freue mich, dass meine Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren können und sich am Nachmittag alleine mit ihren Freunden im Sportverein oder Eiskcafé treffen können. Die Gefahr, dass die Staaten all dies opfern für vermeintliche Sicherheit, ist groß. Es wäre der größte Erfolg, den der IS erzielen könnte – dass Rechtsstaat und Freiheit, also das, was man schützen will, kaputt gemacht werden.
Das Wort „Besonnenheit“ machte unter Politikern am Wochenende auch die Runde, und es ist allemal die bessere Wahl als „Krieg“.
Selbst wenn es so war, dass einer der Attentäter als Flüchtling nach Europa eingereist ist, werden geschlossene Grenzen nicht die Lösung sein. Die Flüchtenden und die Täter sollte niemand verwechseln. Und für Menschen auf der Flucht bieten wir Werte und eine Gesellschaftsordnung, die dem Terror das Wasser abgraben kann. Darum müssen wir Schulen und Arbeitsmärkte öffnen, Menschenrechte wahren, uns generelles Misstrauen verbieten. Für die eigene Würde ist für jeden Menschen wichtig, selbst etwas beizutragen zur Gesellschaft und für das Auskommen seiner Familie. Deshalb sind wir aufgefordert, konsequent weiterzumachen damit, unsere Werteordnung vorzuleben und andere aufzunehmen. Das ist die gebotene Reaktion auf die Anschläge in Paris. Am Ende, vielleicht nach vielen Jahren, wird es die richtige Lösung sein. Krieg war noch nie eine Lösung.
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