Auf der Bühne steht Machu: dunkle Klamotten, dunkle Haut und in der Hand ein knallrotes Musikinstrument. Er beginnt zu spielen auf diesem – was immer das ist – und es wird ruhig im Raum. Er braucht nicht einmal die vollen zwei Lieder, um das Publikum zu verzaubern. Machu, ein Flüchtling aus Eritrea. Einer wie wir, der Musik mag und Gesang. Sein Instrument ist eine Krar.
Wenige Tage vorher hatten die Anschläge in Paris die westliche Welt aus den Angeln gehoben. Im Gymnasium Tostedt, wo Machu sein Gastspiel gegeben hat, zündeten wir eine Kerze an und schwiegen für eine Minute – wie der Rest Europas. Irgendwie und indirekt hatte das, weswegen wir hier versammelt waren, mit Machu zu tun und mit Paris. Die weiterführenden Schulen in Tostedt luden nämlich ein zur Eröffnung der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ – eine Wanderausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Inzwischen haben die Geschehnisse in Köln, Hamburg und anderen Städten, wo mutmaßlich viele Flüchtlinge Frauen belästigt und bestohlen haben, es vielen Vertretern einer Willkommenskultur schwerer gemacht; haben das Vertrauen in das Gute erschüttert. Nun der Anschlag in Istanbul. Tagtäglich Anschläge in den arabischen Ländern, aber wenn es in Europa passiert, oder wenn es deutsche Opfer sind, trifft das ins Mark, was sonst nur in den Nachrichten passiert. Aber dennoch – ist nicht die Antwort immer noch die gleiche?
Eine starke Demokratie benötigen wir: um ein gutes Modell gegen den Terror des IS und anderen fanatischen Gruppen leben zu können und um eine Antwort gegen die inneren Feinde von rechts zu haben. Um so zu leben, wie wir es wollen: frei. Wir haben das bei Veranstaltungen des Aktionskreises „Gesicht zeigen! im Landkreis Harburg“ selbst erlebt: Wenn Neonazis im Raum sind und versuchen, die Diskussion an sich zu reißen, dann wird die Stimmung kalt und der Nachhauseweg ist angstbegleitet. Doch Pegida zeigt, wie ungemütlich es in dieser Gesellschaft erst einmal wird, wenn die Demokraten zu Hause bleiben.
Andreas Speit ist einer, der seit Jahren gegen diesen Trend arbeitet. Der Journalist und Kenner der rechtsextremistischen Szene hielt bei der Ausstellungseröffnung in Tostedt einen beeindruckenden Vortrag. 182 Tote habe es in Deutschland durch Rassisten und Rechtsextreme schon gegeben – das Jahr 2015 hat hunderte Angriffe auf Flüchtlingsheime gezählt. Auf ganz normale Menschen wie Machu mit der Krar. Es sei bei einigen Übergriffen nachzuzeichnen, dass der verbalen Hetze im Internet Taten gefolgt seien – mit Alkohol als Katalysator.
Beim Thema Islam und Flüchtlinge, da gingen alle Szenen zusammen: rechte Parteien, Hooligans, das Rockermilieu, die intellektuelle Rechte und Bürger. Wer früher noch Hemmungen gehabt habe, mitzumarschieren, wenn die NPD dabei war, habe heute jede Scham verloren, konstatierte Speit.
Tostedt und seine Schulen setzen seit vielen Jahren Aufklärung und Engagement dagegen – mit dieser Ausstellung und vielen anderen Veranstaltungen in der Vergangenheit. Wo er konnte, hilft der Aktionskreis „Gesicht zeigen!“. Nach einem Benefizkonzert, das Monika Griefahn mit Konstantin Wecker vor Jahren in der Buchholzer Empore organisierte, verfügt der Aktionskreis über einen Geldbetrag, mit dem er bis heute Projekte fördert. Nicht nur die Tostedter Ausstellung, für die mit dem Geld Ausstellungslotsen unter den Schülern ausgebildet worden sind, gehört dazu. Erst kürzlich wurde die Oberschule Meckelfeld „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, und wir konnten diesen Prozess unterstützen. Wir machen das weiter, solange noch Geld da ist. Weil es wichtig ist.
Die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ ist weitergezogen und zum Beispiel vom 8. bis zum 19. Februar 2016 im Albert-Einstein-Gymnasium in Buchholz (Nordheide) zu sehen.
Bericht auf der Seite des Gymnasiums Tostedt
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