Die erschreckenden Bilder von Plastikmüll im Meer dürften inzwischen allen bekannt sein. Untersuchungen bei Meeresvögeln zeigen: Sie verhungern bei vollem Magen – denn der ist gefüllt mit unverdaulichen Kunststoffteilchen.
Von all den kleinen Plastikteilchen, die – durch die Wellen zerrieben – an den Strand und in die Nahrungskette gelangen, wollen wir erst einmal gar nicht reden. Laut Thünen-Institut für Fischereiökologie in Bremerhaven bestehen rund 85, beziehungsweise 68 Prozent des Mülls, den wir auf dem Meeresgrund in Nordsee und Ostsee finden, aus Plastik.
Es gibt inzwischen viele Versuche von engagierten Menschen auf der ganzen Welt, den Müll wieder aus dem Meer zu holen und die Strände zu säubern Das ist löblich, und wichtig, um das Problem präsent zu halten. Aber es ist leider keine Lösung. Wichtig ist es, Produkte so herzustellen und zu nutzen, dass sie nicht zu diesen Müllbergen führen und im Wasser landen.
TRAVEL WITHOUT PLASTIC
Auf der Internationalen Tourismus Börse ITB in Berlin war ich kürzlich eingeladen zu einer sehr anregenden Diskussionsrunde zu genau diesem Thema. Neben mir saß Joanne Hendrickx, die die Initiative „Travel without Plastic“ ins Leben gerufen hat. Sie war Managerin für nachhaltige Destinationen bei einem Reiseveranstalter, und sie hatte eines Tages die Nase voll von all den Einwegartikeln, die die Urlauber in den Reisezielen im Hotel bekamen: angefangen bei einzeln versiegeltem Besteck – übrigens teilweise ausschließlich Einwegplastikbesteck – über kleine Butterdöschen bis hin zu den eingepackten Seifenportiönchen in den Badezimmern. Ein mittelgroßes Hotel, rechnete sie hoch, trägt mit 400.000 Teilen allein aus dem Gastronomiebereich zum jährlichen Müllaufkommen bei. Alles in allem kam sie auf knapp 1 Million Plastikteile, die ein solches Hotel pro Jahr „benötigte“.
Um den Plastikmüll zu reduzieren, entwickelte sie einen Werkzeugkasten als Ideengeber und Anleitung für Hoteliers. Das „Toolkit“ adressiert auch deren Vorbehalte. Denn es gibt aus Sicht der Hotelbetreiber einige Gründe, Alternativen gegenüber skeptisch zu sein: Sie befürchteten bei einer Umstellung auf weniger Verpackungen zum Beispiel Zusatzkosten, Gesundheitsgefahren oder Mehrarbeit für die Angestellten. All diese Bedenken habe sie versucht, in ihrem „Toolkit“ aufzugreifen, berichtete Joanne Hendrickx. Auf ihrer Internetseite schreibt sie: Hotels, die an dem Plastikreduktions-Programm teilnahmen sparten im Schnitt 20 Prozent davon ein. Jene, die das Konzept sehr gewissenhaft umsetzten, schafften bis zu 68 Prozent Reduzierung.
MONOMATERIAL STATT VERBUNDSTOFF
Mein Part war, darauf hinzuweisen, dass das Plastikmeer im Meer auch eine Frage von Anwendung und Herstellung von Produkten ist. Ob es nun Fischereinetze, Flipflops oder Zigarettenstummel sind, viele Produkte und Verpackungen sind sehr kurz im Einsatz, aber für die Ewigkeit haltbar. Im Einsatz sind problematische, weil faktisch nicht trennbare Verbundstoffe, die ein hochwertiges stoffliches Recycling unmöglich machen. Biologisch abbaubar müssen Produkte, die in die Umwelt gelangen können, besonders in solchen Ländern sein, in denen Entsorgungs- und Verwertungsstrukturen fehlen. Oder auch in unseren Breitengraden, wo sie in Flüsse oder Wasserwege fließen können. So hat das Fraunhofer Institut festgestellt, dass 70 Prozent der Feinpartikel, die in Wasserwegen landen, Abriebe von Reifen sind. Also auch die müssen biologisch abbaubar sein.
ALLE KÖNNEN ETWAS TUN
Natürlich können ALLE etwas tun: Die Hoteliers können ihren Plastikeinsatz kritisch unter die Lupe nehmen – mit oder ohne Werkzeugkasten. Die Verbraucher können ihre Wünsche nach weniger Verpackung im Handel und im Hotel aussprechen und ihr Kaufverhalten anpassen. Die Gesetzgeber können für effektive Rahmenbedingungen sorgen. Die öffentlichen Beschaffer können ein gutes Vorbild sein, indem sie beim Einkauf auf Monomaterialien statt Verbundstoffen oder recycelte Materialien achten.
SCHOKOLADE
Einkauf ist auch das Stichwort meiner zweiten Podiumskollegin gewesen – die Biologin Frauke Fischer. Ihre Agentur bewertet Ideen und Projekte auf ihre langfristige Nachhaltigkeitstauglichkeit. Neben den Fakten zum Meeresschutz erzählte sie von „ihrer“ Schokolade, produziert mit Kakao aus Peru. Das Projekt finanziert die Ernte der Bauern im Urubambatal-Projekt zu 100 Prozent vor und vermarkten den Kakao. In dieser Saison wurde hochwertige Schokolade daraus hergestellt, und die müsse jetzt verkauft werden!
Das Schöne an der Diskussionsrunde auf der ITB war, mit zwei Frauen zusammenzusitzen, die die Dinge in die eigene Hand genommen haben und wirklich etwas verändern. Ihre Kreativität sollten allen Zögerern Mut machen.
Monika Griefahn: Interview in den ITB News
Kakaoprojekt Perú puro
Projekt „Reisen ohne Plastik“
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