Kurz vor der Stichwahl zum rumänischen Präsidentenamt bin ich mit einer Gruppe der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Mai nach Rumänien und Moldau aufgebrochen. Es war hautnahe politische Bildung in entscheidenden Zeiten. Denn: Rumänien als Staat, der bereits Mitglied der EU ist, stand kurz vor der Wahl eines neuen Präsidenten.
Inzwischen steht fest: Der pro-europäische Kandidat Nicusor Dan hat die Stichwahl gegen seinen rechtsradikalen Gegner George Simion gewonnen. Für das Nachbarland Moldau ist nicht unerheblich, was in Rumänien passiert. Das kleine Land ist seit Dezember 2024 Beitrittskandidat der EU. Umring von Ländern in Ausnahmesituationen, allen voran der Ukraine, stärkt das Ergebnis in Rumänien die Anhänger einer proeuropäischen Politik in Moldau zumindest moralisch.
VÖLLIG VERSCHIEDENE WERTEORDNUNGEN
Die Gespräche und Diskussion auf der überaus interessanten Reise waren sehr informativ und kontrovers. Die Länder stehen unter dem Einfluss zweier völlig verschiedener Werteordnungen – die Europas und die Russlands. Wir konnten auch die autonome Republik Gagausien besuchen. Sie hat nur rund 180.000 Einwohner und steht stramm auf Konfrontation mit Chișinău, der Hauptstadt von Moldau. Das gilt auch für Transnistrien, das eng mit Russland verbunden ist. Nur ein Teil unserer Gruppe ist dorthin gereist – der Ratschlag des Auswärtigen Amtes war klar, das nicht zu tun. Hinzu kommt, dass die DAGP als Nichtregierungsorganisation dort verboten ist.
Beide Länder sind sehr militärlastig, was für viele Staaten vielleicht nichts Besonderes ist, für uns Europäer aber doch auffällig. Man kann das wohl durch die ständigen Bedrohungsgefühle erklären – die Jahrzehnte der Sowjetunion und die rumänische Ceaușescu-Diktatur haben ihre Spuren hinterlassen. Wir haben unter anderem ein Geschichtsmuseum in Moldau besucht, und bei der Ausstellung hätte ich mir doch etwas mehr kritische Aufarbeitung der Sowjetzeit wünschen.
Wirtschaftlich trifft Russlands Krieg in der Ukraine gerade Moldau hart, denn der wichtigste Hafen für Moldau war immer Odessa. Der ist aber im Moment nicht zugänglich, sodass die Handeltreibenden zu dem doppelt so weit entfernten rumänischen Hafen Konstanza fahren müssen, um ihre Waren zu exportieren.
Von den etwa 2,4 Millionen Einwohnern Moldaus haben etwa 1 Million einen rumänischen Pass und sind damit de facto Bürger der EU. Viele Moldauer arbeiten auch in der EU, die sich sehr um das Land bemüht. Sie gibt zum Beispiel hohe Summen für den Aufbau von Wasser- und Abwasser-Infrastruktur und auch kulturelle Programme. Die moldawische Regierung versucht auch, viele der EU-Forderung für eine Beitritt umzusetzen und ist schon ziemlich weit damit. Sie möchte gerne bis 2028 die Verhandlungen abschließen.
MOLDAU – ENERGIE U ND WOHNEN QUASI UNBEZAHLBAR
In Moldau wird es am 23. September Parlamentswahlen geben. Ob dort wieder eine proeuropäische Regierung zu Stande kommt, ist unklar. Es gibt eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, da die Inflation hoch ist und die Energiepreise enorm gestiegen sind. Tatsächlich ist Energie nicht nur im Verhältnis zu den örtlichen Einkommen sehr teuer, sondern sogar im Vergleich zu Deutschland. Wo uns der Umbau des Energiesystems hin zur dezentraler Versorgung mit Erneuerbaren langsam unabhängiger vom Weltmarkt macht, muss etwa Moldau fossile Energie genau dort einkaufen – und ist dabei nur ein kleiner Abnehmer mit hohen Preisen.
Die Einkommen in Moldau betragen durchschnittlich nur zwischen 300 und 1000 Euro. Eine Rente liegt bei nur etwa 110 Euro. Im Gegensatz dazu sind Wohnungen inzwischen extrem teuer. Eine Einzimmerwohnung kostet bis zu 500 Euro. Das bedeutet, dass viele Menschen in Moldau auf die Geldflüsse ihrer Angehörigen im europäischen Ausland angewiesen sind und viele Rentner arbeiten müssen.
Wie in Polen, wo mit einer hauchdünnen Mehrheit gerade ein prorussischer Präsident die Wahl gewonnen hat, ringen die Menschen auch in Rumänien und Moldau mit der Frage, welche Werteordnung zukünftig die ihre sein soll. Für mich ist schwer nachvollziehbar, warum man auch bei aller Unzufriedenheit dazu tendiert, eine Welt mit Reise- und Meinungsfreiheit, mit einer Vielfalt der Kulturen und einem demokratischen, kooperativen politischen System gegen Unterdrückung und Nationalstaat eintauschen zu wollen. Wir sollten nicht müde werden, die europäischen Werte zu verteidigen – ein freies Leben steht auf dem Spiel.
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