Der Klimawandel ist da, das erkennen außer ein paar Leugnern inzwischen so ziemlich alle Menschen in Deutschland an – nicht zuletzt, weil sie ihn in ihrem eigenen Leben zu spüren bekommen. Doch welche Strategie ist die beste, um als Menschen so zu leben, dass die Erde uns aushalten kann?
Prof. Dr. Niko Paech ist Vertreter der Postwachstumsökonomie und Professor der Universität Siegen. Er war auf Einladung des Klimaforums in der Empore in Buchholz zu Gast und erklärte seinen Ansatz. Die Stadt Buchholz hat dazu geschrieben (Auszüge): Paech „verdeutlichte, dass die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums längst erreicht seien. Nachhaltige Entwicklung sei nur möglich, wenn man sie innerhalb strenger ökologischer Grenzen global gerecht verteile. Das führe dazu, dass jeder Einzelne seine Ansprüche zurückschrauben und bescheidener leben müsse. ,Unser derzeitiges Wohlstandsniveau ist nicht aufrechtzuerhalten‘, betonte Paech.
,Genießen heißt, sich selbst Grenzen zu setzen.‘
SUFFIZIENZ, SUBSISTENZ UND ABKEHR VON DER GLOBALISIERUNG
Drei Säulen sind nach seiner Theorie notwendig, um ein Leben in Würde bei gleichzeitiger Schonung der ökologischen Ressourcen zu ermöglichen: Suffizienz (Genügsamkeit), Subsistenz (Selbstversorgung, Reparieren, Teilen) und eine Abkehr von der Globalisierung (kurze Lieferketten, regionales Denken und Handeln).
Ich habe die Diskussion, an der auch Sylvia Gienow-Thiele vom Logistik-Unternehmen In-Time, der Lokalpolitiker Dr. Jan Christian Dammann (SPD) und der CDU-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Bürgermeister von Buchholz Jan Bauer teilnahmen, moderiert. In meiner Rolle blieb wenig Raum für meine eigene Überzeugung, die nicht unbedingt der Paechs entspricht.
KULTURELLER WANDEL FÜR POSTWACHSTUM
Also ja: Ich glaube, dass alle drei Strategien in der Postwachstumsökonomie helfen würden, das Klima zu schonen. Zwei Fragen drängen sich jedoch auf: Würden Genügsamkeit, Selbstversorgung und regionales wirtschaften ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen und umzukehren? Und würden wir einen kulturellen Wandel in der gebotenen Eile hinbekommen, um den Menschen ein solches Leben schmackhaft zu machen? Es ist ein komplett anderes Leben, als die allermeisten Menschen es heute führen oder wonach sie streben. Weil ich da so meine Zweifel habe, vertrete ich die Strategie des Konzepts Cradle to Cradle.
KULTURELLE ANPASSUNG FÜR CRADLE TO CRADLE
Bei Cradle to Cradle geht es im Zentrum darum, Rohstoffe so in Kreisläufen zirkulieren zu lassen, dass sie unendlich wiederverwendet werden können und kein Abfall entsteht. Wenn alle Dinge so neu erfunden werden, sind sie nicht schädlich für diese Welt. Allein, von der Wegwerfgesellschaft zu einer Upcycling-Gesellschaft zu kommen, erfordert schon eine enorme kulturelle Anpassung, die erarbeitet werden muss. Aber sie ist deutlich geringer als die Anpassung, die für eine Postwachstumsgesellschaft vonnöten wäre.
Vielleicht ist es möglich, beide Konzepte zu vereinen. In jedem Fall würde mehr Postwachstumsdenken den Zeitdruck verringern, in dem Cradle to Cradle umgesetzt werden müsste. Es würde die Menschen wieder näher an das Leben mit der Natur führen, ihnen zeigen, wie aufwändig etwa die Nahrungsproduktion ist. Sie würden den Wert von Natur und natürlichen Kreisläufen wieder erkennen. In der Frage der Reparierbarkeit von Dingen spricht die Postwachstumsökonomie ja sogar vielen Menschen aus der Seele, die es hassen, fast neue Produkte in den Schrott zugeben, weil eine Reparatur nicht möglich ist.
Und dieser Aspekt kommt ja auch Cradle to Cradle nahe, wo Recycling eine zentrale Rolle spielt. Es ist im „C2C“-Konzept aber als „Design zur Wiederverwertbarkeit“ zentral: Ein Produkt muss gleich so hergestellt werden, dass es auseinandergebaut und seine Materialien wiederverwendet werden können.
KEINE KONFRONTATION DER THEORIEN
Es lässt sich viel diskutieren, und gut ist, dass das Ziel beider Strategien dasselbe ist. Insofern ist eine Konfrontation beider überhaupt nicht sinnvoll. In der Diskussion in Buchholz jedenfalls wurden den rund 100 Zuschauer:innen jede Menge Denkanstöße gegeben. Sie dürften weiterdiskutiert und -gegrübelt haben. Der erste Schritt, um sein Verhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern – nach welcher Strategie auch immer.
Zum Bericht der Stadt Buchholz über die Veranstaltung
Klimaforum der Stadt Buchholz
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